17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
muß diese kleine, giftige Kröte, der Hadschi, in die Hände laufen. Er ist so flink mit der Peitsche, und er soll erfahren, was Schläge bedeuten. Kein Messer und keine Kugel darf ihn berühren; er wird an der Peitsche sterben. Darum soll keiner von ihnen sogleich getötet werden. Die Aladschy zielen nicht nach dem Kopf, und auch ich werde den Hadschi nur betäuben. Ich will mich nicht selbst um die Seligkeit bringen, ihn totschlagen zu können. Warum sie nur so lange bleiben! Ich kann es kaum erwarten.“
Ich hätte gar zu gern noch mehr gehört; ich hoffte, sie sollten von Karanirwan-Khan sprechen. Aber Halef konnte es nicht länger aushalten. Daß Manach el Barscha so große Sehnsucht hatte, ihn totzupeitschen, das erregte seinen Zorn in ungewöhnlicher Weise. Er trat plötzlich vor, hart an sie heran und rief:
„Nun, hier hast du mich, wenn du es denn gar nicht erwarten kannst!“
Der Schreck, welchen sein Erscheinen erregte, war ungeheuer. Junak schrie auf und streckte die Hände abwehrend vor, als hätte er ein Gespenst erblickt. Barud el Amasat sprang vom Boden auf und starrte den Hadschi wie geistesabwesend an. Auch Manach el Barscha war emporgeschnellt, gleichsam von einer Spannfeder getrieben; aber er faßte sich schneller als die andern. Seine Züge verzerrten sich vor Wut.
„Hund!“ brüllte er. „Hier bist du! Aber diesesmal soll es euch nicht gelingen! Du gehörst mir, und jetzt habe ich dich!“
Er wollte die Pistole aus dem Gürtel reißen, aber eine hervorstehende Schraube oder der Drücker mochte sich festgehakt haben. Er brachte die Waffe nicht so schnell heraus, wie er wünschte. Und da legte Halef auch schon auf ihn an und gebot:
„Weg mit der Hand vom Gürtel, sonst schieße ich dich nieder!“
„Schieße einen von uns!“ antwortete jetzt Barud el Amasat. „Aber auch nur einen! Der zweite trifft dann dich!“
Er zog sein Messer. Da trat auch ich hervor, langsam und ohne ein Wort zu sprechen; aber ich hielt den angelegten Stutzen auf Barud gerichtet.
„Der Effendi! Auch er ist da!“ rief dieser.
Er ließ die Hand, welche das Messer hielt, sinken und tat vor Schreck einen Sprung rückwärts. Er traf an Manach el Barscha, und zwar so kräftig, daß dieser einen Stoß bekam, der ihn an den Rand des Felsens brachte. Er schlug mit den Armen in die Luft, hob den einen Fuß empor, um festen Halt zu suchen, und verlor dadurch nun vollends das Gleichgewicht.
„Allah, Allah, All –“ brüllte er, dann war er von der Kante der Bastei verschwunden. Man hörte seinen Körper unten aufschlagen.
Keiner brachte zunächst ein Wort hervor, auch ich nicht. Es war ein Augenblick des Entsetzens. Über fünfzig Fuß hoch hinab – der Körper mußte zerschmettert sein!
„Allah onu kurdi – Allah hat ihn gerichtet!“ rief dann Halef, dessen Gesicht todesbleich geworden war. „Und du, Barud el Amasat, bist der Henker, der ihn zur Tiefe warf. Lege das Messer weg, sonst fliegst du ihm nach!“
„Nein, ich lege es nicht weg. Schieß, aber kosten sollst du dennoch meine Klinge!“ antwortete Barud.
Er duckte sich zum Sprung und holte dabei zum Stoß mit dem Messer aus. Das war für Halef Grund genug, zu schießen. Er tat es aber nicht. Er trat schnell zurück, drehte seine Flinte um und empfing den Gegner mit einem Kolbenschlag, welcher diesen zu Boden streckte. Barud wurde entwaffnet und mit seinem eigenen Gürtel gebunden.
Jetzt hatten wir es nur noch mit Junak, dem Kohlenhändler, zu tun. Dieser Tapfere saß noch ganz so da, wie vorher. Hatte ihn schon das Erscheinen Halefs auf das höchste erschreckt, so war durch das, was nun geschah, seine Angst verzehnfacht worden. Er streckte die Hände nach mir aus und flehte:
„Effendi, schone mich! Ich habe euch nichts getan. Du weißt, daß ich euer Freund bin!“
„Du, unser Freund? Wie sollte ich das wissen?“
„Du kennst mich ja!“
„Woher?“
„Nun, ihr seid ja in dieser Nacht bei mir geblieben. Ich bin Junak, der Kohlenhändler.“
„Das glaube ich nicht. Du bist ihm zwar sehr ähnlich, besonders was die Reinlichkeit betrifft; du bist genau so ein Bock tawuki (Schmutzfink), wie er; aber er selbst bist du doch nicht.“
„Ich bin es, Effendi, ich bin es! Du mußt es doch sehen! Und wenn du es nicht glaubst, so frage deinen Hadschi!“
„Ich brauche ihn nicht zu fragen. Er hat keine besseren Augen als ich. Der Kohlenhändler Junak kann nicht hier sein, denn er ist nach Glogovik gegangen, um Salz zu kaufen.“
„Das
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