1724 - Die Heilige der Hölle
verspürte …
***
Für mich stand damit fest, dass ich hier richtig war. Es hatte sich also gelohnt, nach Deutschland zu fliegen. Auch wenn ich keinen Menschen zu Gesicht bekam, glaubte ich nicht an ein leeres Kloster. Jemand hatte diese Aura hinterlassen, in diesem Fall wohl eine teuflische.
Ich ging einen Schritt weiter und konzentrierte mich auf die Warnung. Der stechende Schmerz war jetzt dabei, langsam zu vergehen. Ich holte mein Kreuz nicht hervor, sondern wartete darauf, dass noch etwas geschah. Dass sich etwas meldete, das sich bisher versteckt gehalten hatte, doch darauf wartete ich vergebens. Es blieb ruhig. Niemand startete einen Angriff.
Natürlich hatten auch meine Begleiter bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Es war Godwin de Salier, der nachfragte.
»Was ist denn los, John?«, hörte ich seine Stimme.
Als Antwort tat ich etwas, was die anderen verwunderte. Ich ging nicht weiter. Dafür drehte ich mich auf der Stelle um und trat einen kleinen Schritt vor. Vier Augenpaare schauten mich gespannt an und warteten auf eine Erklärung.
Die gab ich ihnen mit klarer Stimme und in zwei Sätzen. Godwin und Suko wussten Bescheid, die anderen beiden nicht. Was besonders den Pater verwunderte.
Er stellte seine Frage und hob dabei die Schultern. »Haben Sie jemanden gesehen?«
»Nein, das habe ich nicht.«
Der Pater zog ein Gesicht, als wäre ihm das letzte Essen kurz vor dem Verhungern weggenommen worden. Er fuchtelte mit den Händen und meinte: »Sie müssen doch etwas gesehen haben. Es – es – geht nicht anders. Ich kenne das Kloster.«
»Das glaube ich. Aber es ist niemand da, ich konnte nur das Böse spüren. Die andere Macht oder Kraft, wenn Sie so wollen.«
»Und wie haben Sie das erlebt?«
»Ich habe einen sehr guten Warner bei mir. Jedenfalls sollten wir auf der Hut sein und uns das Kloster mal näher anschauen.«
Ich ging auf keine Einzelheiten ein. Der Pater stand da und schaute ins Leere, während Godwin auf mich zukam. Sein Blick war fragend und besorgt zugleich. »Das hast du dir doch nicht ausgedacht, um uns zu schocken – oder?«
»Wo denkst du hin? Das Kreuz hat mir die Warnung geschickt. Und das geschieht nicht ohne Grund. Es ist etwas hier …«
»Aber keine Mönche.«
»So sieht es aus.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Godwin. »Hast du dir was überlegt?«
»Ja. Ich denke, dass dieses Kloster eine zentrale Rolle spielt oder gespielt hat. Hier ist ein Erbe vorhanden, sonst hätte mich das Kreuz nicht gewarnt.«
»Und was ist mit den Mönchen?«
»Sie sind weg, Godwin. So sieht es zumindest aus. Es ist niemand zur Begrüßung erschienen.«
Ich sah, dass sich auch die anderen uns näherten. Der Pater hatte die Spitze übernommen. Sein Gesicht war kalkweiß. An den Bewegungen an seinem Hals sah ich, dass er immer wieder schluckte.
Sarah Winter hielt sich an Suko fest. Auch sie war durcheinander. Ihre Angst war zu spüren, und Suko sprach beruhigend auf sie ein.
Gerold blieb vor mir stehen. Er musste hoch schauen, um mein Gesicht zu sehen. »Das ist doch nicht erklärbar. Es leben zwar nur noch wenige Mönche hier, aber sie haben nie davon gesprochen, das Haus hier zu verlassen. Und jetzt sind sie weg. Das wundert mich.«
»Haben Sie denn eine Idee, wo sie sein könnten?«
»Nein, Herr Sinclair, die habe ich nicht. Es gibt kein zweites Haus oder Kloster, in dem sie eine neue Heimat hätten finden können.«
Ich drehte mich meinem Freund Godwin zu. »Auf jeden Fall werden wir das Kloster durchsuchen. Ich gehe davon aus, dass es nicht leer ist. Irgendetwas hält sich hier auf, muss sich hier aufhalten.«
»Das denke ich auch.«
Wir schoben uns in das Haus hinein.
Es gab hier kein elektrisches Licht, das hatte ich schon festgestellt. Durch die schmalen Fenster drang nur wenig Helligkeit.
Wir gelangten in einen großen Raum. Man konnte auch von einem kleinen Saal sprechen. Nach irgendwelchen Einrichtungsgegenständen suchten wir vergeblich. Dafür sahen wir eine Treppe und auch einen Fußboden aus Stein, der einen matten Glanz abgab. Das war nur möglich, wenn er hin und wieder gereinigt wurde. Aber wer tat so etwas? Irgendwelche nächtlichen Putzteufel bestimmt nicht. Dafür sorgten die Mönche selbst, und die letzte Reinigung lag bestimmt noch nicht lange zurück.
Sarah Winter hatte sich ein paar Schritte von uns entfernt. Sie stand allein da, hatte den Kopf leicht in den Nacken gelegt, schaute gegen die Decke, dann wieder in die Runde und drehte sich
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