1760 - Tödliche Lockung
herauszufinden, ob sich da etwas verändert hatte.
Das war nicht der Fall. Den Arzt wollte ich nicht rufen, ich musste auch so zurechtkommen. Deshalb sprach ich sie an. »Kannst du mich hören, Purdy?«
Ich erhielt keine Antwort, abgesehen von einigen heftigen Atemstößen.
Ich sprach weiter. »Wenn du willst, dass ich wieder gehen soll, dann sag es.«
Sie hatte mich verstanden, das sah ich ihr an. Die Antwort stand in ihren Augen zu lesen. Es verstrichen einige Sekunden, bevor ich wieder etwas von ihr hörte.
»Nicht...«
Das war schon ein Anfang, der mich aufatmen ließ, allerdings wusste ich nicht, was sie mit diesem einen Wort hatte sagen wollen, und da hätte ich gern mehr erfahren.
»Kannst du dich nicht etwas deutlicher ausdrücken?« Bei dieser Frage strich ich über ihre Wangen und stellte dabei fest, dass sich ihr Gesicht ein wenig entspannte.
Sie gab mir eine Antwort. Nur hatte die nichts mit Entspannung zu tun. Sie hinterließ bei mir schon einen schwachen Schock. »Der Tod ist unterwegs.«
Ich sagte nichts und überlegte, ob ich nachfragen sollte, was sie damit meinte. Es konnte sich um einen Vergleich handeln, aber auch um eine Tatsache. Der Tod konnte zahlreiche Gestalten angenommen haben. Er war knöchern, er war vielleicht ein Mensch mit einer Waffe. Es konnte sich um eine Explosion handeln oder um ein Wesen aus einer anderen Dimension. Da gab es zahlreiche Möglichkeiten.
»Kannst du mir mehr sagen, Purdy?«
Erneut schaute sie mich an. Sehr intensiv sogar, als wollte sie ihre Gedanken in mein Gehirn bohren. Langsam bewegte sie ihre Lippen, als hätte sie Angst davor, etwas Falsches zu sagen. Ich stand dicht über sie gebeugt und wartete darauf, dass entsprechende Worte ihren Mund verließen.
»Es fließt Blut«, flüsterte sie. »Ja, es fließt Blut, das ist gewiss...«
Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, und fragte: »Wessen Blut wird fließen?«
Purdy reagierte sofort. Allerdings stöhnte sie nur, und ihr Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. Ich rechnete damit, dass sie mehr wusste, und wartete auf eine Antwort, die auch kam, mich aber kaum weiterbrachte.
»Es ist alles schon so nah, so schrecklich nah. Man kann es nicht aufhalten.«
»Vielleicht doch«, sagte ich leise.
»Nein, nein, es wird fließen. Es kommt näher, immer näher. Da kann man nichts machen.«
»Ist es dein Blut?«
»Weiß nicht. Noch nicht. Aber es wird kommen, das weiß ich genau.«
Ich überlegte, wie es weitergehen sollte. Was mir Purdy Prentiss gesagt hatte, das war echt gewesen. So gut kannte ich sie. Irgendeine Macht hatte sie unter Druck gesetzt und vielleicht dafür gesorgt, dass sie in eine Zukunft schauen konnte, und zwar in eine, die nicht weit entfernt lag.
Womit hing alles zusammen? Vielleicht mit ihrem ersten Leben, das noch in Atlantis stattgefunden hatte? Es war alles möglich. Sie erlebte eine Bedrohung und zugleich einen Blick nach vorn in die Zukunft, die nicht so weit entfernt lag.
Worauf musste ich mich einstellen?
Ich wusste es nicht genau, aber ich hatte bereits einen Plan gefasst. Was auch passierte, ich wollte mich nicht aus der Nähe meiner Freundin Purdy bewegen. Sie hatte zwar nichts Konkretes gesagt, aber es gab eine tiefe Angst in ihr vor irgendwelchen bösen Machenschaften.
Sie hatte vom Tod gesprochen, der unterwegs war. Ich schaute in ihre Augen. Da hatte sich der Ausdruck nicht verändert.
Die Angst war nicht verschwunden. Wenn es möglich gewesen wäre, dann wäre sie bestimmt aufgesprungen und hätte das Bett verlassen, um zur Tür zu laufen. Aber sie war zu schwach, und um ihren Körper war ein Verband gewickelt.
Ich holte mein Taschentuch hervor und tupfte damit ihr Gesicht ab. »Du musst keine Angst haben, ich bleibe bei dir. Du hast von einer Bedrohung gesprochen. Kannst du mir sagen, woher die Bedrohung kommt? Wie hast du sie empfunden? Bitte, sag es mir.«
»Ich weiß es nicht genau.«
Das war eine Antwort, die mich nicht befriedigte. Deshalb fragte ich weiter.
»Hat sie etwas mit Atlantis zu tun?«
Die Antwort erfolgte noch nicht sofort. Sie überlegte und deutete dann ein Kopfschütteln an.
»Kein Atlantis?«
»So ist es. Oder ich weiß es nicht. Man wollte mich töten, aber ich habe meinen Mörder nur für einen Moment gesehen. Ich weiß, dass er nicht aufgegeben hat. Er wird es ein zweites Mal versuchen. Er kommt, er ist unterwegs.«
Ich hatte alles gehört. »Warum, Purdy? Warum hat er das getan? Was will er? Weshalb sollst du sterben? Kannst
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