1695 - Entscheidung auf Luna
ein.
Das ließ in den Zwillingsschwestern die leise Hoffnung aufkeimen, daß man sich ihrer erinnern und sie in den Einsatz rufen würde.
Aber die Spindelwesen wüteten auf dem Saturnmond Titan und auf dem Mars, und sie drangen nach Luna vor, wo sie die Großsyntronik NATHAN übernahmen, ohne daß man sich an die Zwillinge um Unterstützung wandte. Oder sie wenigstens in den Kreis der Eingeweihten berief. Auch die anderen Zellaktivatorträger konnten gegen die Spindelwesen nichts ausrichten. Aber sie waren zumindest in das Geschehen einbezogen. Mila und Nadja fühlten sich aus der Clique der Unsterblichen ausgestoßen.
Und Voltago gefiel sich immer noch als unnütze Statue.
Nadja raffte sich sogar dazu auf, die Initiative zu ergreifen. Sie meldete sich im HQ-Hanse bei Homer G. Adams und erkundigte sich, ob sie nicht irgendwie helfen könnten. „Was wollt ihr schon tun?" war seine Reaktion; höflich, aber ungeduldig und abweisend. „Bleibt, wo ihr seid."
In der Tat, was hätten sie wirklich tun können? Mila und Nadja Vandemar konnten es sich nicht vorstellen. Sie konnten sich überhaupt nicht vorstellen, was es überhaupt noch für sie zu tun geben könnte. Unsterblichkeit hin, Unsterblichkeit her. Ihre einzige Zukunftschance war, in ein normales Leben zurückzukehren.
Wer brauchte sie denn eigentlich?
Niemand!
Die beiden erörterten ihre Lage. Aber sie drehten sich dabei im Kreise. Es war ein Teufelskreis, aus dem sie nur durch Flucht in die Anonymität entrinnen könnten.
Es war der letzte Tag im November, als sie dieses Thema wieder einmal erörterten. Sie saßen am Ufer des Sees und beobachteten den Sonnenaufgang. Nachdem das Wetter in den Tagen zuvor, als die Spindelwesen NATHAN willkürlich manipulierten, noch die unglaublichsten Kapriolen geschlagen hatte, war dies der erste milde Morgen.
Aber anstatt die Zwillingsschwestern positiv zu stimmen, machte er sie melancholisch. Sie beschlossen, endgültig einen Schlußstrich zu ziehen.
Mila warf lustlos einen Kieselstein ins Wasser. Sie bemerkte in ihrer Versonnenheit nicht, daß sich die ausbreitenden Wellen plötzlich, gegen alle Naturgesetze, wieder zum Zentrum zurückzogen. „Wer braucht uns denn schon?"
„Ich!"
Der wieder spiegelglatten Oberfläche des Sees entstieg eine mächtige Gestalt. Majestätisch und kraftvoll glitt sie scheinbar leicht wie eine Feder über das Wasser. Der kantige, behelmte Schädel wurde von Zöpfen im Takt der schwungvollen Bewegungen ihrer muskulösen Arme und Beine umweht. Der enganliegende, mattschwarze Schutzanzug schien alles Licht der morgendlichen Sonne in sich aufzusaugen und seinen Träger mit ihrer Kraft zu stärken.
Mila und Nadja starrten sich im ersten Schreck stumm an. Aber dies nicht aus Angst, sondern vor Überraschung. Dann entspannten sie sich. „Moira!" sagten sie wie aus einem Mund.
Sie erhoben sich und sahen der Söldnerin mit angespannter Erwartung entgegen. Als Moira das Ufer erreichte, kauerte sie sich auf die Fersen, um annähernd auf gleicher Höhe mit den Zwillingen zu sein. Ihre Augen blickten selten freundlich. „Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben", sagte sie so sanft sie konnte. j„Wir haben keine Furcht", versetzte Nadja wahrheitsgetreu. „Wir sind lediglich überrascht."
„Es würde mich erschrecken, würde es sich nicht so verhalten", sagte Moira heiter. „Denn das hieße, daß ihr auch die Fähigkeit der Vorahnung besäßet. Und das mag ich nun gar nicht.
Ich liebe es, unerwartet zu erscheinen."
„Wie kommst du ... Was führt dich hierher?" stotterte Mila. „Ich bin sehr in Eile", tat Moira wie entschuldigend. „Darum kann ich keine langen Erklärungen abgeben. Ich werde euch jetzt mit mir nehmen."
Moira erhob sich zu ihrer vollen Größe. Mitten in der Luft entstand ein flimmerndes Oval, durch das der Hintergrund wie durch das Licht vielfach brechende Prismen zersplittert zu sehen war. Das ovale Flimmerfeld war groß genug, um auch Moira aufzunehmen.
Ehe sich's die Zwillingsschwestern versahen, wurden sie von unsichtbaren Kräften hochgehoben und glitten auf das Oval zu. Mila ergriff unwillkürlich Nadjas Hand, obwohl sie noch immer keine Angst verspürte.
Irgendwie war das, was jetzt mit ihnen geschah, schließlich auch eine Art von Ausstieg aus dem Trott der vergangenen Monate und Jahre.
Sie glitten durch das Flimmern und fanden sich in vertrauter Umgebung wieder. Beide wußten sofort, daß sie durch das transmitterähnliche Feld an Bord der STYX gebracht
Weitere Kostenlose Bücher