1694 - Das Horror-Bett
Bestätigung hatte sie überrascht. Sie suchten nach Worten, mussten schlucken, schauten sich an, wurden noch blasser und blickten erst wieder auf, als Sophie Blanc mit einem Tablett kam, auf dem eine mit Kaffee gefüllte Warmhaltekanne stand, umrahmt von vier Tassen.
Norman Randall konnte nicht anders. Er musste lachen. Er hatte Probleme mit der Normalität, die für ihn nicht mehr normal war.
Erst das Horror-Bett, dann diese unverständliche Reise, dann die Landung auf dem Knochensessel und jetzt ein völlig normal zubereiteter Kaffee.
Aber sie waren nicht von Feinden umgeben. Der Mann hatte mit John Sinclair gesprochen, und das hatte bei ihnen für große Beruhigung gesorgt, obgleich sie sich alles andere als wohl in ihrer Haut fühlten.
Sophie füllte die Tassen. Sie lächelte ihnen zu und sagte mit freundlich klingender Stimme: »Jetzt trinken Sie erst mal den Kaffee. Er wird Ihnen gut tun. Danach sehen wir weiter.«
»Es gibt ein Danach?«, flüsterte Claire.
»Das gibt es immer.«
»Ja, auch wenn es der Tod ist.«
»Nein, Claire, so sollten Sie nicht denken. Sie leben, und zwar alle beide.«
»Schon.« Claire nahm die Tasse entgegen. »Aber sind wir auch der tödlichen Gefahr entronnen?«
Die Antwort übernahm Godwin. »Ich will ehrlich sein. Die Gefahr ist nach wie vor vorhanden. Sie müssen davon ausgehen, dass man nicht nur Ihnen, sondern auch uns an den Kragen will.«
»Oder ans Leben?«
»Auch das.«
»Und wie bezeichnen Sie die Gefahr? Hat sie einen Namen?«
»Sie heißt Hugo Farina. Darüber habe ich bereits mit John Sinclair gesprochen. Sie haben das nicht mitbekommen, aber Farina war ein Henker, der damals für den Staat und die Kirche seine Untaten durchführte. Er hat Menschen geköpft, die man zuvor jagte. Besonders auf die Templer hatte man es damals abgesehen. Man hat ihn auf Jacques de Molay angesetzt, den letzten gefangenen Großmeister der Templer. Ob er ihn selbst gefangen hat, weiß ich nicht, aber man hat ihm nicht erlaubt, den Mann zu köpfen. Er wurde verbrannt, der Henker hatte das Nachsehen, und er muss sehr dicht an de Molay herangekommen sein, sodass sich beide kannten. Und der Henker hat mit finsteren Mächten einen Pakt geschlossen, das sprach sich herum. Zudem hatte er sich viele Feinde gemacht. Gegen die Masse hat der Einzelne keine Chance. So war es auch bei ihm. Die Menschen, die ihn hassten, sind gekommen und haben ihn in seinem eigenen Bett getötet.«
»Aber dann ist er doch tot«, flüsterte Norman Randall.
Godwin hob die Schultern. »Ich denke nicht, dass es ihn noch als normalen Menschen gibt. Erinnern Sie sich daran, dass er dem Teufel gedient hat. Da hatte er einen mächtigen Helfer.«
»Dann ist er nicht tot?«
Godwin hob nur die Schultern. »So genau wissen wir das nicht. Ich muss Ihnen leider sagen, dass die Hölle ein breites Spektrum auffahren kann, wenn es sein muss.«
»Und Sie haben keine Angst davor?«
Der Templer lachte. »Jeder Mensch hat Angst, da mache auch ich keine Ausnahme. Aber meine Freunde und ich haben uns eingerichtet. Wir sind angetreten, um das Böse zu bekämpfen, und werden dabei oft genug mit der Vergangenheit konfrontiert. Sogar mit einer sehr lebendigen Vergangenheit, das steht fest.«
Weder Claire noch Norman waren in der Lage, etwas zu sagen. Sie konnten nur staunen, und erst als Sophie ihnen die Tassen reichte, wurden sie lockerer.
Beide tranken, aber es war zu sehen, dass sie sich auch weiterhin Gedanken machten und dabei immer wieder auf den Knochensessel schauten.
Der warme Kaffee brachte wieder Farbe in die Gesichter der beiden Flüchtlinge. Dabei setzte Norman zweimal an, um eine Frage zu stellen.
»Müssen wir denn damit rechnen, dass sich die andere Seite in der Nähe aufhält? Wir sind beide von den Händen gepackt worden. Ist das der Henker, dessen Körper längst vermodert sein müsste? Sehen Sie das auch so?«
Godwin nickte. »Das muss man so sehen, es gibt keine andere Erklärung. Wenn der Teufel seine Hand im Spiel hat, kann man sich nicht darauf verlassen, dass alles stimmt, was man mit eigenen Augen sieht.«
»Dann können Tote nicht tot sein – oder?«
»Manchmal schon.«
Die Antwort ließ Claire leicht schwanken. Norman stützte sie sicherheitshalber und Godwin sorgte dafür, dass sie sich setzte und tief durchatmete.
Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht und war mit ihren Gedanken zunächst allein.
Auch Norman ging es nicht gut. Er hatte Mühe, sein Zittern zu unterdrücken. Er wollte wissen,
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