1741 - Die Shanghai-Falle
Weshalb hat er uns diesen Typen geschickt? Ich glaube nicht, dass man ihm trauen kann, zudem hat er sich auch nicht ausgewiesen.« Sie winkte ab. »Jetzt ist es zu spät. Wir werden uns fügen müssen.«
»Ich könnte ihn mal ansprechen.«
Shao legte den Kopf zurück. »Lass es lieber. Außerdem wird er dir nicht die Wahrheit sagen. Hier läuft ein Spiel ab, von dem wir noch keine einzige Karte gesehen haben.«
Suko ärgerte sich, dass er nicht selbst darauf gekommen war. Er gab Shao innerlich recht. Er hätte misstrauischer sein müssen, war es aber nicht gewesen. Wahrscheinlich hatte er sich zu sehr auf Dau Xing verlassen und damit auf die längst vergangenen Zeiten.
Sie fuhren weiter. Die gewaltige Stadt hatte sie regelrecht aufgesaugt. Hier gab es keinen Dunst. Es herrschte ständige Bewegung. Die neuen Straßen, die mal hoch und dann wieder normal angelegt worden waren, die gewaltigen Hochhäuser. Es mochte ein Bild sein, das viele Menschen faszinierte. Suko und Shao nicht. Da konnte er sich gut in seine Partnerin hineinversetzen. Das alte Shanghai war verschwunden oder hatte sich in äußere Stadtteile zurückgezogen.
Manchmal sahen sie das Gebiet des Hafens, wenn sie etwas erhöht fuhren.
Dann fielen ihnen die Gerüste der Kräne auf. Ebenso wie die mächtigen Containerschiffe, die darauf warteten, be- oder entladen zu werden.
Eine Boomtown eben, gefüllt mit Menschen, die in ständiger Bewegung waren und sich auf sich selbst und ihre Telefonate konzentrierten, ohne die anderen zu sehen. Alle waren ja so schrecklich wichtig.
Der Fahrer musste auch halten. Zwangsläufig, wenn es zu Staus kam. Je mehr sie sich dem Hafen näherten, umso dichter wurde der Verkehr.
Wieder kam es zu einem Stau. Shao und Suko hörten den Fahrer fluchen. Es waren die ersten Töne, die er seit Langem von sich gegeben hatte. Er wurde nervös und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Dabei reckte er sich, um den Stau überblicken zu können. Alles normale Gesten, und auch als er sich umdrehte, um nach hinten zu schauen, sahen die beiden Fahrgäste dies als normal an.
Sie wurden angesprochen. In einem sehr holprigen Englisch. »Ich gehe und schaue nach.«
»Warum?«, fragte Shao.
»Umweg suchen.«
»Ja, gehen Sie.«
Der Fahrer öffnete die Tür und schob sich ins Freie. Zumindest Shao sah ihm misstrauisch nach. Sie fühlte sich an der Nase herumgeführt. Irgendwas stimmte nicht, zudem hörten beide das Schnacken, als der sich entfernende Mann den Volvo durch das Funksignal abschloss.
»Was soll das denn wieder?«, flüsterte Shao. Sie saß starr auf ihrem Platz und schaute nach vorn.
Suko konnte ihr keine Antwort geben, gefallen aber tat ihm das nicht. Jetzt glaubte auch er an eine Falle. Er wollte etwas sagen, aber Shao legte ihm die Hand auf den Unterarm.
»Bitte, sei ruhig.«
Suko richtete sich danach. Er sah, dass seine Partnerin ihre angespannte Haltung nicht aufgegeben hatte. Sie blickte weiterhin nach vorn, wo sich nichts tat. Der Fahrer war verschwunden, doch beim zweiten Blick stellte Suko fest, dass sie mehr lauschte.
Das tat auch er. In den folgenden Sekunden nahm er nichts wahr. Dann aber hörte er auch das Geräusch. Es war ein leises Schaben, als wäre jemand dabei, einen Gegenstand über etwas zu ziehen. Und dieses Schaben hatte seinen Ursprung hier im Volvo.
»Und?«, flüsterte Shao.
»Da ist was.«
»Ja, und ich denke, dass es von vorn gekommen ist. Der Fahrer ist verschwunden, aber...«
»Der Karton.«
»Genau.«
Suko bewegte sich. Er richtete sich leicht auf, lehnte sich auch zur Seite, um durch die Lücken zwischen den Sitzen zu schauen.
Das war nicht mehr nötig.
Erst sahen beide nur die Bewegung, und noch in derselben Sekunde entdeckten sie mehr.
Etwas Schmales, Grün-graues war dabei, sich durch die Lücke zwischen den Sitzen zu schlängeln.
Niemand musste ihnen erklären, was da auf sie zukam. Es war mit einem Blick zu sehen.
Eine Schlange, und die war bestimmt alles anderes als harmlos...
***
Beide gehörten nicht zu den Menschen, die durchdrehten, wenn sie in Lebensgefahr gerieten. Sie behielten die Ruhe, bewegten sich nicht, und nur Shao flüsterte: »Also doch.«
»Ja, du hast dich nicht geirrt.«
»Und jetzt?«
»Bleiben wir ruhig.«
»Alles klar.« Shao hatte die beiden Worte so locker dahin gesprochen. Tatsächlich aber war sie angespannt, und auf ihrer Stirn waren kleine Schweißperlen zu sehen.
Es war keine Riesenschlange, die sich zwischen die Sitzlehnen
Weitere Kostenlose Bücher