1709 - Die Blutprinzessin
Bewegung. Sie ging zum Heck des Fahrzeugs, weil sie mich dort vermutete. Ihr war die Zeit zu lang geworden.
Ich richtete mich wieder auf und schlich in die entgegengesetzte Richtung. Jetzt hätte sie sich schon umdrehen müssen, um mich zu entdecken. Das tat sie nicht.
Ich umrundete die Kühlerfront und befand mich jetzt an der Seite der Blutsaugerin.
Ich sah ihren Rücken. Sie hatte die Kurve noch nicht genommen. Dabei stand sie geduckt. Die Beretta hielt sie mit beiden Händen fest.
Warnen wollte ich sie nicht. Außerdem wusste ich nicht, ob meine Aktion klappen würde.
Ich holte das Kreuz hervor. Aus dem Handgelenk warf ich es auf die Wiedergängerin zu.
Nichts warnte sie.
Dann traf mein Kreuz ihren Rücken dicht unterhalb des Nackens. Es war ein Treffer, mit dem sie nicht gerechnet hatte, der sie auch durcheinanderbrachte.
Ich hörte ihren leisen Schrei und sah, wie sie zusammenzuckte. Da wollte sie sich umdrehen und einen Schritt zurückweichen – und musste meinen Tritt, der ihren Rücken traf, voll hinnehmen.
Sina Wang taumelte weg vom Wagen und auf die Straße. Ich war sofort bei ihr und trat ihr die Beine weg. Sie wäre hart zu Boden gekracht, hätte ich sie nicht abgefangen.
Ich hatte ihren rechten Arm erwischt. Dass sie keine Schmerzen spürte, wusste ich. Es hätte mir auch nichts gebracht, wenn ich ihr den Arm gebrochen hätte.
Ich wollte nur meine Beretta zurück, und die drehte ich ihr aus den Fingern. Alles lief blitzschnell ab. Ich erlebte auch keine Gegenwehr. Als ich die Waffe festhielt, taumelte sie einige Schritte von mir weg.
Hier gab es kein Licht. Sie stand im Dunkeln auf der Straße und hatte Mühe, sich zu halten. Sie schwankte leicht hin und her, bewegte ihren Kopf und schien etwas zu suchen, da sie auf ihre Hände schaute, die leer waren.
Ich zielte auf sie. »Meine Beretta habe ich zurück. Du brauchst dir keine Mühe zu geben.«
Eine Antwort gab sie mir nicht. Überhaupt kümmerte sie sich nicht mehr um mich. Ihre Aggressivität war verschwunden.
Ich wollte sehen, warum sie so reagierte. Deshalb holte ich mit der freien Hand meine Leuchte hervor und schaltete sie ein.
Der Strahl erwischte ihr Gesicht. Und das war dabei, sich zu verändern. Man hatte bei ihr von einem schönen und auch interessanten Gesicht sprechen können. Frauen wie sie gab es nicht viele. Das war jetzt vorbei oder im Begriff, vorbeizugehen, denn es kam zu einer Veränderung, ohne dass ich etwas dazu tun musste.
Die Haut wurde grau, als hätte sich ein Schleier darüber gelegt. Die Augen nahmen einen stumpfen Glanz an, ebenso die Lippen, die plötzlich Risse zeigten.
Sina Wang blickte auf ihre Hände, auch sie veränderten sich, da auch ihre Haut Risse bekam, ebenso wie im Gesicht.
Sie war eine Vampirin. Sie hatte sich auf ein anderes Dasein vorbereitet, aber nicht damit gerechnet, dass es so schnell vorbei sein konnte.
Sina Wang verging und beendete somit ihr Vampirdasein. Ich musste nicht eingreifen, denn ich hatte schon eingegriffen und dachte daran, dass mein Kreuz sie im Rücken getroffen hatte. Dieser Kontakt hatte nur für eine winzige Zeitspanne bestanden, die aber hatte ausgereicht, um den Keim des Bösen in ihr zu vernichten.
Als ich an mein Kreuz dachte, drehte ich mich um und hob es auf. Dann erst leuchtete ich die Gestalt an, die noch auf den Beinen stand. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sie fallen würde.
Sekunden später war es so weit. Da brach sie in die Knie und landete auf dem Boden. In Seitenlage blieb sie liegen und bewegte sich nicht mehr.
Sie verging.
Das Gesicht war zu einer grauen, pulvrigen Masse geworden, die jetzt auseinanderfiel. Sie rieselte nach allen Seiten weg und legte bleiche Knochen frei.
Aus der schönen Sina Wang war innerhalb kurzer Zeit ein Skelett geworden. Es gab sie nicht mehr als Blutprinzessin, mein Kreuz hatte für ihre Vernichtung gesorgt.
Einen großen Triumph verspürte ich nicht, aber ich lächelte trotzdem, als ich an Justine Cavallo dachte. Sie hatte darauf gesetzt, dass ihre Helferin mich vernichtete.
Aber hatte sie das wirklich?
So recht konnte ich daran nicht glauben, denn sie kannte mich. Wir wussten beide, was wir uns gegenseitig zutrauen konnten, und sie hatte damit rechnen müssen, dass ich den Kampf gewann. Und warum hatte sie nicht Sinas Part übernommen?
Hatte sie Sina Wang geopfert, um selbst freie Bahn zu haben? Ich war beschäftigt, sie konnte Zeit gewinnen und für sich nutzen. Auch wenn sie kein Fahrzeug besaß,
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