1775 - Totenwelt
nicht zurück, und allmählich wurde Peter Dryer bewusst, dass etwas passiert war und dass er etwas unternehmen musste.
Auf ihn kam es jetzt an!
Er war zwar kein Mensch, der sich vor einer Verantwortung drückte, aber er tat auch nichts Unüberlegtes. So handelte er auch in diesem Fall. Er war sich jetzt ganz sicher, dass die beiden Frauen so schnell nicht wieder zurückkehren würden, aber er musste auch an seine eigene Sicherheit denken und wollte keineswegs in eine Falle laufen.
Die Tür stand weiterhin einladend offen. Er ging darauf zu und wartete noch, bevor er sich in den Raum schob, in dem sonst die Menschen eine kleine Schlange an der Kasse bildeten.
Jetzt war er leer.
Keine Spuren von den beiden Frauen. Es schien, als hätte es sie nie gegeben, aber ein Stück vor dem Haus parkte noch der Wagen, und das war schon ein Hinweis.
Die Wände schwiegen. Nirgendwo gab es einen Menschen, der ihm hätte Auskunft geben können. Dryer war auf sich allein gestellt. Da verging schon Zeit, bis er den Mut fand und er einen Blick in den Ausstellungsraum warf.
Er war zwar nicht leer, aber ein Mensch hielt sich dort nicht auf. Und so zog sich Dryer wieder zurück. Er war froh, dass ihm niemand begegnet war. Eigentlich wollte er es nicht zugeben, doch was hier passiert war und was er hier vorfand, das machte ihm schon Angst.
Länger als nötig wollte er nicht bleiben. Immer noch leicht verstört wegen des Verschwindens der zwei Frauen, machte er sich auf den Weg nach draußen. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen, was ihm nicht gelang. Das Durcheinander im Kopf blieb.
Ich muss normaler werden!, nahm er sich vor. Ich muss alles so sehen, wie es war, und darf mir keine Gedanken darüber machen oder zu versuchen, bestimmte Dinge zu hinterfragen. Das bringt mir nichts, da kann ich nur passen.
Mit genau dem Gedanken verließ er das Haus und war froh über die kühle Luft. Am liebsten wäre er verschwunden, aber das war nicht sein Ding. Auch jetzt trat er nicht den Rückzug an, sondern blieb.
Aber er hatte eine Idee. Was er gesehen hatte, das würde man ihm zwar kaum glauben, aber er musste es loswerden. Und deshalb rief er bei der Polizei an. Einem Verhör würde er sich gern stellen. Noch lieber wäre es ihm gewesen, wenn die Frauen wieder aufgetaucht wären, doch der Wunsch wurde ihm nicht erfüllt.
So blieb ihm nur der Weg über die Polizei...
***
Ich sagte nichts, tat auch nichts Großartiges und trank in aller Ruhe meinen Kaffee. Den letzten Fall hatte ich gut überstanden. Da war es um Ranja und ihr Wolfsrudel gegangen, das sie nicht mehr so hatte einsetzen können, wie sie es sich vorgenommen hatte. Ich war schneller gewesen.
Das alles hatte sich noch in Schottland abgespielt wie auch der vorletzte Fall. Beide Male ohne Suko, und darüber war er schon recht sauer.
Ich stellte die Tasse wieder ab und schaute auf einen Aktenstapel, der nicht sehr hoch war. Eigentlich nur in der Höhe von drei Schnellheftern.
»Ist das in Ordnung, John?«
Ich schaute hoch und sah Suko auf der anderen Seite grinsend sitzen.
Ich wies auf den Stapel. »Was soll ich damit?«
»Die Meldungen habe ich dir ausdrucken lassen. Das ist hier passiert, während du dich in deiner alten Heimat herumgetrieben hast.«
»Das war kein Vergnügen.«
»Sag ich doch. Aber du hast auch Erfolg gehabt.«
»Das stimmt. Die Wölfin gibt es nicht mehr und Ranja wird als Werwölfin keine fette Beute machen können.«
»Dann ist ja alles paletti.«
»Will ich hoffen.« Nach dieser Antwort legte ich die Beine hoch und schaute auf die Uhr.
»Bist du im Stress?«, fragte Suko.
»Wieso?«
Er deutete auf mein linkes Handgelenk.
Ich verstand. »Das hat nichts zu sagen. Wenn mich nicht alles täuscht, treffen wir uns in einer halben Stunde mit diesem Peter Dryer.«
»Stimmt. Den Termin hast du gemacht.«
»Nein, Glenda Perkins.«
Suko winkte ab. »Egal.« Dann lächelte er. »Diesmal bin ich aber wieder mit von der Partie.«
»Auf jeden Fall. Wir werden uns anhören, was er uns zu sagen hat.«
»Du weißt noch nicht, um was es genau geht?«
»Nein, aber der Kollege, der Glenda anrief, hat leise gelacht und gemeint, das wäre mal wieder was für uns.«
»Dann hoffe ich, dass unser Treffen was bringt.« Suko nickte mir zu und schaute ansonsten auf den Bildschirm seines Laptops, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen.
Ich blickte ins Leere und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Recht häufig hatten Fälle auf diese Art und Weise begonnen.
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