1699 - Wolfshatz
anrichten.«
»Du sagst es.«
Ich verließ den Wagen. Boyle stand auf der richtigen Seite und sah mir entgegen.
»Pech gehabt?«
»Das konnten Sie ja hören.«
Er hob die Schultern. »Manchmal sitzt der Wurm drin. Da klappt einfach gar nichts. Ich kenne solche Tage. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich Ihren Wagen wieder zum Laufen bringen kann, dann muss ich passen. Da ist nichts zu machen. Wenn Sie mich vor einen Traktor stellen, sieht das anders aus. Aber mit diesem hoch technisierten Kram komme ich nicht zurecht.« Er kratzte an seinem Kinn und hob dabei die kantigen Schultern.
Ich wollte nicht aufgeben und fragte: »Wie sieht es denn mit Ihren Helfern aus? Können sie das reparieren?«
»Glaube ich nicht. Von denen hat keiner etwas richtig gelernt. Sie sind ja hier, um sich mal körperlich zu betätigen. Dafür brauchen sie keine Lehre, nur das Gefühl, etwas getan zu haben.«
Ich wusste nicht, ob er log. Es war mir auch bei ihm egal, für mich zählte die Tatsache, dass Maxine und ich von hier weg mussten. Ich schaute zum Himmel. Die Sonne war bereits verschwunden und mit ihr auch die Helligkeit des Tages, sodass die Dämmerung ihre ersten Vorboten schicken konnte.
»Da müssen Sie sich etwas überlegen, Mr Sinclair.«
»Das werde ich auch.« Mit einem schnellen Griff holte ich das Handy aus der Tasche. Ich wollte Carlotta anrufen, damit sie jemanden organisierte, der uns mit einem Wagen abholte.
Dem Bauern hatte ich zwar nicht meinen Rücken zugedreht, dafür aber den Jugendlichen.
Aus dem linken Augenwinkel bekam ich noch die schnelle Bewegung mit, die so gar nicht in den allgemeinen Ablauf passte.
Ich wollte mich ducken und umdrehen.
Es war zu spät.
Lange hatte ich keinen Niederschlag mehr erlebt. Dieser aber erwischte mich voll. Womit der Mann zugeschlagen hatte, sah ich nicht. Es spielte auch keine Rolle.
Etwas explodierte in meinem Nacken, und einen Moment später war es aus mit meiner Herrlichkeit …
***
Die Tierärztin Maxine Wells stand an der anderen Seite des Wagens und ärgerte sich schwarz. Sie glaubte einfach nicht daran, dass das Nichtanspringen des Autos eine normale Ursache hatte. Der Range Rover hatte sie bisher noch nie im Stich gelassen. Ausgerechnet jetzt, wo er mehr als wichtig für sie war, tat er es nicht.
Warum? Was steckte dahinter?
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als sie hörte, wie John und dieser Nathan Boyle miteinander sprachen. Auch ihr Freund aus London wunderte sich darüber, dass ihr Fahrzeug nicht ansprang. Wenn an dem Rover heimlich manipuliert worden war, dann nur deshalb, weil man sie nicht vom Hof lassen wollte.
Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick nach oben, und sie sah schon, dass sich die Helligkeit des Tages zurückzog und der Himmel leicht eintrübte.
Noch sprach John Sinclair mit Nathan Boyle. Wenig später hörte sie ein komisches Geräusch und dann nichts mehr. Maxine drehte sich um.
Boyle war noch da, John nicht mehr.
Sie überlegte nicht lange, sondern lief auf die andere Seite des Rovers. Auf halbem Weg kam ihr der Bauer entgegen. Ausweichen konnte sie nicht mehr, und so prallten beide zusammen.
Maxine hatte nicht damit gerechnet, Boyle aber schon. Aus der Bewegung hervor drückte er seine Hände nach vorn und brachte die Frau aus dem Gleichgewicht.
Maxine taumelte zurück und schrammte an der Seite ihres Wagens entlang. Dabei folgte ihr der Bauer, und sie bekam einen zweiten Stoß. Der trieb sie zu Boden. Sie schlug hart mit dem Hinterteil auf, kippte zurück und wollte wieder aufstehen, als sie das Lachen hörte und auch Nathan Boyle sah.
Der stand vor ihr. Er hielt eine Eisenstange in der rechten Hand. Sie war nicht mal lang, reichte aber aus, um einen Menschen zu Boden zu strecken.
Das hatte der Mann bei John Sinclair getan, wie sie mit Schrecken feststellte. Ihr Freund lag auf dem Rücken und bewegte sich nicht mehr. Jetzt wusste sie, welches Schicksal Boyle ihnen zugedacht hatte.
»Das war es wohl für euch!«, stellte Boyle fest.
Maxine schwieg. Sie ärgerte sich wahnsinnig darüber, so reingefallen zu sein. Sie hätten vorsichtiger sein müssen, doch es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Ändern konnte sie nichts mehr.
Aber sie war nicht sprachlos gemacht worden. Mit einer nicht eben leisen Stimme fuhr sie Boyle an: »Was soll das? Sind Sie irre geworden? Sie können nicht einfach zwei Menschen niederschlagen, die …«
Er ließ sie nicht ausreden. »Die sich mit einer verdammten Lüge hier angeschlichen
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