1765 - Der Schattenprinz
Er grinste breit, dann hob er den Arm an, wuchtete ihn vor und ließ die Lanze los, die auf den Blutsauger unter der Decke zuraste.
Der Schattenprinz war schneller. Er bewegte sich und seine Kleidung bauschte sich plötzlich.
Nicht er, sondern sie wurde getroffen. Die Lanze nagelte ein Stück Stoff fest, das lang wurde, als der Vampir an ihm zerrte. Dabei achtete der Schattenprinz nicht mehr so auf sich selbst, wie es hätte sein müssen. Er hielt sich nicht mehr fest, und musste der Schwerkraft Tribut zollen.
Der Eindringling fiel nach unten. Genau das hatten die beiden Männer gewollt. Es war der Lanzenträger, der sich auf ihn stürzte und ihn dabei anschrie.
Auch de Valois wollte den Blutsauger stellen. Er hatte es geschafft, aber da versperrte ihm der andere Mann den Weg. Beide prallten zusammen, was der Blutsauger ausnutzte, sich schnell umdrehte und auf das große Fenster zulief, durch das er gekommen war. Es gab keine Scheibe, die ihn daran gehindert hätte, wieder nach draußen zu huschen.
Genau das tat er jetzt. Er glitt an der Wand hoch und war bereit, durch die Öffnung zu verschwinden.
Das alles musste Dahlia mit ansehen. Sie hatte so auf ihren Schattenprinz gesetzt, jetzt musste sie erkennen, dass er sie enttäuschte. Er war zu feige, sich zum Kampf zu stellen, und ergriff lieber die Flucht.
Mit zwei, drei schnellen Bewegungen war er verschwunden. Auch de Valois hatte ihn nicht mehr aufhalten können. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, wenn er versuchte, ihn zu stoppen. Diese Gestalt war immer schneller. Er hätte die Treppe durch den Turm nach unten laufen müssen, während der Vampir den schnelleren Weg hatte nehmen können.
De Valois drehte sich um. Sein Blick fiel auf den Mann, der vor ihm stand und den Kopf schüttelte, denn er hatte es auch nicht geschafft, den Blutsauger zu stoppen.
Und vom Bett her meldete sich Dahlia. »Ihr habt es nicht geschafft. Er ist stärker. Er wird immer stärker sein...« Nach diesen Worten gab sie ein hartes Gelächter von sich und drückte dabei ihren Kopf gegen die Matratze.
Hector de Valois enthielt sich eines Kommentars. Er wusste ja, dass Dahlia recht hatte. Aber was konnte er tun? Nichts, der Blutsauger war mal wieder stärker und schneller gewesen und ließ ihn als zweiten Sieger zurück...
***
Ob es überhaupt noch eine Chance gab, den Schattenprinzen zu fassen, wussten beide Männer nicht. Aber sie wollten auch nichts unversucht lassen. Ihre einzige Spur war die schöne und junge Dahlia, die von ihrem Onkel Guy de Flores aus dem Bett geholt und über die Treppe nach unten gebracht worden war, wo sie sich in einem großen Raum aufhielten, der wie ein Salon eingerichtet war. Dahlia hatte sich in einem breiten Sessel niedergelassen. Damit sie nicht fror, war eine Decke um sie gewickelt worden.
Guy de Flores hatte ihr etwas zu trinken geholt. Wein und Wasser gemischt. Sein Personal hatte er weggeschickt. In dieser Nacht wollte er nicht gestört werden.
Auch die beiden Männer tranken. Sie allerdings bevorzugten den Wein pur. Er zeigte eine tiefrote Farbe, und man hätte meinen können, dass die beiden Blut tranken.
Hector de Valois schaute über den Glasrand hinweg in das Gesicht seines Freundes, als er fragte: »Du weißt also nicht, wohin er geflüchtet sein könnte?«
»Nein, keine Ahnung.« Guy de Flores strich über seinen dünnen Oberlippenbart. »Falls er geflohen ist.«
»Wie meinst du das?«
»Er will doch Blut.«
»Ja, das stimmt.«
De Flores grinste breit. »Und wo kann er junges, frisches, herrliches Blut bekommen?«
»Du denkst an deine Nichte?«
»Genau.« Guy beugte sich vor. »Er mag sie. Er will sie leer trinken. Er ist wild nach ihrem Blut.«
»Das weiß ich.«
»Und deshalb wird er es auch nicht vergessen. Ich glaube an seine Rückkehr.«
»Wann?«
»Keine Ahnung. Aber die Sucht nach dem Lebenssaft wird ihn schon hertreiben.«
»Und weiter?«
De Flores hob die Schultern. »Das müssen wir abwarten. Ich kann mir vorstellen, dass er Dahlia nicht so leicht aufgibt. Deshalb rechne ich damit, dass er hier wieder erscheint und wir ihn packen können.«
De Valois trank einen Schluck Wein. »Wann?«, fragte er wieder.
»Keine Ahnung, wirklich nicht. Ich habe auch keine Beweise. Ich höre allein auf mein Gefühl.«
De Valois sagte nichts. Er strich nur über seine Stirn, die er danach krauste. »Ja, ja, das kann alles stimmen. Aber ich habe nicht die Zeit, so lange zu warten. Oder glaubst du, dass er noch in dieser
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