1765 - Der Schattenprinz
mit einer Störung aus? Können Sie darüber was sagen?«
»Nein. Ich weiß nur, dass wir sie immer in Ruhe gelassen haben. Hin und wieder schaut jemand nach ihr. Sie ist auch nicht an Instrumente angeschlossen. Das hat man ihr alles erspart.«
Wir hatten alles, was wir brauchten. Es fehlte nur noch die Hauptperson. Die letzte Strecke war eigentlich am schwierigsten. Es war leicht möglich, dass uns jemand vom Personal entgegenkam. Deshalb wollte Liz erst mal nachschauen, ob die Luft rein war.
»Und?«, fragte Bill mich. »Was sagst du?«
»Nun ja, bisher ist alles normal gelaufen. Ich bin nur gespannt auf die über zweihundert Jahre alte Frau. Normalerweise gibt es so etwas nicht.«
»Anscheinend doch. Diese Liz kam mir vor, als gebe es für sie keine andere Möglichkeit. Diese Person ist zweihundert und mehr Jahre alt und trotzdem nicht tot. Was kann der Grund sein, dass sie schon so lange lebt?«
»Ein Vampir ist sie offenbar nicht.«
»Eben.«
Bill hob die Schultern. »Ich kann mir das auch nicht erklären. Lassen wir uns mal überraschen.«
Da hatte er recht. Es blieb uns auch nichts anderes übrig.
Die Krankenschwester ließ sich mit ihrer Rückkehr Zeit, aber dann war sie wieder da und etwas außer Atem.
»Was war los?«, wollte ich wissen.
»Ach, wir hatten einen Todesfall im Haus. Ich sollte noch dabei sein, wenn die Angehörigen kamen, aber davon habe ich Abstand nehmen können. Es läuft alles normal.«
»Gut so«, lobte ich.
»Dann kommen Sie bitte.«
Jetzt wurde es spannend. Das merkte auch Liz, denn ihre Stimme hatte gezittert. Sie ging vor und winkte einige Male. Wir hatten einen Flur betreten, der recht breit, aber auch ziemlich dunkel war. Für ein Sterbehospiz hätte ich mir etwas anderes gewünscht, nicht eine solche Trostlosigkeit.
Die Zimmertüren waren mit Nummern versehen. Die Krankenschwester ging an den ersten Türen vorbei. Sie bemühte sich, kein Geräusch zu verursachen, und das war bei uns auch der Fall. Man hätte sagen können, dass drei Diebe durch den Flur huschten und an der zweitletzten Tür stoppten.
»Wir sind da.«
»Okay, Liz, dann gehen Sie zuerst hinein. Wenn Ihrer Meinung nach alles okay ist, geben Sie uns Bescheid. Ist das ein Wort?«
»Ja, geht in Ordnung.«
Im Flur war es düster. Es gab auch keine hellen Wände. Bill und ich hatten uns mit dem Rücken dagegen gepresst und waren in der Umgebung nicht so schnell auszumachen.
Die Krankenschwester blieb nicht lange im Zimmer verschwunden. Recht schnell war sie wieder da und nickte uns zu. Dabei hielt sie die Tür offen.
»Es ist alles okay, Sie können rein. Wie ich schon sagte, es gibt keinen zweiten Patienten.«
»Das ist super.«
Vor Bill schob ich mich in das Zimmer, und ab jetzt stieg die Spannung noch weiter an...
***
Auf den ersten Blick sah dieser Raum aus wie viele andere auch. Es fehlten nur die Instrumente. Man hatte die alte Frau an nichts angeschlossen. Sie lag im Bett wie jeder andere Mensch auch.
Ich konzentrierte mich auf das Gesicht. Und da hatte uns die Krankenschwester einen Gefallen getan. Sie hatte eine kleine Lampe in der Nähe eingeschaltet und sie so gedreht, dass ihr Licht in das Gesicht der Frau fiel.
Liz blieb zurück. Bill und ich schritten auf das Bett zu. Da bewegte sich nichts. Die alte Frau hatte uns weder gehört noch gesehen. Es blieb ruhig.
Wir hatten uns auf etwas gefasst gemacht und wurden nicht enttäuscht. Ob diese Person tatsächlich mehr als zweihundert Jahre alt war, war mit einem Blick nicht zu erkennen. Aber sie war schon eine Frau, die mehr einer Leiche glich als einem Lebenden.
Die Haut hatte sich völlig verändert. Glatt war sie nicht mehr. Dafür faltig und an einigen Stellen leicht eingerissen. Es gab eine Mischfarbe, die auch das strähnige Haar betraf.
»Wie heißt sie noch?«, fragte Bill.
»Dahlia.«
»Welch ein Name für diese Frau.«
»Du hast sie ja noch nicht in Aktion erlebt. Sie war bestimmt kein Leichtgewicht. Auch damals nicht.«
»Ja, das ist möglich.«
Dahlia hielt die Augen geschlossen. Wir hörten sie nicht atmen, und keiner von uns wusste, ob sie wirklich schlief oder nicht. Das Schlafen wäre uns am liebsten gewesen, denn wir mussten sie noch so drehen, damit wir die Narben an ihrem Hals erkennen konnten.
»Sie hat sie links«, meinte Bill.
»Okay, nach rechts.«
Dahlia trug ein helles Nachthemd, das bis zum Hals geschlossen war. Ich hatte sie zuerst entdeckt, machte Bill den Weg frei, und schon sah ich, dass Liz uns
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