1718 - Die Messerkatze
können.
Jedenfalls ließ der Chef ihn in Ruhe. Und sein Praktikant auch, der hin und wieder vorbeischaute, weil er auch in anderen Tierheimen eingesetzt wurde.
Der Tag war bisher ruhig verlaufen, was Rick Morelli sehr recht gewesen war. Er hatte seinem Job störungsfrei nachgehen können, Futter bereitgestellt, Käfige gereinigt und hatte sich am Nachmittag eine kleine Pause gegönnt, die er im Freien auf einer Bank sitzend verbrachte.
Rick Morelli war noch ein junger Mensch. Dreißig Jahre lebte er schon auf dieser Erde. Auf sein Äußeres legte er nicht unbedingt viel Wert. Was die Menschen dachten, interessierte ihn nicht, und den Tieren war das Aussehen eines Menschen egal.
Er hatte sich eine Suppe heiß gemacht, löffelte den Teller leer und wartete darauf, dass er Gesellschaft bekam.
Die Zeit war reif, dass seine Kollegin Julie Price ihren Dienst antrat. Sie hatte sogar darauf bestanden, die Nacht über zu bleiben, und dagegen hatte sich Rick natürlich nicht gestemmt. Auch er war in der Nacht immer hier, und ein wenig Abwechslung konnte nicht schaden. Nach dem Essen zündete er sich eine seiner selbst gedrehten Zigaretten an und schaute dem Rauch nach, als er sich zurücklehnte.
Das Wetter war umgeschlagen. Ein erster Hauch von Frühling lag über der Stadt. Der Himmel war blank, die Sonne schien, aber gegen Morgen hatten die Temperaturen noch leicht um den Gefrierpunkt herum geschwankt, und sehr hoch waren sie nicht gestiegen.
Eine Jacke musste man schon tragen.
Das Heim beherbergte nur Hunde und Katzen. Das Gelände lag in einer Art Park. Um die Gebäude herum wuchsen Bäume, die allerdings noch kahl waren.
Rick Morelli kannte sich aus. Er wusste genau, wie die Tiere drauf waren. Wie sie auf Wetterschwankungen reagierten und manchmal auch aggressiv werden konnten.
An diesem Tag war alles normal. Die Tiere genossen den Schein der Sonne, auch wenn er nicht in alle Käfige drang, aber die Wärme verteilte sich schon.
Morelli schaute auf seine Uhr. Er lächelte. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis seine Kollegin Julie erschien und ihn bei der Arbeit unterstützte.
Er stand auf. Dann piepte sein Handy. Aus der Kitteltasche holte er es hervor.
Es war sein Chef, der ihm erklärte, dass er Feierabend machen wollte.
»Alles klar, Mister Parker. Ich halte hier die Stellung. Außerdem kommt Julie Price gleich.«
»Sehr gut.«
»Dann einen schönen Abend noch, Chef. Ach ja, bevor ich es vergesse, hat sich noch ein Besucher angemeldet, der sich für ein Tier interessiert?«
»Nein, heute nicht mehr. Die nächsten Termine sind erst übermorgen. Gute Nacht schon mal.«
»Ja, bis morgen, Chef.«
Morelli dachte, dass das Gespräch beendet war, aber Parker wollte nach etwas sagen.
»Sie haben vorhin Julie Price erwähnt. Ist Ihnen vielleicht an ihr etwas aufgefallen in der letzten Zeit?«
Die Frage überraschte den Pfleger. Er musste lachen, und es klang alles andere als echt.
»Sorry, ich weiß nicht so recht, was Sie damit meinen.«
»Kann ich Ihnen auch nicht so richtig sagen. Sie hat sich ziemlich komisch verhalten.«
Rick strich durch sein langes Haar. »Wie – ähm – kommen Sie denn darauf?«
»Kann ich Ihnen nicht genau sagen, ich hatte jedenfalls den Eindruck, als wäre ihr Verhalten anders geworden und als hätte sich der Blick ihrer Augen verändert.«
»Und wieso?«
»Katzenhafter …«
»Ha …«
»Ja, Rick, meiner Ansicht nach ist er katzenhafter geworden, und auch ihre Bewegungen haben sich verändert. Aber das kann ich mir auch nur eingebildet haben. Ich wollte es Ihnen nur mitteilen.«
»Gut, Mister Parker. Aber mir ist nichts an Julie Price aufgefallen.«
»Macht nichts. Bis morgen dann.«
»Ja, bis morgen.«
Der Pfleger blieb bewegungslos auf seiner Bank sitzen. Was sein Chef ihm da gesagt hatte, konnte er nicht nachvollziehen. Seine Kollegin war wie immer gewesen, ihm war keine Veränderung aufgefallen.
Okay, sie war schon eine komische Person, was sich auf ihre übertriebene Tierliebe bezog, aber damit konnte er leben, denn auch er fiel aus der Norm.
Sein Chef war verschwunden. Im Moment hatte er das Sagen, und dieses Gefühl war für ihn wunderbar. Er genoss es. Das hätte er sich vor einem Jahr nicht vorstellen können, da war sein Leben alles andere als lebenswert gewesen.
Er wollte seine Runde drehen und ging davon aus, dass er seine Kollegin treffen würde. Die Katzen und Hunde waren in verschiedenen Häusern untergebracht, die sich gegenüberlagen.
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