1717 - Die Fratze der Angst
behaupten, da bin ich ehrlich. Wir können nur hoffen, dass er keine weiteren Opfer findet.«
Da hatte der gute Prantl ein wahres Wort gesprochen …
***
Der Ghoul hatte es nicht geschafft, sich auch noch den Sohn zu holen. Darüber war er schon irritiert, aber es war noch lange kein Grund für ihn, aufzugeben.
Er wollte hier in der Umgebung seine Zeichen setzen, und die bestanden nun mal aus Toten.
Der Leichenfresser wollte unter Menschen. Oder zumindest in der Nähe von Menschen sein. Da hatte er es später einfacher, sie zu schnappen.
Ihm würden bald die Verfolger auf der Spur sein. So schätzte er sie ein, und deshalb musste er etwas unternehmen. Wichtig war die Nähe zu den Menschen, und die war nur im Ort gegeben.
Zudem stand er jetzt allein. Er war zwar nicht bei der Vernichtung seines Artgenossen dabei gewesen, aber er hatte es gefühlt. Auf diese inneren Ströme konnte er sich voll und ganz verlassen.
Zudem wollte er nicht unbedingt gesehen werden. Er achtete darauf, dass er in Deckung blieb.
Ein bestimmtes Geräusch drang an seine Ohren. Ein gleichmäßiges Brummen. Von der Straße her erreichte es ihn. Um ein Auto handelte es sich nicht, und wenig später schaute er zurück und sah auf der Straße einen Roller, der von einem jungen Mann gelenkt wurde.
Eine bessere Chance hätte ihm das Schicksal nicht bieten können. Der Ghoul überlegte, wie er sich verhalten sollte. Er entschied sich für die Schocktherapie und wartete so lange, bis der Rollerfahrer nahe genug herangekommen war.
Ja, es war tatsächlich ein junger Mann, der auf einem Roller saß und nicht sehr schnell fuhr.
Der Ghoul stand plötzlich auf der Straße. Er sah dem Fahrer entgegen, der sah ihn durch sein Visier, fuhr auf ihn zu und wich im letzten Moment aus, weil der Mann nicht zur Seite ging.
Auf einer breiten Straße hätte der Mann noch eine Chance gehabt. Nicht aber auf diesem schmalen Weg. Es kam zu keiner Kollision, aber der Fahrer rutschte über den Rand des Wegs, geriet in einen tiefen Graben und wurde von der Sitzbank geschleudert.
Er bewegte sich erst, als das Schleimmonster bereits in seiner Nähe war.
Der Ghoul hörte sein Stöhnen, sah, wie sich der Mann aufrichten wollte, und riss ihm den Helm brutal vom Kopf.
Dann schlug er zu.
Die Faust des Leichenfressers war hart wie ein Eisenhammer. Der junge Fahrer hörte, wie etwas in seiner Kinnregion knackte, dann kippte er zurück und blieb auf dem Acker liegen.
Der Ghoul war zufrieden. Hätte er mehr Zeit gehabt, dann hätte er den Mann getötet und sich satt gegessen. Darauf musste er im Moment verzichten. Er drehte sich um, hob den Roller an und schob ihn zurück auf die Straße.
Die schleimige Gestalt mit dem braunen Körper eines Menschen stieg auf den Roller, als wäre dies das Normalste auf der Welt. Er kam mit dem Fahrzeug zurecht und rollte auf den Ort zu. Es war eine andere Lage entstanden, die ihm im Prinzip nicht richtig gefiel, denn der Ghoul war jemand, der sich in der Dunkelheit wohler fühlte. Bis es Nacht wurde, würde noch einiges an Zeit verstreichen. So lange wollte der Ghoul nicht warten. Er konnte auch nicht mehr zurück in das Haus, in dem sein Artgenosse vernichtet worden war.
Er wusste nicht, wer genau sein Gegner war, doch es stand fest, dass er ihm bald gegenüberstehen würde.
In seinem Innern spürte der Ghoul einen mächtigen Hunger …
***
Wir waren trotz allem noch zu dem Haus gefahren, in dem wir den Leichenfresser erledigt hatten. Wir waren auch ausgestiegen und hatten uns kurz umgeschaut, jedoch nichts zu Gesicht bekommen, das auf den zweiten Ghoul hingedeutet hätte.
Deshalb waren wir wieder gefahren. Von Georg Prantl hatten wir erfahren, dass dieses Haus schon seit langer Zeit leer stand. Er kannte es nur unbewohnt. Die Menschen, die es einmal bewohnt hatten, waren allesamt tot. Sie hatten sich selbst umgebracht, um in eine bessere Welt zu gehen.
»Eine Sekte?«, fragte ich.
»Ja, das muss man so sehen«, stimmte Prantl mir vom Rücksitz her zu. »Jetzt will keiner in diesem Haus leben, was ich auch verstehen kann. Für sensible Menschen ist das nichts.«
Ich wollte wissen, ob die Menschen nicht der Leichengeruch im Haus gestört hatte.
»Wohl nicht, denn es hat sich kaum jemand hineingetraut. Und den Leichengeruch haben sie als Fluch des Schicksals hingenommen. Für alle war das Haus tabu. Für mich auch, ich habe mich stets an die Warnungen gehalten.«
»Deshalb ist es für die Ghouls perfekt gewesen. Ein
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