1689 - Engel der Ruinen
nur in seinem Kopf, die mehr ein Flüstern war.
»Ich bin in deiner Nähe, du musst dich nicht fürchten. Es wird alles wieder in deinem Sinne werden.«
Milic zuckte zusammen. Auf seinem Gesicht erschien plötzlich ein Strahlen. Glanz trat in seine Augen, und er flüsterte: »Was wird passieren?«
»Das kann ich dir sagen. Wir werden uns vorsehen müssen. Es hat sich etwas verändert.«
»Und was?«
»Diese Staatsanwältin wird nicht allein sein. Sie hat sich einen Helfer geholt.«
»Ich kenne ihn. Und was ist mit ihm?«
»Man darf ihn nicht unterschätzen. Er ist in der Lage, in meinem Revier zu wildern. Das wollte ich dir nur mit auf den Weg geben.«
»Und was soll ich tun?«
»Nichts, mein Freund, du wirst dich völlig ruhig verhalten. Das ist alles.«
»Gut. Wenn du das sagst.« Er räusperte sich. »Aber eine Frage habe ich noch.«
»Bitte!«
»Wirst du mir helfen?« Milic wartete voller Spannung auf die Antwort, die erst später erfolgte.
»Du weißt doch, was ich dir damals versprochen habe, mein Freund. Ich lasse dich nicht im Stich.«
»Danke.« Nach dieser Antwort traf Milic ein kalter Hauch, der direkt an seinem Gesicht vorbei glitt. Da wusste er, dass ihn sein Schutzengel verlassen hatte. Traurig war er darüber nicht, denn Sariel würde zurückkehren, das stand fest.
Nicht mal eine Minute später wurde die Tür geöffnet. Zwei Männer in Uniform standen bereit, um ihn abzuholen. Zu sagen brauchten sie nichts.
Josip Milic erhob sich von seinem Stuhl und schritt auf die Tür zu.
Die beiden Männer wunderten sich nur darüber, dass der Mann dies mit einem Lächeln auf dem Gesicht tat, denn das hatten sie noch bei keinem Gefangenen erlebt …
***
Auch Purdy und ich waren auf dem Weg zum Gerichtssaal. Kurz davor trennten wir uns, denn Purdy würde zusammen mit dem Richter und den Zeugen den Saal durch einen anderen Eingang betreten. Ich würde meinen Platz auf einem der Besucherstühle finden. Der Prozess lief nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab.
Als ich den Saal betrat, waren die meisten der Plätze schon besetzt. Ich suchte mir einen günstigen aus und fand ihn in der dritten Reihe. Ich nahm den letzten Stuhl am Ende der Reihe in Beschlag. Von diesem Platz kam ich schnell weg, wenn es denn sein musste. Ich glaubte nicht daran, dass die Verhandlung normal über die Bühne laufen würde.
Als ich saß, schaute ich mir zuerst die Leute an, die sich in meiner Umgebung aufhielten. Es gab welche von der Presse und auch die normalen Zuschauer, die sich auf ihren Plätzen verteilt hatten. Darunter befanden sich nicht wenige Südosteuropäer. Für mich waren es Menschen, die Josip Milic kannten und mit ihm schon Geschäfte gemacht hatten, ob legal oder illegal.
Mein Kreuz hatte ich mal wieder in die Tasche gesteckt. Ob es sich melden würde, wenn dieser Engel auftauchte, dafür konnte ich die Hand nicht ins Feuer legen, aber ich ging davon aus, dass irgendetwas geschehen würde, was den Rahmen des Normalen sprengte.
Der Verteidiger des Angeklagten saß bereits auf seinem Platz. Es war ein kleiner Mann, auf dessen Kopf nur wenige Haare wuchsen, die er wie dunkle Streifen nach hinten gekämmt hatte. Vor ihm lagen seine Unterlagen, deren Inhalt er gut lesen konnte, da durch eines der nahen und auch großen Fenster Licht in den Raum fiel.
Zwar saß ich recht weit von ihm entfernt, dennoch war für mich zu erkennen, dass er schwitzte. Er wischte einige Male mit dem Handrücken über seine Stirn, schaute sich öfter um und wartete dann auf das Erscheinen des Hohen Gerichts.
Zunächst wurde Milic von zwei stämmigen Bewachern in den Raum geführt. Er ging sehr aufrecht, beinahe wie ein Sieger, der durch seine Haltung ausdrücken wollte, dass ihm nichts passieren konnte. Er trug einen braunen Anzug mit feinen Streifen und war einfach nur der Star im Saal.
Viele Angeklagte hielten den Blick in derartigen Situationen gesenkt, das tat Milic nicht. Es sah schon recht provozierend aus, wie er sich umschaute und den Kopf dabei angehoben hatte.
Ob er Bekannte, Verbündete, Freunde oder auch Gegner suchte, war mir nicht klar, aber sein Blick traf auch mich, und er hielt für einen Moment inne.
Ich schaute zurück.
Dann schoben ihn die beiden Wärter weiter auf seinen Platz zu. Es war die Bank, auf der auch sein Verteidiger Platz genommen hatte. Milic setzte sich neben ihn, und sofort begannen die beiden leise miteinander zu sprechen.
Lange konnten sie nicht reden. Durch eine Seitentür betrat
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