1741 - Die Shanghai-Falle
der Karton stand.
Diesmal war er leer, das sah Suko, als er eine Hälfte des Pappdeckels in die Höhe riss.
»Und?«
»Es ist vorbei, Shao.«
»Super. Ich denke, dass wir uns gut geschlagen haben.«
»Das meine ich auch.« Suko nahm wieder seinen Platz ein. Er sah seine Partnerin an, die noch immer tief durchatmete. Das war wirklich knapp gewesen.
Sie standen noch immer im Stau, und sie merkten auch, dass es im Wagen allmählich warm wurde. Zu warm, um hier noch lange sitzen zu bleiben.
»Wir müssen raus!«, sagte Shao.
»Sicher. Aber noch sollten wir nichts überstürzen. Noch geht es uns nicht schlecht, und ich denke, dass bald unser Freund zurückkehren wird.«
»Klar.
»Dann stellen wir uns tot.« Suko lächelte, als er die ungläubigen Blicke erkannte.
»Totstellen?«
»Klar.«
»Und weiter?«
»Der Typ wird etwas unternehmen müssen und plötzlich große Augen bekommen, wenn er merkt, dass er in eine Falle geraten ist. Wir werden den Spieß umdrehen.«
»Ja.« Plötzlich lachte sie. »Das werden wir. Ich hoffe nur, dass er auf den Bluff reinfällt.«
»Wir müssen eben auf der Hut sein.«
Shao bewegte den Kopf. »Okay, dann bleibe ich auf meinem Platz sitzen. Außerdem können wir noch einige Schlangenteile auf den Boden werfen.«
»Nein, das können wir nicht mehr.«
»Warum nicht?«
»Weil er kommt.«
Shao fragte nicht, wo Suko ihn gesehen hatte. Sie reagierte schnell und nahm eine Haltung ein, die einer toten Person ähnelte.
Die Augen schloss sie nicht ganz, und so sah sie noch etwas von ihrer Umgebung.
Auch Suko setzte sich hin, als wäre er tot. Die Waffe hielt er in der Hand, aber so versteckt, dass der Fahrer sie nicht sehen konnte. Dafür sah Suko den Mann, der sich seinen Weg an den stehenden Fahrzeugen entlang bahnte. Weiter vorn bewegte sich noch nichts, sie hatten also noch Zeit.
Ein bestimmtes Geräusch erklang. Das leise Schnacken zeigte an, dass die Türen nicht mehr verschlossen waren.
Der Fahrer näherte sich. Er ging geduckt, er war schon auf der Hut, denn er wollte keine bösen Überraschungen erleben. Sekunden später stand er so nahe am Volvo, dass er einen ersten Blick hineinwerfen konnte. Dabei konzentrierte er sich nur auf die beiden Fahrgäste, das sah Suko genau, der seine Augen verdreht hatte, aber trotzdem noch sehen konnte.
Der Typ war zufrieden.
Er öffnete die Beifahrertür, grunzte irgendetwas, schaute noch über die Lehne hinweg – und starrte plötzlich in die Mündung der Waffe, die Suko ihm entgegenhielt.
»Heute ist alles anders, mein Freund. Da sind selbst die Toten nicht mehr tot...«
***
Damit hatte der Typ nicht gerechnet. Suko hatte ihn voll auf dem falschen Fuß erwischt. Der Mund des Chinesen blieb geschlossen, nur die Augen wurden noch schmaler, als Suko sagte: »Schließ die Tür!«
Er nickte.
»Mach schon!«
Er tat es.
Die erste Hürde war geschafft. Er hatte die Überraschung des Fahrers ausnutzen können. Zwar besaß Suko eine Waffe, doch seine Position war nicht so ideal. Außerdem meldete Shao, dass sich die Autoschlange wieder in Bewegung setzte. Da sie nicht zu lang war, würden sie auch bald an der Reihe sein. Bis dahin musste eine gewisse Ordnung geschaffen werden.
Suko übergab Shao die Beretta. »Halte ihn in Schach.«
»Geht klar.« Sie fragte nicht weiter, was ihr Partner vorhatte. Der stieg aus, öffnete die Beifahrertür und schleuderte den leeren Karton auf den Rücksitz. Danach hämmerte er die Tür zu und nahm die Waffe wieder an sich.
Er bedrohte den Mann von der Seite her. »Achtung, ich werde sofort schießen, solltest du irgendwelche Dummheiten machen. Aber ich werde dich nicht töten. Die erste Kugel wird dein Knie erwischen, die zweite deinen Arm, und ich bin auch in der Lage, den Wagen von meiner Seite aus zu lenken. Verstanden?« Er hoffte, dass der Mann ihn verstanden hatte. Zumindest nickte er, was Suko schon mal als einen Vorteil ansah.
Der drittvorderste Wagen setzte sich soeben in Bewegung. Jetzt kam es darauf an, ob sich der Kerl an die Regeln hielt. Tat er es nicht, würde Suko Konsequenzen ziehen müssen.
Der Mann startete den Wagen. Er hockte auf seinem Sitz wie eine Statue. Dass die Mündung der Pistole auf ihn zeigte, wusste er, doch er schaute nicht hin.
Sie fuhren an.
Suko atmete auf. Schnell ging es nicht voran. Den Grund des Staus passierten sie in einem langsamen Tempo. Aus dem Augenwinkel bekam Suko das am Rand der Straße liegende Motorrad zu sehen. Von dem Fahrer entdeckte er
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