1693 - Letzte Zuflucht: Hölle
auch hinter die Kulissen. Und manchmal sind die Dinge, die im Verborgenen liegen, viel interessanter.«
»Was weißt du denn genau?«
»Zu wenig«, erwiderte Benson etwas philosophisch. »Aber ich bete dafür, dass wir gewinnen.«
»Wer sollte denn sonst …«
»Unsere Feinde. Urfeinde. Das Böse, das überall lauert. Das ist ebenso vorhanden wie das Gute. Aber mach dir darüber keine Gedanken. Warte erst mal ab.«
Nein, das wollte Mary nicht. Sie konnte auch nicht so ruhig bleiben wie ihr Gegenüber. »Und was ist mit John Sinclair? Was hältst du denn von ihm?«
»Ich kenne ihn zu wenig.«
»Aber du hast doch einen ersten Eindruck bekommen.« Mary ließ nicht locker.
»Den habe ich.« Benson schlug ein Bein über das andere. Er ließ sich nie aus der Ruhe bringen. »Ich würde sagen, sei froh, dass du ihn an deiner Seite hast. Er scheint ein Mann zu sein, der nicht so schnell vor Problemen davonläuft. Er stellt sich ihnen. Er ist zum Bahnhof gegangen und dort wird er …«
»In den Nebel gelangen, der nicht normal ist. Deshalb mache ich mir auch so große Sorgen. In diesem unnatürlichen Dunst kann so viel passieren.«
Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Am liebsten würde ich hingehen und nach ihm suchen.«
»Tu das nicht.«
»Warum nicht? Ich habe keine Angst vor Nebel und …«
»Trotzdem, Mary. Wenn er nicht normal ist, dann ist er gefährlich. Außerdem wird dich Sinclair hier brauchen, daran solltest du denken.«
»Meinst du?«
»Ja, denn wer außer dir kennt sich im Ort so gut mit den Kindern aus?«
»Du meinst mit den restlichen.«
»Wie auch immer. Du wirst gebraucht und musst dein Licht nicht unter den Scheffel stellen.«
»Ja, danke, aber …« Sie unterbrach sich mitten im Satz. Dafür gab sie ein leises Lachen ab. Danach flüsterte sie: »Das – das – gibt es doch nicht.«
Benson stand auf. »Was gibt es nicht?«
»Schau mal zum Bahndamm hoch. Der Nebel ist verschwunden. Ja, er ist weg. Kein Rest mehr.«
»Das ist doch ein Vorteil.«
Mary dachte einen Moment länger nach als gewöhnlich. »Ein Vorteil? Aber wo steckt John Sinclair?«
»Er wird schon kommen.«
»Wenn er den Nebel überlebt hat«, flüsterte Mary Kendrick.
»Das hat er. Darauf kannst du dich verlassen.«
Mary Kendrick wollte noch eine Frage stellen, kam aber nicht mehr dazu, denn sie sah, dass Benson den rechten Arm ausgestreckt hielt und in Richtung des alten Bahnhofs wies.
»Da kommt er.« Benson grinste. »Scheint ein harter Knochen zu sein.«
Sie nickte und sagte dabei: »Das muss er auch, wenn das alles stimmt, was ich von ihm gehört habe …«
***
Selbst auf dem Gesicht des alten Benson sah ich die Erleichterung, als ich vor den beiden anhielt. Sie schauten mich an wie einen Fremden und suchten nach Worten.
Ich ahnte, was in ihnen vorging. »Den Nebel habe ich schadlos überstanden. Keine Sorge.«
»Nur den Nebel?«, fragte Benson und schob seine Mütze weiter nach hinten.
»Was meinen Sie damit?«
»Ich kenne mich nicht so genau aus. Aber der Nebel ist doch oft da, um andere Dinge zu verdecken.«
»Kann sein.«
»Was war denn am Bahnhof?«
Die Wahrheit wollte und konnte ich ihnen nicht sagen. Sie hätten sie auch nicht begriffen, weil sie einfach zu extrem war. Deshalb wich ich bei meiner Antwort aus.
»Ich bin dort mit Dingen konfrontiert worden, die außerhalb der Normalität stehen, für mich aber normal sind.«
»Und was ist das gewesen?«, flüsterte Mary.
»Bitte, das möchte ich wirklich für mich behalten. Ich will Sie nicht durcheinanderbringen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass die Zeit drängt. Wir müssen etwas tun. Und zwar für die Kinder.«
»Dann geht es also um sie.«
»Es ist von Beginn an um sie gegangen, Mrs Kendrick. Und jetzt kommen Sie ins Spiel.«
»Ja, ja, gut. Was kann ich denn für Sie tun?«
»Sehr viel. Sie kennen die Kinder, die entführt wurden. Ich möchte, dass wir sie zusammenholen. Ich will sie nicht mehr aus den Augen lassen. Es sind sechs, und diese sechs müssen zusammen unter unserem Schutz bleiben.«
Sie sagte nichts. Auch Benson hielt den Mund. Er hatte den Blick gesenkt und machte sich offenbar seine Gedanken.
Schließlich fragte er: »Haben Sie denn einen genauen Plan? Können Sie uns da schon mehr sagen?«
»Ja, das denke ich. Wir werden die Kinder so schnell wie möglich holen. Wir müssen mit den Eltern reden. Mit ihnen telefonieren und …«
»Die Nummern kenne ich nicht«, flüsterte Mary.
Ich unterdrückte einen Fluch. Dann
Weitere Kostenlose Bücher