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172,3 (German Edition)

172,3 (German Edition)

Titel: 172,3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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Toilettendeckel, schloss die Tür, setzte sich und schnitt sich die Fußnägel. Das zweite Mal seit Jahren. Er erinnerte sich, wie er sich bei einer Pediküre vorgestellt hatte. Er sei in einem Alter, in dem er sich solche Annehmlichkeiten leisten konnte. Das Wohl der Füße würde gesellschaftlich unterbewertet werden und so weiter. Frau Jankowski hatte bestimmt etliche fettleibige Kunden, die ihr das Blaue vom Himmel erzählten. Die letzte Stunde hatte er abgesagt, die kommende wollte er trotzdem nehmen. Sich mit geschnittenen Fußnägeln hinsetzen, auf ihre Reaktion warten – und genießen.
Er schwitzte vor Anstrengung. Gerade der kleine Zeh seines linken Fußes machte ihm zu schaffen. Er beugte sich noch ein Stück weiter vor, zog seinen Fuß ein Stück näher heran und gelangte mit der Schere an seinen Zeh. Fertig. Er atmete auf und stellte das Wasser ab. Stolz zog er die Shorts aus, wiegte seinen Bauch in den Händen und wollte ins dampfende Bad steigen, als ihn ein Geräusch aus seinem Vorhaben riss. Es kam von draußen, als ob ein Gartenstuhl umgefallen oder eine Schuppentür zugeschlagen worden war.
Er öffnete das Fenster und lauschte, doch außer dem impulsiven Rauschen vereinzelter Windböen war es still.
Es schneite noch immer. An der Grenze des Nachbarsgrundstücks konnte er bei den beiden Apfelbäumen die ersten Schneeverwehungen sehen. Ein weiteres Poltern. Es kam von der Terrasse der Nachbarn. Viktor ging reflexartig in Deckung. Jemand fluchte dort und schleifte einen großen Gegenstand über den Boden.
»Du kannst auch mal helfen und nicht nur zusehen«, hörte er seinen Nachbarn leise keifen. Dann eine hellere, aber unverständliche Antwort. Schmatzend schloss drüben eine Tür und nur der Wind blieb.
Viktor seufzte erleichtert, schloss das Fenster und stieg ins heiße Badewasser. Was hatte er erwartet? Den Dämon? Dennis und Alexander?
Dennis und Alexander. Von ihnen ging eine viel präsentere Gefahr aus. Dennis hielt er sogar für (größen-)wahnsinnig und zu Kurzschlussreaktionen fähig. Er würde sich überlegen müssen, was er gegen die beiden unternehmen wollte, denn Direktor Kirschstein vertuschte die Verfehlungen seiner Radauschüler. Dennis und Alexander, dachte er und lehnte sich langsam zurück.
*
»Was soll die Scheiße«, flüsterte Alex und begann vor Angst flacher und schneller zu atmen. Dennis hockte sich hin, hielt den Strahl der Taschenlampe nah zu Boden, um den Schein zu verringern und nahm seinen Rucksack ab.
»Mach die Lampe aus! Der Fettsack kann uns sehen.«
»Was?«, antworte Alex hysterisch.
»Lampe aus!«, zischte Dennis, öffnete seinen Rucksack und holte die Frischhaltebox heraus. »Hätte ich nicht von dir gedacht, Fettsack. Respekt!«, murmelte er und suchte nach einem Taschentuch. Alex knipste seine Lampe aus und sah sich hektisch um.
»Hast du ein Taschentuch?«, wisperte Dennis.
Alex suchte, sich weiter umsehend, in seinen Taschen nach. Ein leises Plätschern, als sei ein Zweig hineingefallen oder ein Ruder eingetaucht worden, war von dem dunklen Gewässer zu hören.
»Was war das?«, flüsterte Alex.
Dennis antwortete nicht. Mit einem Taschenmesser versuchte er die Finger in die Box zu schieben, die Taschenlampe hatte er auf seinem Oberschenkel mit seinem linken Unterarm eingeklemmt. Durch den mangelnden Bewegungsradius ließ er einen Finger, vermutlich Saschas Ringfinger, fallen. Zum Glück hielt ihn die dünne Schneedecke auf, sonst wäre er im Geäst der dünnen Halme verloren gegangen.
»Scheiße«, fluchte Dennis und stupste den Finger mit dem Messer zum Rand der Box, von welchem dieser aber immer wieder entwischte.
»Du! Da ist was auf dem Wasser!«, zischte Alex und nur ein Hauch trennte die Angst von der Panik in seiner Stimme. Dennis klappte das Messer zusammen, nahm den letzten Finger mit der Hand auf und legte ihn in die Box, die er sorgfältig verschloss und im Rucksack verstaute.
»Was?«, fragte Dennis genervt – weniger, weil er sich dafür interessierte, sondern eher, weil Alex ihm nicht zusammenklappen sollte.
»Ich … ich weiß nicht. Da schon wieder! So ein Platschen … als wenn da jemand rudert.«
Dennis warf sich den Rucksack über die Schulter, nahm die Lampe auf und erhob sich langsam. Vorsichtig leuchtete er auf die Oberfläche des Gewässers, Schneeflocken tanzten im Schein des Lichtes und erschwerten die Sicht. Nun hörte er es auch.
»Es kommt näher«, stellte er flüsternd fest und bereute seine Aussage sofort, weil Alex in eine

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