1771 - Der Tempel der Mondgoettin
hatte.
Hinter den Wänden wisperte und knisterte es. Der gesamte Tempel schien von einem geheimnisvollen Leben erfüllt zu sein.
Michael meinte Schritte vor seiner Tür zu vernehmen, und er glitt lautlos aus dem Bett. Mit Hilfe seines SERUNS, den er nicht abgelegt hatte, schwebte er zur Tür hinüber. Mit Hilfe der Geräte des Anzugs versuchte er auszuloten, was auf der anderen Seite der Tür geschah. Es gelang ihm nicht. Die Instrumente zeigten kein lebendes Wesen auf dem Gang an, wiesen aber auch nicht auf einen auffälligen Energieumsatz hin, wie er vorhanden gewesen wäre, wenn sich ein Roboter auf dem Gang aufgehalten hätte.
Michael öffnete die Tür und trat auf den Gang.
Eine schattenhafte Gestalt sprang zur Seite und verschwand hinter der Ecke des abgewinkelten Ganges. Sie bewegte sich so schnell, daß der Terraner nicht sicher war, ob sie wirklich dort gewesen war, oder ob er tatsächlich nur einen Schatten gesehen hatte.
Er glitt auf Antigravf eidern bis zu der Ecke. Der abbiegende Gang lag dunkel und leer vor ihm. Nur die Augen einiger aus Metallplättchen geformten Na-Ethyn-Mosaiken leuchteten aus dem Dunkel und schienen ihn anzusehen.
Michael nahm eine Infrarotüberprüfung des Bodens vor, und er stellte die matt leuchtenden Abdrücke eines Crypers fest. Es waren die einzigen Spuren, die noch feststellbar waren, und die Wärmeausstrahlung war so intensiv, daß sie nur von einem Mann stammen konnte, der Sekunden vorher hier entlanggelaufen war.
Also hatte er sich nicht geirrt.
Warum aber war der Cryper vor ihm geflüchtet?
Nachdenklich kehrte Michael zu seiner Unterkunft zurück, betrat den Raum dann jedoch nicht, sondern blieb vor einer Glasvitrine stehen, in der die Puppe eines schlicht gekleideten Sandin-Kriegers stand. An der Seite des Mannes blitzte ein Degen. Michael strich langsam und nachdenklich mit der Hand über seine linke Hüfte und den Oberschenkel, und dann versuchte er spontan, die Vitrine zu öffnen. Die Scheiben, aus denen sie zusammengesetzt war, waren miteinander verklebt. Doch das war kein Problem für ihn. Mit Hilfe seines Desintegrators schnitt er sie an den Kanten auf, bis er eine Scheibe einen Spaltbreit aufziehen konnte. Dann entnahm er den Gürtel mit dem Degen, schloß die Vitrine und kehrte in seine Unterkunft zurück.
Er legte sich hin und schlief augenblicklich ein. Das Wispern, Flüstern und Rascheln hinter den Wänden und auf dem Gang draußen hörte er nun nicht mehr.
*
Assyn-Stey, Coram-Till, Caston-Pragama, Marfin Kinnor, Connemar Djouston und einige andere saßen bereits am Frühstückstisch in einem großen Gemeinschaftsraum, als Michael Rhodan am nächsten Morgen eintrat. Bis dahin hatten die Männer schweigend gegessen.
Dem Galaktiker fiel auf, daß die Crypers einen abwesenden Eindruck machten. Sie schienen schlecht geschlafen zu haben, noch sehr müde zu sein und Mühe zu haben, die Augen offenzuhalten. Doch nun wurden sie unruhig und blickten Mike verblüfft an.
Der Unsterbliche hatte nicht nur den Dreispitz aufgesetzt und sich ein spitzenverziertes Halstuch umgebunden, sondern trug auch einen Degen an der Seite.
Mike schien nicht zu bemerken, wieviel Aufmerksamkeit er erregte. Gelassen setzte er sich dem Vista-Cryper gegenüber an den Tisch, während zwei Tempeldiener herbeieilten, um ihm das Frühstück zu servieren.
„Guten Morgen, meine Herren", grüßte Mike. Er streckte seine rechte Hand aus und klopfte leicht mit den Knöcheln auf den Tisch.
„Was ist mit dir los?" fragte Assyn-Stey mit schleppender Stimme. Die Lider sanken ihm nach unten, doch er schreckte auf, atmete tief durch und strich sich mit den Händen über die Augen, um die Müdigkeit zu vertreiben. „Stimmt was nicht?"
„Ich verstehe Ihn nicht", erwiderte der Terraner. „Was soll Seine Frage?"
Beunruhigt musterte er die Crypers. Sie waren verändert im Vergleich zum gestrigen Tag. Keiner von ihnen war so, wie er sie von vergangenen Begegnungen und von vielen Gesprächen her kannte. Coram-Till hatte eigentümlich starre Augen. Er schien geistig abwesend zu sein. Caston-Pragama hing schlaff in seinem Exoskelett und verzehrte mit mechanischen Bewegungen etwas.
Allein Assyn-Stey schien etwas ausgeruhter zu sein, und der Anblick Mikes schien ihn endgültig aus seiner Lethargie gerissen zu haben.
Der Galaktiker blickte flüchtig zu den Männern der MONTEGO BAY hinüber. An ihnen war keine Veränderung festzustellen.
Als Mike sich wieder dem Anführer der
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