1761 - Blutschwert aus der Hölle
hatte.
Der Mann schob seinen grauen Hut in den Nacken und fragte: »Sie erinnern sich an mich?«
Higgins tat so, als würde er nachdenken, was dem Besucher nicht gefiel.
»Mein Name ist Tanner. Chiefinspektor Tanner. Wir haben zwei Morde zu bearbeiten, und wir gehen davon aus, dass sie unter Umständen mit Ihrem Schwert durchgeführt worden sind.«
»Ja, das denke ich mir.« Higgins lachte. »Aber ich habe das Schwert nicht und auch nicht...«
»Davon ist keine Rede. Aber es sind noch Fragen offen, Mister Higgins. Wir können bei Ihnen darüber reden oder auf dem Revier. Was ist Ihnen lieber?«
»Sorry, kommen Sie rein.«
Higgins gab den Weg frei, und Tanner konnte das alte Gebäude betreten. Er gelangte in einen Flur, dessen Boden mit braunroten Fliesen ausgelegt war. Die Decke war ziemlich hoch und zu den Ausstellungsräumen führten Hinweisschilder, die allesamt in eine Richtung zeigten.
»Warten Sie, ich gehe vor.«
»Schon gut.«
Tanner folgte dem Mann. Niemand auf dem Revier wusste von seinem Besuch. Der Chiefinspektor ging gern eigene Wege, auch wenn ihm das nicht immer Freunde einbrachte. Aber die Quoten der aufgeklärten Fälle lagen hoch, und Tanner konnte sich auf seine Menschenkenntnis verlassen. Die hatte er sich in all den Jahren angeeignet, und wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann traute er Higgins nicht über den Weg.
Die beiden Männer saßen sich schließlich in dem kleinen Büro gegenüber, das überheizt war, was Tanner mehr störte als Clark Higgins.
»Dann rücken Sie mal raus mit der Sprache«, sagte der Kurator, »was möchten Sie noch wissen?«
»Das ist ganz einfach. Ich wollte wissen, ob Ihnen noch etwas Entscheidendes eingefallen ist.«
Higgins strich über sein Stoppelhaar mit dem grauen Schimmer. »Ich muss da leider passen.«
»Schade.«
Higgins hob die Schultern. »Was hätte mir denn noch einfallen sollen? Ich habe den Dieb nicht gesehen. Auch die Überwachungskameras haben nichts aufgezeichnet, weil sie ausgeschaltet waren. Wer immer hier eingebrochen ist, er hat sich gut ausgekannt.«
»Sie sagen es, Sir. Und wer kannte sich so gut aus?«
»Das – ähm – das weiß ich nicht.«
»Sie doch!«
Higgins schnappte nach Luft. Er brauchte Sekunden, um eine Antwort zu geben. »Meinen Sie, dass ich persönlich die Waffe entwendet habe, um damit Menschen zu töten?«
»Das haben Sie gesagt, nicht ich.«
Higgins fauchte Tanner an. »So kam es aber rüber.«
»Sorry, aber das habe ich nicht gewollt.« Tanner schaute sich um. »Wissen Sie, hier gefällt mir einiges nicht. Die Überwachungsanlage funktionierte nicht. Jemand hat sie wohl ausgeschaltet, denn einen Stromausfall gab es nicht. Kann es einer von Ihren Mitarbeitern gewesen sein oder...«
»Moment, Chiefinspektor. Mitarbeiter in dem Sinne habe ich nicht.«
»Das machen Sie alles allein?«, staunte Tanner.
»Fast. Bei großem Betrieb engagiere ich einige Studenten, die mir zur Seite stehen. Aber sie machen nur die gewöhnlichen Arbeiten. An die wertvollen Stücke lasse ich sie gar nicht heran.«
»Und wie war das mit dem Schwert?«
»Das stand unter meiner Obhut. Ich habe keinen der jungen Männer an die Klinge gelassen. Es ist eine Botschaft aus dem Mittelalter, und ich will, dass sie gehört wird.«
»Das ist ja schön und gut, aber jetzt ist diese Botschaft verschwunden, und wir müssen davon ausgehen, dass es sich um Ihr Schwert handelt. Es hat gemordet.«
»Ja, wenn Sie das sagen, ist das schon okay. Aber was habe ich damit zu tun?«
»Ihnen hat das Schwert gehört.«
»Das ist auch alles gewesen. Und jetzt ist es weg. Aber schieben Sie mir das nicht in die Schuhe.«
»Davon habe ich nie gesprochen. Aber ich habe Ihrem Blick angesehen, dass Sie noch etwas verschweigen.«
»Dann sind Sie so etwas wie ein Gedankenleser.«
»Ja, ja«, sagte Tanner und erhob sich gemächlich. »Das muss man hin und wieder sein.«
»Wie meinen Sie das denn?«
Tanner lachte. »Denken Sie darüber nach.« Er nickte Higgins zu. »Bitte bemühen Sie sich nicht, ich finde allein hinaus.«
»Wie schön«, flüsterte der Kurator und schloss für einen Moment die Augen. Es war still geworden, und zwar so still, dass er das Rauschen des Bluts in seinen Ohren hörte.
Tanner war weg. Zum Glück. Er hatte ihn nicht gemocht und hatte das Gefühl gehabt, dass dessen Blick ihn nahezu durchbohrte. Vor dem Kerl musste man sich in Acht nehmen.
Für heute hatte Higgins die Nase voll. Er wollte sich keine Sekunde länger in dem
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