1684 - So grausam ist die Angst
noch die Wohnung verlassen und nach unten gehen.
An der Tür stoppte sie.
Plötzlich war ihr etwas eingefallen, und sie hatte das Gefühl, erst jetzt wieder richtig denken zu können. Sie dachte daran, wen sie auf dem Friedhof getroffen hatte.
Zwei Männer, die ihr ihre Hilfe angeboten hatten. Menschen von Scotland Yard, die ihr beide Vertrauen eingeflößt hatten. Einer hatte ihr seine Karte gegeben.
Die war rasch gefunden, und das Handy brauchte sie nur aus der Tasche zu holen. Dieser Geist des Schamanen hatte ihr nicht gesagt, dass sie allein bleiben musste. Wenn sie diesen schweren Weg schon ging, dann nicht ohne Rückendeckung …
***
»Ihr seht nicht aus, als hättet ihr Erfolg gehabt«, stellte Glenda Perkins lakonisch fest.
»Meinst du?«, fragte ich.
»Ja.«
»Dann hast du recht.« Ich ließ mich auf meinen Bürostuhl fallen und schaute zu Glenda hoch.
»Und wie geht es bei euch weiter?«
»Keine Ahnung.«
Sie verzog die Lippen. »Das hört sich nicht eben toll an. Oder ist euch dieser Schamane über?«
»So kann man es fast nennen«, meldete sich Suko von seinem Platz aus. »Es ist nicht leicht, mit ihm die Klingen zu kreuzen. Sein Vorteil ist, dass er auf zwei Ebenen existieren kann, und da sind wir ihm leider unterlegen.«
»Dann habt ihr keinen Plan?«
»So ist es.«
»Hoffnung denn?«
Suko und ich schauten uns an. Hoffnung gab es immer, in diesem Fall hatte sie sich nur etwas zu weit von uns entfernt.
Glenda bohrte weiter. »Habt ihr euch denn Gedanken darüber gemacht, was die andere Seite vorhaben könnte? Aus lauter Spaß an der Freud hat sich dieser Uvalde bestimmt nicht gezeigt. Der muss einen Plan haben. So sehe ich das.«
»Wobei seine Aufgabe mit der Beschwörung eigentlich hätte beendet sein müssen«, meinte Suko.
Glenda dachte anders darüber. »Kann es nicht sein, dass dies erst der Anfang gewesen ist?«
»Wovon?«, fragte ich.
Sie breitete die Arme aus. »Was weiß ich? Hineinversetzen kann ich mich nicht in ihn. Aber ich denke, dass er nicht erfreut darüber gewesen ist, dass sein Geheimnis gelüftet wurde. Und das von euch. Und er muss auch gespürt haben, dass ihr nicht auf seiner Seite steht. Kann sein, dass er noch Kontakt mit euch aufnimmt. Er hat mit euch ja noch so etwas wie eine Rechnung offen.«
»Das heißt warten.«
»Genau, John.« Glenda lächelte irgendwie wissend. »Aber da gibt es noch etwas«, sagte sie mit leiser Stimme. »Davon habt ihr noch gar nicht gesprochen. Wie steht diese Rosy Mason dazu? Kann es nicht sein, dass er auch von ihr etwas will?«
Ich winkte ab. »Keine Sorge, das haben wir nicht vergessen, und ich denke auch darüber nach, ob …«
Worüber ich nachdachte, musste ich für mich behalten, denn das Telefon meldete sich.
Ich hob ab, ließ Glenda und Suko mithören, die ebenso gespannt waren wie ich, als wir die Stimme hörten.
»Hier ist Rosy Mason. Mr Sinclair?«
»Am Apparat.«
Das Aufatmen war nicht zu überhören. »Das ist toll, dass ich Sie antreffe. Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Auge in Auge oder am Telefon?«
»Nein, nein, am Telefon. Es ist nämlich etwas passiert. Ich habe Besuch bekommen …«
In den folgenden Minuten hörten wir gespannt zu, was sie uns zu sagen hatte. Wir erfuhren, dass Darco Uvalde noch nicht aufgegeben hatte. Er hatte es sogar geschafft, Rosy Mason dazu zu überreden, dass sie das Grab ihrer Freundin besuchte, um dort mit der Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Klar, dass sie sich fürchtete, aber sie hatte sich entschlossen, zu fahren, und dabei wollte sie auch bleiben.
»Was sagen Sie dazu, Mr Sinclair?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Rosy. Sie haben genau das Richtige getan.«
»Meinen Sie?«
»Ja, denn eines versprechen wir Ihnen, wir lassen Sie dabei nicht allein.«
Eine Antwort konnte sie nicht geben. Wir hörten nur einige Laute, die undefinierbar waren. Wenig später klang ihre Stimme wieder normal.
»Jetzt ist meine Angst nicht mehr so groß. Wir treffen uns dann auf dem Friedhof.«
Ich wollte noch etwas sagen, aber sie hatte schon aufgelegt.
»Dann mal los!«, rief Glenda. »Und nehmt am besten Regenmäntel mit. Das sieht ganz nach einem Unwetter aus.«
»Dann werden wir eben nass«, erwiderte ich und war schon aus dem Büro gelaufen …
***
Es fiel Rosy Mason nicht leicht, sich auf das Fahren zu konzentrieren. Zu viele Gedanken lenkten sie ab. Immer wieder stellte sie sich die Frage, ob sie richtig gehandelt hatte. Wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, dann
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