1775 - Totenwelt
extra bewacht, da reichte das Aufsichtspersonal im Museum. Wir erfuhren auch, dass um diese Tageszeit nie etwas Ungewöhnliches passiert war. Es hatte auch niemand versucht, einen der Schädel zu stehlen oder mit ihnen zu spielen. Das war alles ganz normal abgelaufen.
Suko fragte: »Haben Sie in der folgenden Nacht erneut Dienst?«
»Ja, aber nicht im Museum, sondern woanders.«
»Wird ein Kollege eingesetzt?«
»Das weiß ich nicht. Es ist möglich. Das entscheidet sich immer kurz vor Dienstbeginn.«
»Danke, dass Sie so auskunftsfreudig gewesen sind.« Ich erhob mich. »Ihre Telefonnummer haben wir ja.«
»Danke, dass Sie mir zugehört haben und mich nicht auslachen. Das haben Ihre Kollegen zwar auch nicht getan, doch wenn ich in ihre Gesichter schaute, dann wusste ich, was sie dachten.«
»Machen Sie ihnen keinen Vorwurf«, sagte ich, »sie sind mit solchen Fällen nicht befasst. Dafür sind wir da.«
»Dann kann ich nur hoffen, dass Sie es auch schaffen.«
»Wir werden uns bemühen.«
Zum Abschied reichten wir uns die Hände.
Suko und ich blieben zurück. Wir waren nachdenklich. Suko meinte: »Ich denke, dass wir uns nicht geirrt haben. Das kann nur Jane Collins gewesen sein. Zusammen mit Serena.«
»Ja, das glaube ich auch. Aber warum hat sie uns nichts gesagt? Sie hätte uns einweihen können oder müssen.«
Suko schaute mich schräg an. »Wie lange kennst du Jane?«
»Ja, ja«, sagte ich, »sie hat schon immer ihren eigenen Kopf gehabt.«
»Und es kann auch möglich sein, dass sie in diesen Fall hineingerutscht ist, ohne an eine besondere Gefahr zu denken.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Auf keinen Fall.«
»Warum nicht?«
»Weil Serena, die Heilige, dabei gewesen ist. Das ist ein Grund. Die waren bestimmt nicht unterwegs, um nur einen Spaziergang zu machen. Die haben ein Ziel gehabt, und das war genau das Museum.«
»Ist ein Argument, John.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Und wann fahren wir?«
»Nicht zu früh. Auch wenn ich ungern warte, aber wir sollten erst kurz vor Schließung des Museums dort sein.«
»Das sehe ich auch so.«
»Wir werden die Nacht dort verbringen, wenn es hart auf hart kommt. Das sind wir Jane Collins schuldig.«
»Geht es ihr schlecht?«, fragte Glenda, die zugehört hatte und in der Tür stand.
Ich gab die Antwort. »Das wissen wir nicht. Es kann sein, dass sich Jane in großer Gefahr befindet, zusammen mit Serena. So liegen die Dinge.«
Glenda war etwas blass geworden. Sie flüsterte: »Habt ihr denn eine Spur von ihr?«
»Wir gehen davon aus.«
»Kann ich helfen?«
»Nein, im Moment nicht. Wir müssen erst mal alles in die Reihe bekommen, dann sehen wir weiter. Aber Jane ist kein Baby mehr. Sie kann sich auch wehren. Und darauf hoffen wir...«
***
Zeit? Zeit – was war schon Zeit?
Noch immer ein Begriff, über den sich normale Menschen, Philosophen oder auch Naturwissenschaftler ihre Gedanken machten. Die Zeit war etwas Eigenständiges, sie ließ sich zwar manipulieren, letztendlich aber blieb sie die Siegerin.
Bei manchen Ereignissen verging die Zeit zu schnell, bei anderen wiederum zu langsam, und dann gab es Momente, an denen die Zeit einfach stehen blieb. Augenblicke, die Menschen nie vergaßen. Das konnte der erste Kuss sein oder ein gewonnenes Rennen oder Spiel, doch das alles war nur subjektiv. Tatsächlich allerdings verlief die Zeit so wie immer.
Und doch konnte sie ganz ausgeschaltet werden. Das lag zumeist an den Menschen und auch an der Umgebung, die man als zeitlos einschätzen musste.
So war es auch den beiden Frauen ergangen. Für sie war die Zeit gestorben. Sie hatten nichts, wonach sie sich richten konnten. Sie waren geholt worden und in einer Welt oder Szenerie gelandet, wo es anscheinend keine Zeit gab, nur eine gewisse Leere, die allerdings nicht gänzlich leer war, dass sie in einer Finsternis gestanden hätten. Nein, sie befanden sich in einer trüben, leicht dunstigen Umgebung. Es gab genügend Helligkeit, sodass sie sich gegenseitig anschauen konnten. Sie standen sogar beisammen, aber sie berührten sich nicht, obwohl sie sich unterhalten konnten.
Alles war anders geworden. Es war nicht mehr die Welt, die sie kannten. Sie verspürten einen gewissen Druck. Sie sprachen darüber und konnten sich keine konkrete Antwort geben, bis Serena der Begriff Totenwelt einfiel und von Jane durch ein Nicken Zustimmung erhielt.
»Ja, das kann ich nachvollziehen«, sagte die Detektivin. »Wir
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