18 - Eine Taube bringt den Tod
Dann können wir ausführlicher über das Vorgefallene sprechen. Natürlich hast du recht – einen Gesandten des Königs zu ermorden, ist ein ungeheuerliches Verbrechen.«
Vor der Kapelle erwartete sie ein Fischer und redete hastig auf Bruder Metellus im örtlichen Dialekt ein. Nach dessen Erwiderung drehte er sich um und eilte davon.
»Er wollte uns nur bestätigen, dass die Seeräuber die Verfolgung aufgegeben haben und die Schiffe fortgesegelt sind«, gab er Eadulf und Fidelma zu verstehen. Er wies auf ein kleines Gebäude. »Das ist mein bescheidenes Heim. Ich heiße euch willkommen. Als Erstes schau ich nach etwas Trockenem zum Umziehen.«
Nach einer Weile steckten sie in frischen Sachen, mit denen sie eine Frau namens Onenn versorgt hatte. Fidelma hätte etwas darum gegeben, sich das Salzwasser aus dem Haar waschen zu können, aber den Gastgeber darum zu bitten, wäre wohl zu viel des Guten gewesen.
Gemeinsam saßen sie mit Bruder Metellus in dessen kleiner Heimstatt. Ein älterer Mann namens Lowenen, der ihnen als Ältester der Inselgemeinde vorgestellt worden war, hatte sich zu ihnen gesellt. Er hatte ein kantiges, vom Wetter gegerbtes und zerfurchtes Seemannsgesicht; fast mochte man meinen, es sei aus dem Granitgestein der Insel geschlagen. Die seegrünen Augen saßen tief unter buschigen Augenbrauen, der Gesichtsausdruck aber war voller Güte – ein sympathisches Gesicht, in dem sich feiner Humor versteckte.
Sie erzählten ihre Geschichte. Bruder Metellus dolmetschte, denn Lowenen sprach nur den Dialekt der Inselbewohner. Zwar konnten Fidelma und Eadulf ein wenig Bretonisch, aber das half nicht viel, dieser Sprache der Einheimischen konnten sie nicht folgen. Einzelne Wörter, die sie zu erkennen glaubten, bedeuteten offensichtlich etwas anderes.
»Eine Schandtat«, fasste Bruder Metellus ihre Schilderung zusammen. »Und ihr habt keine Ahnung, was für ein Schiff es war? Der Kapitän hat sich in keiner Weise zu erkennen gegeben?«
Fidelma schüttelte den Kopf.
»Wir haben nirgends einen Namen auf dem Schiff gesehen, wenngleich wir bei dem plötzlichen Überfall auch sicher nicht an einen Namen gedacht haben. Aber am Mast hatten sie, glaube ich, eine weiße Flagge.«
Eadulf bestätigte das und ergänzte: »Auf der Flagge war auch ein Emblem, aber was für eins, konnte ich nicht erkennen. Und am Bug war irgendein Vogel eingeschnitzt, es könnte eine Taube gewesen sein.«
Fidelma hatte den Eindruck, als huschte ein Ausdruck der Überraschung über Bruder Metellus’ Gesicht, aber nur für die Dauer eines Augenblicks.
»Da hast du dich sicher geirrt, mein Freund«, meinte er. »Wenn ein Kriegsschiff sich einen Vogel zum Symbol wählt, dann wohl eher einen Raubvogel.«
Gegen eine solche Überlegung ließ sich nichts einwenden.
»Das stimmt schon. Trotzdem, ich hielt das Schnitzwerk für eine Taube. Kann ja sein, dass der Künstler nicht gerade der begabteste war.«
»Ist euch an dem Kapitän etwas Besonderes aufgefallen?«
»Nur, dass er sehr jung war«, erwiderte Fidelma nachdenklich. »Außerdem war er von Kopf bis Fuß gänzlich in Weiß gehüllt, selbst das Gesicht war verdeckt.«
»In Weiß?«, sagte Bruder Metellus staunend. »Eine merkwürdige Farbwahl für einen Kapitän und Piraten. Weiß ist die Farbe des Lichts und der Unantastbarkeit. Ihr aber schildert ihn als erbarmungslosen Mörder, und das unter dem Deckmantel der Unschuld? Und jung war er, sagst du?«
»Er war von schlanker Statur und hatte eine helle Stimme. Trotz seiner Jugend gebärdete er sich wie ein Teufel. Er hat sowohl meinen Vetter als auch Murchad, unseren Kapitän, ohne zu zögern erstochen.« Fidelma machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Dafür wird er büßen.«
»Kommt in den Gewässern hier Piraterei des Öfteren vor?«, fragte Eadulf, denn die anderen schwiegen beklommen. Fidelma hatte den Nachsatz hasserfüllt gesagt. Selbst er hatte sie nie in so eisigem Ton reden gehört.
Lowenen antwortete, und Bruder Metellus übersetzte für ihn.
»Blut ist hier wiederholt geflossen. Gar nicht weit von hier haben sich die Galeeren der Römer mit unserer Flotte eine Schlacht geliefert.«
»Mit eurer Flotte?«, fragte Eadulf erregt, denn er stellte sich eine Schlacht zwischen den römischen Galeeren und den Fischerbooten der Inselbewohner vor.
»Von der Flotte der Veneter ist die Rede. Das waren die größten Seefahrer des Landes«, erklärte der Alte voller Stolz. »Mit über zweihundert Schiffen segelten sie
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