1689 - Engel der Ruinen
glücklich war, es fiel mir kein besserer Plan ein, um vielleicht einen Schritt weiter zu kommen. Anwälte sind nicht selten auch Vertraute von Angeklagten, und darauf setzten wir. Das konnte durchaus sein, dass dieser Jason Miller das eine oder andere von Josip Milic erfahren hatte, das er natürlich für sich behalten wollte.
Aber die Zeiten hatten sich geändert. Dieser Milic war geflohen und es galt, ihn so schnell wie möglich zu finden, denn ein frommer Chorknabe war Milic nicht.
Man hatte ihm zwar nichts nachweisen können, aber es war ihm im Laufe der Zeit gelungen, die Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Dabei sollte es auch Tote gegeben haben, wie ich von Purdy wusste. Nur hatte man ihm nichts nachweisen können.
Das Gerichtsgebäude hatten wir durch einen Seiteneingang verlassen und waren keinem Reporter in die Arme gelaufen. Den Weg kannte die Staatsanwältin.
Wir mussten praktisch nur geradeaus gehen und nach rund dreihundert Metern in eine Seitenstraße einbiegen, dann hatten wir es so gut wie geschafft.
Ich wollte nicht behaupten, dass wir innerlich aufgewühlt waren, aber eine gewisse Anspannung war schon vorhanden, und die malte sich auch auf unseren Gesichtern ab, die nicht eben gelöst aussahen.
»Wie wird dieser Sariel wohl reagieren, wenn es uns gelingen sollte, Josip Milic zu stellen?«
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung, Purdy.«
»Dann könnten wir ihn zum Feind haben.«
»Möglich.«
Sie fragte weiter. »Und wie wirst du dann reagieren? Hast du einen Plan?«
»Nein, den kann ich auch nicht haben, weil ich nicht weiß, was noch alles in dieser Gestalt steckt. Bisher zähle ich ihn zur anderen Seite.«
»Zu den Höllenengeln?«
»Ja, so ungefähr.«
»Warum nicht ganz?«
Ich lächelte über Purdys Neugierde, empfand sie auf der anderen Seite aber auch als natürlich. »Es liegt einzig und allein an der Reaktion meines Kreuzes. Es hat sich nicht mit all seiner Kraft gegen ihn gestellt. Das ist es, was mich so stutzig machen lässt. Ich weiß nicht, wie ich ihn einordnen soll. Auf jeden Fall ist er für mich etwas Besonderes.«
»Da stimme ich dir zu.«
Wir hatten die Ecke erreicht und bogen in die andere Straße ein. Bisher hatte uns niemand aufgehalten, und die Chance, dass es jetzt passieren würde, war kaum vorhanden.
»Wie weit müssen wir noch?«
Purdy winkte ab. »Die Hälfte haben wir geschafft. Und ich bin gespannt, was uns Jason Miller zu sagen hat. Ich hoffe nur, dass er sich nicht störrisch zeigt und sich auf seine anwaltliche Schweigepflicht beruft. Die kann er ab jetzt vergessen.«
»Ich denke, dass er das wissen wird.«
Mein Optimismus war wieder zurückgekehrt. Es war auch zu einer persönlichen Sache für mich geworden, weil ich immer noch an die Reaktion meines Kreuzes denken musste. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass mir so etwas schon mal widerfahren war. Das bedurfte dringend einer Aufklärung.
Es gab eine Störung. Und dafür sorgte mein Handy, das sich unüberhörbar meldete.
»Geh nicht ran!«, rief Purdy.
»Lass mal. Das muss ich machen. Wer meine Nummer hat, der hat etwas auf dem Herzen.«
»Ist dein Ding.«
Ich blieb nahe der Hauswand stehen und holte das flache Gerät aus der Tasche. Ein Blick auf die Nummer sagte mir, dass nicht Suko etwas von mir wollte, sondern mein ältester Freund Bill Conolly.
»He, Geisterjäger, ich kriege dich also doch. Ich habe schon im Büro angerufen. Da sagte man mir, wo du zu erreichen bist.«
»Okay, jetzt hast du mich. Sag schnell, um was es geht. Ich habe wirklich nicht viel Zeit.«
»Okay, kein Problem. Stimmen die Gerüchte, die ich gehört habe? Dass es bei einem Gerichtsprozess eine Überraschung gab, die bisher einmalig gewesen ist?«
»Das entspricht der Wahrheit.«
»Und du bist dabei gewesen?«
»Richtig.« Ich sprach schnell weiter. »Aber ich kann dir nichts sagen, Bill. Noch nicht. Purdy und ich sind unterwegs, um Licht in den Fall zu bringen.«
»Schade, John. Ich hatte gehofft, etwas zu erfahren. Von verschiedenen Zeitungen bin ich angerufen worden. Da wissen die Leute, dass wir befreundet sind und …«
Ich unterbrach ihn. »Wirklich, Bill, wir tappen noch im Dunkeln.«
Das nahm er nicht hin. »Und du weißt nicht, wer diesen Angeklagten befreit hat, als es zu dieser Dunkelheit kam, die ja nicht normal war?«
»Ich kenne keinen Namen.«
»Dachte ich mir. Hast du denn einen Verdacht?«
Ich kannte Bill. Wenn er sich einmal in etwas verbissen hatte, ließ er so schnell nicht
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