1718 - Die Messerkatze
schlüpfte sie aus ihrer Kleidung, bis sie nackt vor dem Schrank stand. Obwohl in einer Tür ein Spiegel eingebaut war, gönnte sie ihm keinen Blick. Sie suchte nach bestimmten Kleidungsstücken, die sie sich schon zurechtgelegt hatte.
Sie stieg in einen Slip, der den Namen String verdiente, dann griff sie zu einem BH, und ihre Augen rollten, als sie durch das Fell strich. Es hatte mal einer Katze gehört, jetzt schmeichelte es Julies Haut. Zwei Handschuhe holte sie ebenfalls hervor. Nur zusammengedrückt sahen sie so aus wie Handschuhe. Tatsächlich aber waren es Stulpen aus dunklem Katzenfell, die über die Hände gestreift bis zu den Ellbogen hochgezogen werden konnten.
Fehlten nur noch die Schuhe. Auch sie holte Julie aus dem Kleiderschrank. Es waren zwei Stiefeletten, die sich um ihre Füße schmiegten.
Sie schaute sich im Spiegel an und war mit sich zufrieden. Bis auf eine Kleinigkeit. Noch mal griff sie in den Schrank und holte eine schmale Maske hervor, die einen Teil der Stirn und auch die Augenpartie verdeckte – bis auf zwei Löcher, durch die Julie Price schauen konnte.
Es lief alles gut. Es gab keine Probleme. Sie probierte die Maske aus und fand den Sitz passend, nahm sie wieder ab und griff dann zu einem dunklen Mantel, den sie um ihren halb nackten Körper schlang. Das Fächermesser war zusammengeklappt. Es verschwand in der Tasche wie auch die Maske.
Alles lief in ihrem Sinne. In ihrer Wohnung, die für sie so etwas wie eine Höhle war, fühlte sie sich sehr wohl, und als sie das andere Zimmer betrat, da hatte sie das Gefühl, als würde sie von den Blicken der Statue begrüßt.
Neben ihr blieb sie stehen. Sie ließ ihre Hände daran entlang gleiten, in ihren Augen leuchtete es.
»Alles wird so eintreten, wie du es dir wünschst«, flüsterte sie. »Du bist nicht vergessen, mögen auch die großen Zeiten verstrichen sein. Jemand hat mal gesagt, dass die Vergangenheit nie sterben wird. Und ich werde dazu beitragen, dass dies auch so bleibt …«
***
Rick Morelli gehörte zu den Menschen, die im Beruf ihre wahre Erfüllung gefunden hatten. Er arbeitete in einem Tierheim, und er konnte sich nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Er war mit seinem Beruf so sehr verwachsen, dass er sogar auf dem Gelände schlief, denn in einem kleinen Anbau hatte er sich eine Wohnung mit zwei Zimmern einrichten dürfen. Dort lebte er mietfrei und war Tag und Nacht erreichbar, was den Verwalter des Tierheims besonders freute.
Dabei hätte Rick nie gedacht, dass ihm das Schicksal einmal diese Chance geben würde. Er war praktisch von der Straße gekommen. Einer, der keinen Job hatte, der sich fühlte wie ein vierbeiniger Herumtreiber, um den sich niemand kümmerte.
Die Menschen waren ihm auch egal. Nur die Tiere nicht. Zu ihnen hatte er eine große Affinität. Er tat für sie, was er konnte, und wenn er heimatlose Katzen oder Hunde fand, brachte er sie in einem Tierheim unter. Man erkannte schnell seine Fähigkeiten.
Als Rick Morelli ein Job in einem Tierheim angeboten wurde, da war sein Glück vollkommen. Da hatte er auch wieder den Glauben an die Welt zurückgefunden, und von diesem Tag an gab es für ihn nur noch seinen Job im Tierheim. Er war einfach nur glücklich, und er erhielt sogar noch einen kleinen Lohn für sein Hobby. Besser konnte es ihm nicht gehen. Er war der Freund aller Tiere, die hier einsaßen und ihn oft mit traurigen Augen anschauten.
Und dann gab es noch seine Kollegin. Julie Price. Eine Frau, das schon, aber für ihn war sie einfach ein Wunder. Er hatte nie damit gerechnet, einer derartigen Person einmal so nahe sein zu dürfen. Beide verfolgten die gleichen Interessen. Für sie gab es nur die Tiere, wobei Julie sichtlich mehr den Katzen zugetan war. Morelli hatte sogar erlebt, dass sie heimlich in die Käfige ging, um ganz nah bei ihnen zu sein. Sie war eben verrückt in ihrer Tierliebe, die man schon als extrem bezeichnen konnte, und selbst Rick Morelli hatte mit diesem Verhalten seine Probleme.
Im Gegensatz zu ihm wohnte sie woanders. Sie hatte ihn einmal zu sich eingeladen, aber bisher hatte er nicht die Zeit gefunden und auch nicht die Lust verspürt, sie aufzusuchen. Irgendein schwacher Impuls, den er sich selbst nicht erklären konnte, hatte ihn davon abgehalten.
Es gab nur sie als Mitarbeiter, abgesehen vom Chef, der zumeist in seinem Büro hockte und den Job irgendwie als Strafe ansah, denn er war von der Stadt auf diesen Posten verbannt worden, ohne sich dagegen wehren zu
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