1739 - Der Tabubrecher
Darimus hob die vier Arme und drehte die Handflächen nach außen.
„Pi-Poul hat im Rat der Theans sehr lange aufgrund seiner Persönlichkeit und Weisheit hohes Ansehen genossen. Er wird nicht nur von den Völkern, sondern auch von den meisten Theans sehr verehrt. Er war der Berater hochgestellter Persönlichkeiten und immer ein Friedensmittler.
Wenn er nun tot ist, wird es schlagartig einen Haufen Probleme geben.
Streitigkeiten, Intrigen, Kampf um die Macht oder Besitzungen verschiedener Völker. Und das können wir uns in der gegenwärtigen Lage nicht leisten, es würde die Verteidigungskraft der Damurial schwächen.
Außerdem kann und will ich persönlich es nicht zulassen, daß dieses großartige Gebilde, dem ich auch schon sehr lange diene, in Gefahr gerät.
Ich muß die Theans geschickt darauf vorbereiten; dazu brauche ich jemanden, der für mich sozusagen Auge und Ohr spielt und überdies verschwiegen ist."
„Klingt einleuchtend", nickte Vor-Toran. „Aber hoffentlich verlangst du nicht irgendeine Freundschaftsbezeigung von mir."
„Keineswegs. Meine Abneigung zu dir könnte kaum größer sein. Aber gerade das sollte eine gute Voraussetzung für einen solchen Handel sein.
Ich weiß, daß du ein Ehrenmann bist und daß du das Vertrauen verdienst, das Pi-Poul dir schenkt." Darimus erhob sich. „Du kannst jetzt auf die KALADA zurückkehren und dich vorbereiten. Du wirst das Zeichen rechtzeitig von mir erhalten. Ich erwarte, daß du dann rasch handelst."
*
Vor-Toran kehrte mit gemischten Gefühlen auf die KALADA zurück.
Er hatte bisher nur sehr wenig mit Darimus Thean zu tun gehabt, und er mußte einräumen, daß dieser Mann sehr klug war - ein geschickter Stratege. Er verstand es wie Pi-Poul, die Leute nach seinem Willen zu lenken.
Der Kommandant glaubte ihm zudem, daß er die Damurial über alles stellte und mit allen Mitteln erhalten wollte.
Aber dies machte ihn zugleich gefährlich. Vor-Toran war sich nicht sicher, ob Darimus nicht fanatisch an einer Idee hing, die eines Tages zur großen Gefahr der Damurial werden konnte.
Andererseits hatte er keine Wahl: Er mußte dem Befehl des Großen Sprechers Folge leisten. Zudem entsprach dies doch genau seinem brennenden Wunsch, seinen alten Freund zu suchen.
Darimus war aus logischen Gründen davon überzeugt, daß Pi-Poul tot war, aber Vor-Toran war jetzt mehr denn je sicher, daß er noch lebte und irgendwo festsaß.
Wahrscheinlich lief die Zeit gegen ihn, und er mußte sich beeilen, um den Thean zu finden.
Er ließ sich die Aufzeichnungen über den Wachwechsel der Ayindi-Schiffe geben und stellte fest, daß Darimus recht hatte. In den nächsten Tagen würde das Schutzfeld für einige Zeit geöffnet werden. Die Wahrscheinlichkeit lag nahe, daß es schon am folgenden Tag soweit sein mußte.
Also durfte er keine Zeit verlieren.
Er berief den Führungsstab der gesamten Raunach-Flotte zusammen, unterbreitete Darimus’ Plan und sein Vorhaben in groben Zügen und bat dann um Vorschläge, was während seiner Abwesenheit geschehen sollte.
Die Soldaten diskutierten eine Weile, und er merkte, daß er sich zu viele Sorgen machte. Vor allem auf der KALADA hatte er gute Leute, zum Teil von ihm selbst ausgebildet, die ihre Aufgabe verstanden.
Er benannte drei Hauptbefehlshaber, die sich ihren eigenen Stab zusammensuchen sollten, und gab die Order, unter allen Umständen die generellen Richtlinien der Raunach einzuhalten. Notfalls sollten sie ihre Schiffe aus der Großen Leere abziehen. Keinesfalls durften sie sich an einer internen Machtauseinandersetzung der Theans beteiligen.
Danach legte sich Vor-Toran einigermaßen beruhigt schlafen.
4.
Vergangenheit: Die Schule der Theans Der Gleiter brachte Pi-Poul zur Raumstation. Von dort aus sollte er mit einem speziellen Raumschiff zu einem System gebracht werden, in dem er die Prüfung des Quidor ablegen konnte.
Zu seinem Erstaunen war er jedoch nicht der einzige Passagier an Bord.
Ein weiterer Raunach war anwesend, der behauptete, die Prüfung des Quidor ablegen zu wollen.
„Wie heißt du?" fragte Pi-Poul.
„Ich bin Rir-Kuum."
Pi-Poul stutzte. Eine dunkle Erinnerung an die Vergangenheit wurde in ihm wach.
„Ich habe einmal mit einem Jungen gespielt, der Rir-Kuum hieß...", murmelte er. „Ich war damals gerade fünf Jahre alt geworden, und er war mein Vetter..."
Der andere schaute ihn nun ebenso verdutzt an. „Aber... aber sie sagten mir, daß immer nur einer der Familie
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