17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
du von einem Entschluß nie zurücktrittst. Aber ihr braucht gute Pferde. Ich werde dir meinen Goldfuchs geben; Ersatz für ihn ist ja vorhanden. Also das ist abgemacht, und ich werde aufbrechen. Aber was wirst du mit dem Schut machen, wenn du ihn ergreifst?“ fragte er mich.
„Das kann ich jetzt unmöglich sagen. Es kommt auf die Verhältnisse an, unter denen ich mit ihm zusammentreffe. Gelingt es mir, seiner ohne Blutvergießen habhaft zu werden, so werde ich ihn Ranko übergeben, welcher ihn hierher schaffen mag. Was dann mit ihm geschieht, das ist eure Sache.“
Es handelte sich nun noch um die Pferde. Ich hatte meinen unvergleichlichen Rih. Osco und Omar ritten die Schecken der Aladschy; Ranko bekam den Goldfuchs; für Halef, den Engländer und Galingré wurden die drei besten vom Kara-Nirwan-Khan mitgebrachten Pferde ausgesucht. Die anderen Tiere, auch dasjenige, welches Halef bisher geritten hatte, erhielten die Skipetaren mit Ausnahme eines einzigen, welches mit einem Packsattel uns begleiten sollte, um die Speise- und Futtervorräte zu tragen, welche wir mitnehmen mußten, da wir wohl keine Zeit fanden, die Tiere weiden zu lassen. Diese Vorräte kauften wir von dem Wirt, welchem es sehr leid tat, daß wir sein Haus so bald wieder verließen. Er zeigte sich höchst dankbar gesinnt dafür, daß wir ihn von einem so übermächtigen Konkurrenten befreit hatten.
Der Abschied von Stojko und den Seinen war ein äußerst herzlicher. Er rief uns noch seine Segenswünsche zu, als er über die Brücke hinüber war und dann links nach der Richtung einlenkte, aus welcher wir gekommen waren.
Jedenfalls ist er mit seinen Skipetaren glücklich in das Tal des Köhlers gekommen. Wie es dann demselben und seiner Rotte ergangen ist, das weiß ich nicht und – mag es auch nicht wissen. Blut um Blut, Leben um Leben! –
Kurze Zeit später brachen wir auf. Die Sonne hatte den größten Teil ihres Nachmittagsbogens zurückgelegt, als wir Rugova verließen. Seine Bewohner blickten uns nach; wir aber sahen nicht nach ihnen zurück, denn wir hatten durchaus nicht unsere Herzen zurückgelassen. Aber als wir im sausenden Galopp über die ebene Brache dahinflogen, schaute ich noch einmal nach der Felsenhöhle zurück, auf welcher der Karaul gestanden hatte. Er war nicht mehr da. Vielleicht erzählt man noch in später Zeit von ihm, von dem Schacht und von den fremden Männern, wegen deren der ehrwürdige Turm verschwinden mußte.
Wir waren sieben Reiter und besaßen Pferde, wie sie in der weiten, weiten Umgegend wohl nicht gleich abermals zusammengebracht werden konnten, und darum erschien es mir gar nicht als zweifelhaft, daß wir den Schut einholen würden. Von Rugova bis zum Wald hätte ein Fußgänger sicher drei gute Viertelstunden gebraucht. Wir erreichten ihn bereits nach fünf Minuten.
Das eigentliche Gebirge lag hinter uns. Im Südwesten ragten die Höhen des Fandigebirges empor. Wir hatten nur die nördlichen Ausläufer desselben zu überwinden, und zwar eine Hochebene, welche sich zwischen Rugova und Pacha bis an den Drin und dessen Nebenfluß Joska erstreckte und dort die senkrechten, stellenweise über tausend Fuß hohen Ufer dieser beiden Wasserläufe bildete.
Sobald wir unter den Bäumen angelangt waren, ging es steil an, wohl drei Viertelstunden lang. Als wir uns dann aber oben auf der Ebene befanden, hörte der Wald auf, und es gab eine weite Planfläche, auf welcher duftige Gräser und staudenartige Gewächse wuchsen. Hier in den hohen Pflanzen war die Fährte des Schut so deutlich zu sehen, daß sie wie eine dunkle Linie vor uns hinlief. Wir ließen die Pferde wieder ausgreifen. Es war ihnen eine Lust, über die Fläche dahinzufliegen.
Durch den Wald herauf hatten wir einzeln reiten müssen. Jetzt erlaubte es das Terrain, daß sich einer zum andern gesellte. Neben mir ritt Halef. Sein Brauner war ein prächtiges Tier und hielt ohne Anstrengung Schritt mit meinem Rih. Ich blickte zurück und gab Galingré einen Wink, herbeizukommen. Wir nahmen ihn in die Mitte.
„Hast du mir etwas zu sagen, Effendi?“ fragte er mich französisch, weil Halef dabei war, welcher nicht Französisch verstand.
„Ja, ich möchte gern wissen, wie es diesem sogenannten Hamd en Nassr gelungen ist, sich in dein Geschäft einzuschleichen.“
„Er wurde mir von Stambul aus dringend empfohlen und hat sich auch stets sehr brauchbar und treu erwiesen.“
„Aus Berechnung natürlich. Ist dein Geschäft wirklich
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