1736 - Die Zombie-Bar
weil wir mehr hören wollten.
Orlanda gab sich verlegen, als sie sagte: »Habe ich da etwas Falsches gesagt?«
»Nein, nein, es war uns nur neu. Kannst du genauer sagen, was du damit meinst?«
Sie sah Suko an. »Nein, das weiß ich nicht. Es ist ihr Geheimnis. Sie wollte mich einweihen, aber das ist dann nicht passiert, weil sich alles geändert hat.«
»Danke für den Rat.«
Wir gingen die letzten Schritte und erreichten den Gehsteig, wo wir uns nach rechts wandten und dort hinschauten, wo das Licht den Gehsteig streifte.
Es war ein blasser Schein. Man konnte ihn auch als totenbleich bezeichnen. Viel hellte er nicht auf, denn seine Quelle war nicht besonders stark. Sie war an der Wand des Hauses angebracht worden, in der sich die Zombie-Bar befand. Was über dem Eingang lag, war dunkel. Wir sahen nicht einmal, ob die Fenster noch Scheiben hatten. Dieser Bau machte auf mich den Eindruck, als sollte er in zwei Tagen abgerissen werden.
Und noch etwas kam hinzu. Das Licht fiel nicht nur auf die Straße, es traf auch die Leute, die sich vor dem Eingang versammelt hatten. Ungefähr ein Dutzend Schwarze. Gothic-People. Junge Männer und auch Frauen, die dunkle Kleidung trugen und sich mit Silber- oder bleichem Knochenschmuck behangen hatten. Ihre Gesichter waren in der Regel stark geschminkt. Immer sehr bleich, aber Lippen und Augenbrauen standen in einem farblichen Kontrast.
Und dann gab es noch die Haare. Die meisten hatten sich für eine Punkfrisur entschieden. Hatten ihre Haare in die Höhe gekämmt und sie rot, gelb oder grün gefärbt.
Wir passten dazu wie die berühmte Faust aufs Auge. Ich kannte die Schwarzen und wusste, dass sie keine Krawallmacher waren. Die meisten von ihnen gingen normalen Berufen nach und erst danach verwandelten sie sich in die Szene-Leute. Es war ein Hobby, ein harmloses, denn sie taten nichts. Es sei denn, die wirklich dunkle Seite kümmerte sich um sie. Da konnte es schon zu Exzessen kommen, das hatten wir auch schon erlebt, denn die Hölle streckte gern ihre Fühler aus, wenn man sie rief.
Wir gingen auf den Eingang zu und gerieten ebenfalls in den bleichen Schein. Die Tür stand weit offen. Dennoch war es innerhalb des Ausschnitts finster. Es musste erst ein Vorhang zur Seite geschoben werden.
Natürlich waren wir nicht unsichtbar. Man schaute uns an, aber man machte uns nicht an. Zwei junge Frauen mit dunkel umrandeten Augen lächelten uns sogar zu.
Ich machte den Anfang. Hinter mir ging Orlanda, und Suko deckte uns den Rücken.
Der Vorhang bestand aus zwei Hälften, die ich zu den Seiten hin wegschieben musste. Dahinter hatten wir dann freie Bahn. Es war gut, dass zwei blasse Scheinwerfer den Bereich beleuchteten, denn wir standen vor einer dreistufigen Treppe, die wir erst hinter uns lassen mussten, um die Bar zu erreichen.
Sie bestand aus einem großen Raum. Eigentlich war sie nur eine große Tanzfläche, denn auf diesem Areal bewegten sich die Gäste nach einer Musik, die schwermütig und auch traurig klang. Die Leute hielten ihre Getränke in den Händen, setzten hin und wieder die Flaschen an ihre Lippen, um einen Schluck zu nehmen. Sie alle wiegten sich zu den Klängen der Melodie und sahen abweisend aus. Hin und wieder wurden ihre Gesichter durch die sich drehenden Lichter unter der Decke erleuchtet. Es sah alles ganz harmlos aus, was es wohl nicht war, denn unser Schützling zitterte weiter.
Es gab aber nicht nur die Tanzfläche, sondern auch eine Bar. Dort konnte sich der Gast mit Getränken eindecken. Wer nicht an der Bar auf schwarzen Fellhockern sitzen wollte, der konnte dies auf den Bänken, die an den drei Wänden standen, tun. Die vierte wurde von der Bar eingenommen. Ebenfalls ein schwarzes Gebilde.
Auch fiel mir der Geruch auf. Ob er von den Kerzen stammte, die in unterschiedlich hohen Positionen aufgestellt worden waren, oder einfach nur durch eine Anlage gepustet wurde, das war mir nicht klar. Jedenfalls empfand ich den Geruch als nicht angenehm. Er passte in einen feuchten Keller oder aber auf den Friedhof und noch besser in eine uralte Leichenhalle.
Wir näherten uns dem Tresen. Dabei fasste Orlanda nach meiner Hand. Sie war eiskalt wie die einer Toten, allerdings von einem dünnen Schweißfilm bedeckt.
»Ich habe Angst«, flüsterte sie mir zu.
»Das kann ich verstehen, aber die brauchst du nicht zu haben.«
»Du kennst Tabea nicht.«
»Das stimmt. Aber ich werde sie bald kennenlernen.«
Wir erreichten die Bar. Ich schob Orlanda bis dicht an
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