1689 - Engel der Ruinen
welchen?«
Ich sah Milics Blick auf mich gerichtet und musste mir blitzschnell etwas einfallen lassen, denn Purdy hatte mich in eine nicht eben berauschende Lage gebracht.
»Ich weiß, weshalb Sie heute Nachmittag vor Gericht stehen werden. Und ich bin gekommen, um Ihnen so etwas wie einen Deal anzubieten, wenn es Ihnen recht ist.«
»He, wie edel Sie mit mir reden.«
»Das ist meine Art.«
»Und wie lautet der Deal?«
»Ganz einfach. Es geht letztendlich um die Höhe der Strafe. Die Beweise gegen Sie sind perfekt. Da kommen Sie nicht raus. Es gibt Zeugen und so weiter. Aber Sie können Ihre Lage trotzdem verbessern, indem Sie uns gewisse Informationen liefern.«
Milic lächelte. Seine Augen verengten sich dabei. »Und woran haben Sie genau gedacht?«
»Ich denke, dass Sie diesem Job nicht allein nachgehen. Dass es noch Konkurrenz gibt. Und deren Anführer laufen frei herum, ganz im Gegensatz zu Ihnen. Da wäre es für Sie besser, wenn Sie uns den einen oder anderen Tipp geben. Es würde sich für Sie auszahlen.«
Josip Milic sagte erst mal nichts. Er starrte mich nur an. Sekundenlang. Dann schüttelte er den Kopf.
»Hören Sie, Sinclair, wir sind hier nicht auf einem Basar. Ich sehe nicht ein, dass ich Ihnen zur Seite stehen soll. Machen Sie Ihren Job und lassen Sie mich in Ruhe.«
»Dann würden Sie die volle Strafe auf sich nehmen?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Was haben Sie dagegenzusetzen?«
Die Augen des Mannes glänzten plötzlich. »Ich werde Hilfe bekommen, ich werde sie von jemandem erhalten, mit dem Sie sich bestimmt nicht messen können, weil er über allem schwebt. Und das können Sie wörtlich nehmen.«
»Und wer ist das?«
»Mein Helfer.«
»Aha.«
Milic grinste schief. »Einer, der über mich wacht, der mich nicht im Stich lässt. Der für mich da ist, zu dem ich sogar bete. Einer, der mir den Mut gibt, das Leben so fortzuführen, wie ich es mir wünsche, und zudem einer, der mich den Klauen des Todes entrissen hat, als der Balkan brannte. Darüber können Sie jetzt nachdenken.« Er nickte uns zu. »Mehr sage ich nicht. Klar?«
Purdy mischte sich ein. »Es könnte ein Fehler sein. Einen, der so auf Sie reagiert, den gibt es nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Sonst hätte ich es nicht gesagt.«
Milic lachte breit. Dann sagte er: »Sie werden sich noch wundern. So, und jetzt lassen Sie mich allein. Ich will mich auf den heutigen Nachmittag vorbereiten, auf den ich mich übrigens freue.«
Wir wussten, dass wir von Josip Milic nichts mehr erfahren würden, und taten ihm den Gefallen. Bevor ich die Zelle verließ, drehte ich mich noch mal um.
Milic starrte auf unsere Rücken. In seinen Augen lag dabei ein Glanz, der mir schon unnatürlich vorkam, aber er sagte mir auch, dass dieser Mann nicht geblufft hatte. Bestimmt hielt er einen Trumpf in der Hinterhand. Aber welchen?
Das mussten wir herausfinden, und mich beschlich dabei ein ungutes Gefühl …
***
Ich war nach dem Besuch in der Zelle nicht wieder zurück ins Büro gefahren, sondern hatte dort angerufen, eine kurze Erklärung abgegeben und war dann der Einladung meiner Freundin Purdy gefolgt und mit ihr in die Gerichtskantine gegangen.
Der Raum war ebenso schmucklos wie alles andere in diesem Gebäude. Wer durch eines der Fenster blickte, sah in einen Hinterhof und schaute auf schmutzige Hausfassaden. Ein Anblick, der den Wunsch nach Urlaub in einem sensiblen Menschen hochtrieb.
Damit hatten Purdy und ich kein Problem. Stattdessen reihten wir uns in die kleine Schlange vor der Theke. Hinter Glas lagen die Mahlzeiten, auf die man zugreifen konnte.
Ein warmes Gericht gab es auch, ich entschied mich dagegen. Es war irgendein Gulasch, angeblich Hirsch. Darauf verzichtete ich gern und griff nach einem Sandwich, auf dem Putenfleisch lag, das mit einer hellen Soße bedeckt war. Dazwischen klemmten noch Salatblätter.
Ich schielte auf Purdys Tablett. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass Frauen viel mehr Salat essen als Männer. Und das traf bei Purdy Prentiss zu.
Ich folgte ihr zu einem leeren Tisch. Sie kannte die meisten Gäste hier und nickte ihnen auf dem Weg zu unserem Platz zu. Der Tisch stand nahe des Fensters, war von vier Stühlen umstanden, und wir belegten zwei davon.
Zu trinken hatten wir uns Wasser mitgenommen. Von einem Kaffee hatte Purdy abgeraten, denn der würde nicht schmecken.
»Dann guten Appetit«, sagte ich.
»Danke, gleichfalls.«
Ich grinste. »Das klang aber nicht sehr begeistert.«
Sie runzelte
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