1717 - Die Fratze der Angst
vorstellen, dass sie daran keine besondere Freude haben werden.«
»Meinst du denn, dass wir es nur mit Ghouls zu tun haben?«
»Ich glaube schon. Hier in dieser Gegend hat sich eine kleine Gruppe abgesetzt. Um das Haus hier hat sich niemand gekümmert. Es ist sogar möglich, dass sie sich selbst den Weg geschaffen haben, den wir gekommen sind. Ghouls sind gute Tunnelbauer, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und sie haben das Glück gehabt, nicht gesehen zu werden, bis eben vor Kurzem.«
»Es ist nur gut, dass der Pfarrer überlebt hat. Oder kann der Biss eines Ghouls noch im Nachhinein tödlich sein?«
»Nein, eigentlich nicht. Er ist kein Vampir. Er will nur satt werden, und das durch totes Fleisch.«
Harry lächelte und klopfte mir auf die Schulter. »Mehr wollte ich nicht wissen, dann sollten wir uns mal oben umschauen.«
Dagegen hatte ich nichts. Bevor wir unseren Plan in die Tat umsetzten, fiel mir noch etwas ein.
»Wir haben lange nichts mehr von deinem Kollegen gehört, Harry.«
Stahl erstarrte für einen Moment. »Ja, du hast recht. Das ist schon komisch. Er wollte sich doch oben auf dem Gelände umschauen.«
»Das habe ich auch in Erinnerung.«
»Hm.« Harry überlegte und sagte dann: »Eigentlich hätte er anrufen können, meine Nummer hat er. Er hätte zumindest erklären können, wo er sich aufhält.«
»Hast du seine Handynummer?«
»Sicher.«
»Das wäre einen Anruf wert.«
Harry dachte kurz nach, bevor er etwas blasser wurde. »Meinst du denn, dass er ebenfalls auf einen Ghoul gestoßen ist?«
»Ich will es nicht hoffen, Harry, aber ausschließen können wir gar nichts.«
»Verdammt«, flüsterte er, »so sollte man das wirklich sehen.« Dann griff er in die Tasche und holte sein Handy hervor, in das er die Nummer des Kollegen einprogrammiert hatte.
***
Nein, nein, dieses Bild gehörte nicht in die Wirklichkeit. Es war einfach zu schrecklich. Da hockte tatsächlich eine Gestalt, die etwas zwischen ihren Zähnen hielt. Es war ein Klumpen, aus dem noch Blut tropfte.
Fleisch und Haut?
Georg Prantl glaubte allmählich, dem Wahnsinn zu verfallen. Er hatte erkannt, dass sich sein Vater nicht mehr bewegte. Ihm war sogar ein Blick in sein Gesicht gelungen, in dem kein Ausdruck mehr zu sehen war. Oder kein lebender. Denn das Gesicht des Vaters war eine Fratze der Angst.
Georg Prantl wusste nicht, was er unternehmen sollte. Er riss sich wahnsinnig zusammen, um nicht zu schreien. Das wäre möglicherweise für ihn eine Erlösung gewesen, aber es war ihm nicht möglich, so etwas zu tun.
Er wusste auch nicht, wie lange er auf dem Fleck gestanden und zugeschaut hatte.
Der Ghoul, das Schleimwesen, der Mörder, der Unhold – wie immer man diese Kreatur auch bezeichnete, fühlte sich gestört. Sie wischte sich über die Lippen, dann war das Stück verschwunden, was blutig zwischen ihnen gesteckt hatte. Der Ghoul hockte auf dem Boden. Vor ihm lag Xaver Prantl und bewegte sich nicht mehr. Er war zur Beute geworden, und jetzt fühlte sich das Raubtier gestört, denn es musste sich um eine zweite Person kümmern.
Das wollte Prantl auch. In ihm war etwas hochgestiegen, das er bisher in seinem Leben noch nie so erlebt hatte. Es war Hass, der Hass auf die Kreatur, die er vor sich sah. Er war schon oft wütend gewesen und auch ärgerlich, aber einen so wilden Hass wie jetzt hatte er nie zuvor erlebt. Das Blut rauschte durch seine Adern, es stieg ihm in den Kopf, sodass er den Eindruck hatte, die normale Welt würde vor ihm verschwimmen.
Er wusste selbst nicht, ob er noch mit beiden Füßen fest auf dem Boden stand. Er hielt jetzt seine Dienstpistole in der Hand, aber er wusste nicht, ob er sie erst gezogen hatte, nachdem er mit dem schrecklichen Bild konfrontiert worden war. Seine Hand umklammerte die Pistole, und in seinem Kopf breitete sich ein bestimmter Gedanke aus. Er wusste, was er mit der Waffe anstellen sollte.
Zielen, abdrücken und schießen. Und das auf ein Ziel, das gar nicht zu verfehlen war.
Die schleimige Masse schüttelte sich, einige Tropfen fielen ab. Der bräunliche Körper unter dem Schleim schien sich zu dehnen, und zum ersten Mal interessierte sich die Kreatur nicht mehr für den Toten, denn jetzt war der Lebende wichtiger.
Georg Prantl lauerte. Er bewegte seine Lippen, ohne zu sprechen. Er glotzte das Untier starr an und konzentrierte sich dabei auf die zuckenden Massen.
Der Ghoul glitt über den toten Xaver Prantl hinweg. Es war so gut wie kein Geräusch zu hören,
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