1787 - Maras Blutlust
war ebenfalls nicht faul gewesen. Der Steinboden war an vielen Stellen aufgerissen. Er hatte dem Druck nicht standhalten können, den die Pflanzen ausgeübt hatten, die von unten her gegen ihn drückten. Und so war einiges an Grünzeug durchgekommen. Auch an den Wänden waren die feuchten Flecken zu sehen. Hin und wieder abgelöst durch helle Schimmelflächen.
Ich holte einige Male Luft und fragte mich, ob ich mich hatte an der Nase herumführen lassen, denn von Mara war nichts zu sehen. Ich schaute in eine leere Leichenhalle und zugleich in ein graues Halbdunkel, denn die wenigen Fenster in diesem Bau glichen mehr schmalen Schießscharten.
Und dann hörte ich doch etwas.
Das Knirschen erklang vor mir. Es ging vom Fußboden aus.
Als ich meinen Blick nach unten richtete, sah ich die Bewegung. Da öffnete sich der Boden. Einige Steine waren in Bewegung geraten, wurden als Viereck nach oben gedrückt und gaben eine Fläche frei, die der Zugang in eine tiefere Umgebung war, aus der ich auch ein leises Lachen hörte.
Wenig später erschien der Kopf einer Person, die ich kannte.
Es war Mara, die Vampirin …
***
Sie sah aus wie in der vergangenen Nacht. Zumindest vom Outfit her. Ihr Gesicht sah auch weiterhin bleich aus. Die Augen lagen tief in den Höhlen und die Lippen bildeten einen Strich, so hart lagen sie aufeinander.
Sie stieg langsam aus ihrem Versteck, schob und drückte sich hoch, und ich stellte mich an den Rand, um von dort aus in die Tiefe zu schauen. Sehr tief war das Loch nicht. Es gab auch keine Treppe oder eine angebrachte Leiter. Man konnte geduckt stehen, und auch recht einfach wieder rausklettern.
Das tat Mara, bevor sie sich aufrichtete. Wir standen uns zum Greifen nahe gegenüber. Ich erlebte wieder die Warnung meines Kreuzes und reagierte nicht darauf. Mein Blick war auf das Gesicht der Blutsaugerin gerichtet und ich sah, dass Mara nickte.
Es sollte wohl ein Willkommensgruß gewesen sein, so genau wusste ich das nicht, deshalb hob ich nur fragend meine Augenbrauen an.
»Alles klar?«, fragte sie.
»Ja, und bei dir?«
»Auch, denke ich.«
»Wie schön.« Dann deutete ich gegen den Boden. »Das also ist dein Versteck?«
»Ja, zumindest am Tage.«
»Dann können wir nicht raus?«
»Du schon.«
»Und du würdest vergehen?«
»Zumindest sehr schwach werden«, gab sie zu. »Und das ist nicht im Sinne des Erfinders, denn Justine Cavallo würde sich nur freuen.«
»Ja, das kann ich mir denken.« Ich blieb auf der Stelle stehen, drehte mich aber um und fragte: »Wo könnte ich sie denn finden?«
»Keine Ahnung.«
Mein Blick trübte ein. »Das ist schlecht.«
»Ach! Hast du erwartet, dass sie herkommt und du dich ihr stellen kannst?«
»Nicht ganz, aber so ähnlich.«
»Irrtum.«
Ich war leicht enttäuscht. »Dann hat es wohl keinen Sinn, hier länger zu warten. Ich kann verschwinden und kehre bei Anbruch der Dunkelheit zurück.«
»Nein, du musst bleiben.«
»Warum? In einer leeren alten Leichenhalle?« Ich fügte noch ein Lachen hinzu.
»Noch ist sie leer.«
»Aha, und du meinst, dass sie sich bald füllt?«
»Ja, das denke ich schon.«
»Das musst du mir erklären.«
»Ich kann es versuchen. Ich bin der Meinung, dass die Halle hier unter Kontrolle gehalten wird. Justine Cavallo hat herausgefunden, dass ich sie jage. Und da ist es ganz natürlich, dass sie etwas dagegen unternimmt. Jetzt jagt sie mich auch.«
»Aha. Und was noch?«
»Ich denke, dass sie Bescheid weiß.«
Lange dachte ich nicht nach. »Du meinst, dass sie darüber informiert ist, wo du dich jetzt aufhältst?«
»Klar.«
»Und hat sie dich bereits angegriffen?«
»Nein, aber sie hat ihre Helfer in der Nähe postiert, das stimmt schon.«
Ich runzelte die Stirn. »In der Nähe?«, hakte ich nach. »Heißt das auf dem Friedhof?«
»Ich denke ja.«
Mein Kommentar blieb aus, und Mara stellte eine weitere Frage. »Hast du beim Herkommen nichts bemerkt?«
»Nein, nicht direkt.«
»Was heißt das?«
»Es ist schwer zu erklären, aber ich hatte den Eindruck, nicht allein zu sein und unter Beobachtung zu stehen.«
»Davon kannst du ausgehen. Ihre Helfer werden auch gesehen haben, dass du die Leichenhalle betreten hast, deshalb müssen wir damit rechnen, dass sie kommen.«
»Und wer könnten sie sein?«, fragte ich.
»Das weiß ich nicht. Ich kenne die Helfer der Cavallo nicht. Du vielleicht?«
»Nein, auch nicht alle. Ich kann mir denken, wen sie uns schicken wird.«
»Ihre Blutsauger.«
»Nicht nur.
Weitere Kostenlose Bücher