1706 - Lockvogel der Nacht
mit.
»Ich werde zu Jane Collins fahren.«
Suko nickte, während Glenda fragte: »Was willst du denn bei ihr?«
»Das liegt auf der Hand. Die Cavallo hat bei ihr gewohnt. Janes Haus war so etwas wie ihr Versteck, und jetzt frage ich mich, ob sie das so leicht aufgegeben hat.«
»Du denkst daran, dass sie zurückkehrt?«
»Ja, Glenda, es ist möglich.«
»Was denkst du überhaupt von ihr?«
»Dass die alten Zeiten vorbei sind. Hier kamen zwei Dinge zusammen. Suko und ich haben die Order erhalten, sie zu jagen und zu vernichten. Jetzt stelle ich mir die Frage, ob sie das irgendwie gespürt hat. Kann ich mir zwar kaum vorstellen, aber ich will nichts ausschließen. Ich bin fast davon überzeugt, dass sie weiß, was sich geändert hat.«
»Hast du Angst um Jane?«, fragte Suko.
»Irgendwie schon.«
»Soll ich nicht besser mitfahren?«
Die Idee war nicht so schlecht. Ich lehnte sie allerdings ab und riet ihm, bei Shao zu bleiben. Wir mussten jetzt alle auf der Hut sein, aber ich ging trotzdem davon aus, dass die Cavallo es zuerst bei Jane und vielleicht auch bei mir versuchen würde. Unser letztes Zusammentreffen hatte irgendwie schon darauf hingedeutet.
Suko akzeptierte meinen Vorschlag mit Shao und erhielt von mir das Versprechen, dass wir in Verbindung blieben.
Danach rief ich Jane Collins an und unterbreitete ihr meinen Vorschlag.
Sie überlegte kurz. »Meinst du denn, dass es so ernst werden könnte?«
»Ich bin mir nicht sicher, Jane, aber ich schließe es nicht aus.«
»Okay, dann warte ich auf dich.«
»Gut. Bis gleich.«
Die Stimmung im Büro war gesunken. Wir hingen unseren Gedanken nach, und ich fing einen Blick unserer Assistentin auf, bevor sie eine Frage stellte.
»Muss ich auch davon ausgehen, dass ich in Gefahr schwebe?«
»Was meinst du denn?«
»Mitgefangen – mitgehangen.«
»Ja, Glenda. Nur glaube ich nicht, dass du auf der Liste ganz oben stehst.«
Sie lächelte leicht salzig. »Da kann ich ja beruhigt sein.«
Das war sie bestimmt nicht. Wir versprachen uns noch mal, wachsam und vorsichtig zu sein. Dann schnappte ich mir meine Winterjacke und verließ das Büro.
Hätte man mich nach meinen Gefühlen gefragt, hätte ich geantwortet, dass sie mehr als gespannt waren mit der Tendenz zum Negativen hin …
***
Ich hielt schon die Augen offen, als ich in die nicht sehr lange Straße einbog, in der Jane Collins wohnte. Das Haus hatte sie von Sarah Goldwyn, der Horror-Oma, geerbt und hatte sich dort recht wohl gefühlt – bis zu dem Zeitpunkt, als sich Justine Cavallo bei ihr einquartiert hatte. Die war sie einfach nicht wieder los geworden. Zudem hatte sich die Cavallo damals auf unsere Seite gestellt, weil Dracula II auch ihr Todfeind gewesen war. Das war wohl bald vorbei, vielleicht auch jetzt schon.
Jane war meine Ankunft nicht verborgen geblieben. Bevor ich den Vorgarten durchqueren konnte, stand sie in der offenen Tür und winkte mir zu. Aus dem Himmel sickerten Schneeflocken und sorgten für eine weiße Kruste auf dem grauen Restschnee, der an den Straßenrändern lag.
Jane lächelte mir entgegen. Wir umarmten uns zur Begrüßung und ich hörte, dass nichts passiert war.
»Das freut mich.«
»Trotzdem bin ich nicht zufrieden, John. Hast du nicht mal gesagt, dass eine Gefahr auch sehr groß sein kann, wenn man sie nicht sieht?«
»Das ist möglich.«
»So ähnlich fühle ich mich.«
»Denkst du dabei an die Cavallo?«
»An wen sonst?«
Ich sagte nichts. Wir gingen hoch in die erste Etage. Dort lagen Janes Zimmer. Es gab auch den Raum, in dem sich die Cavallo über die lange Zeit hinweg aufgehalten hatte, wenn sie im Haus war. Er war jetzt leer. Jane hatte die Tür geöffnet und ich schaute in ein Zimmer, das wegen seiner schwarz angestrichenen Wände mehr einer Höhle glich.
»Am liebsten würde ich den Raum desinfizieren lassen und dann die Wände hell streichen.«
»Das wirst du vielleicht bald können.«
»Du glaubst, dass sie nicht mehr zurückkehrt?«
»Ich schließe es nicht aus.«
»Wir werden sehen.« Jane zupfte an meinem Hemd. »Komm in mein Zimmer, ich habe etwas vorbereitet.«
Es waren kleine Häppchen. Mini-Sandwichs. Belegt mit Forelle, Lachs oder Putenfleisch. Als ich den Teller sah, lief mir das Wasser im Mund zusammen, denn ich hatte den Tag über noch nichts gegessen. Auch wenn man die Mächte der Finsternis jagte, blieb das Menschliche weiterhin vorhanden.
»Was möchtest du trinken?«
»Kaffee und dann Wasser.«
»Geht in
Weitere Kostenlose Bücher