17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
daß er nach Glogovik gegangen sei, darf er doch nicht so dumm sein, mit seinen nackten Füßen diesen Sand zu berühren. Er weiß ja, daß ich heute nacht die fehlende Zehe vermißt habe, und hier siehst du ganz den nämlichen vierzehigen Fußtapfen wie vorhin da unten am Ufer des Baches. Er ist da hinauf. Was will er oben?“
„Effendi, er ist es nicht!“ versicherte der Führer in ängstlichem Ton. „Reiten wir weiter!“
„Erst muß ich mich überzeugen, wer recht hat, du oder ich. Ich werde da hinaufsteigen, um mir den Mann einmal zu betrachten.“
„Herr, du kannst stürzen und dabei Hals und Beine brechen.“
„Ich klettere sehr gut, und der Hadschi wird mich begleiten. Ich hoffe es glücklich zu überstehen. Viel gefährlicher erscheint es mir, weiterzureiten.“
„Warum?“
„Nun, ich vermute, daß da oben sich Leute befinden, Leute mit Czakans und Schleudern. Das ist gefährlich.“
„Allah!“ rief er erschrocken.
„Und da vor uns krümmt sich der Weg und –“
„Wie kannst du das wissen? Man sieht es doch noch gar nicht!“
„Ich vermute es. Eine solche Stelle ist für jeden gefährlich, welcher unten daherreitet, während man oben auf ihn lauert. Daher werde ich jetzt hinaufsteigen, um Umschau zu halten.“
Er war aschfahl geworden und sprach beinahe stammelnd:
„Ich kann deine Gedanken wirklich nicht begreifen!“
„Sie sind sehr leicht zu erklären. Und damit du mir keinen Strich durch meine Rechnung machst, ersuche ich dich, von diesem Augenblick an nur ganz leise zu sprechen.“
„Herr!“ fuhr er auf, seiner Angst den Ausdruck des Zornes gebend.
„Bemühe dich nicht! Wir haben vor dir keine Angst, denn du hast keine Waffen mehr.“
Mit einem raschen Griff hatte ich ihm Pistole und Messer aus dem Gürtel gezogen. Sein Gewehr hing am Sattel. Und zugleich packten Osco und Omar ihn so fest von hinten, daß er sich nicht rühren konnte. Er wollte schreien, unterließ es aber, denn ich setzte ihm sein eigenes Messer auf die Brust und drohte:
„Sage ein einziges lautes Wort, so ersteche ich dich! Dir soll nicht das mindeste geschehen, wenn du dich still verhältst. Du weißt, daß ich dir nicht traue. Fügst du dich jetzt in unseren Willen, so wird vieleicht unser Mißtrauen schwinden. Wir werden dich binden, und Osco und Omar halten Wache bei dir, bis ich mit Halef zurückkehre. Dann wird sich finden, was mit dir geschieht. Wirst du laut, so erstechen sie dich; gehorchst du aber, so erhältst du deine Waffen zurück und wirst unser Begleiter sein wie vorher.“
Er wollte Einspruch erheben, aber sogleich saß ihm Oscos Messerspitze wieder auf der Brust. Das brachte ihn zum Schweigen. Er wurde gebunden und mußte sich niedersetzen.
„Ihr wißt, was ihr zu tun habt“, sagte ich zu den beiden Zurückbleibenden. „Achtet darauf, daß die Pferde sich ruhig verhalten. Der Weg ist so eng, daß ihr ihn gut verteidigen könnt. Kein Mensch darf ohne euern Willen vorüber. Und sollte ja etwas Unvorhergesehenes geschehen, so werden wir beim ersten eurer Schüsse herbeieilen. Wenn aber ihr uns schießen hört, so bleibt ihr ruhig unten, denn ihr habt für uns nichts zu befürchten.“
Es war ein unendlich grimmiger Blick, den der Konakdschy mir zuwarf, als ich jetzt mich anschickte, emporzusteigen. Halef folgte.
Etwas anstrengend war der Weg, aber gar nicht gefährlich. Das Wässerchen war ganz seicht, und die ausgewaschenen Stufen hatten eine so geringe Höhe und folgten einander so schnell, daß man wie auf einer nur ein wenig schlüpfrigen Treppe emporstieg.
Junak hatte recht: fünfzig bis sechzig Schritte hatten wir getan, als wir oben anlangten. Die Felsenstufe, auf welcher wir uns jetzt befanden, hatte hier eine Breite von wenig über hundert Schritte. Die Fläche war verwittert und trug einen nach und nach angesammelten Humusboden von beträchtlicher Tiefe. Da standen Laub- und Nadelbäume und dazwischen allerlei Buschwerk so dicht, wie wir es uns nur wünschen konnten. Es wurde dadurch möglich, anzuschleichen, ohne daß wir bemerkt werden konnten.
„Was nun?“ flüsterte Halef.
„Wir schleichen vorwärts. Junak sagte, daß man auf dieser Felsenstufe ungefähr hundertfünfzig Schritte zu gehen habe, um an die Krümmung zu gelangen. Dort befinden sie sich ganz sicher. Dennoch wollen wir schon hier jede mögliche Vorsicht anwenden. Halte du dich stets hinter mir.“
„Es ist möglich, daß einer hier vorn postiert ist, um unser Nahen zu beobachten.“
„In
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