18 Gänsehaut Stories
so. Ich bin ganz durcheinander. Ich spuke nämlich zum erstenmal, müssen Sie wissen. Und jetzt ist die ganze Sache schiefgegangen.‹
›Schiefgegangen?‹
›Ja, Sir. Ich habe es schon ein paarmal versucht, aber es klappte nicht. Irgend etwas ist mir entfallen, und nun kann ich nicht zurück.‹
Sie können sich denken, daß ich ziemlich verblüfft war. Er sah mich so kläglich an, daß ich meinen strengen Ton nicht länger aufrechterhalten mochte. ›Merkwürdig«, sagte ich. Und weil ich glaubte, unten Schritte zu hören, schlug ich vor: ›Kommen Sie mit mir auf mein Zimmer, und erzählen Sie mir das genauer.‹ Ich wollte ihn am Arm nehmen, aber natürlich hätte ich ebensogut versuchen können, ein Rauchwölkchen festzuhalten. Ich hatte meine Zimmernummer vergessen und ging mit ihm durch mehrere Gästezimmer, bis ich mein Gepäck wiederfand; glücklicherweise war in dieser Nacht außer mir niemand in dem Gästeflügel. ›Da sind wir‹, sagte ich und setzte mich in einen Lehnstuhl. ›Nehmen Sie Platz und erzählen Sie. Mir scheint, Sie sind da in eine recht verzwickte Lage geraten.‹
Er sagte, er wollte nicht gern sitzen; ob es mir etwas ausmachte, wenn er dabei ein wenig im Zimmer herumgeisterte. Das tat er denn auch. Und bald waren wir in ein langes, ernsthaftes Gespräch verstrickt. Inzwischen waren auch die paar Whisky, die ich getrunken hatte, verdunstet, und mir wurde klar, wie grotesk und unglaublich diese Situation war. In dem sauberen, hübschen, chintzbehangenen Schlafzimmer huschte ein richtiges Gespenst auf und ab, lautlos bis auf seine Geisterstimme, halb durchsichtig – ich konnte durch ihn hindurch die kupfernen Kerzenleuchter und die gerahmten Stiche an den Wänden sehen. Und er erzählte mir über sein armseliges Erdenleben, das kürzlich ein Ende gefunden hatte. Er hatte kein besonders vertrauenerweckendes Gesicht. Aber er sagte die Wahrheit.«
»Wieso eigentlich?« warf Wish plötzlich ein. »Das sehe ich nicht ein.«
»Ich auch nicht«, meinte Clayton achselzuckend. »Aber ich kann Ihnen versichern, daß es wirklich so ist. Ich bin überzeugt, daß er nicht um Haaresbreite von der Wahrheit abgewichen ist. Er erzählte mir auch, wie er umgekommen war: Er ging in einem Londoner Mietshaus mit brennender Kerze in den Keller, um eine undichte Stelle in der Gasleitung zu suchen. Er war Englischlehrer an einer Londoner Privatschule gewesen, als das passierte.«
»Armer Teufel«, sagte ich.
»Das dachte ich auch. Er tat mir wirklich leid. Unnütz im Leben und unnütz im Tod. Er redete schlecht von allen, die er im Leben gekannt hatte. Niemand habe ihn je verstanden, niemand seine Vorzüge erkannt und geschätzt. Er hatte nie Freunde, nie Erfolg gehabt. Er sei eben zu gutmütig und zu sensibel gewesen. Er war verlobt gewesen (wahrscheinlich mit einer ebenso ungeschickten und übersensiblen Person), als die Sache mit der Gasleitung seinen Plänen ein Ende setzte.
Ich fragte: ›Und wo sind Sie jetzt?‹
Über diesen Punkt drückte er sich nicht klar aus. Ich hatte den Eindruck, daß er sich in einer Art Zwischenreich befand, einem Reservat für Seelen, die so unbedeutend waren, daß man sie weder zu den Heiligen noch zu den Sündern rechnen konnte. Ich konnte ihn nicht dazu bringen, mir mehr über diesen Ort zu erzählen. Jedenfalls schien er dort in passender Gesellschaft zu sein: unter den Geistern ebenso schwacher und unbedeutender junger Leute, die sich mit Vorliebe über das Spuken unterhielten. Spuken – das galt bei ihnen als das große, prickelnde Abenteuer, das sie doch heimlich alle fürchteten. Eines Nachts hatte auch er es versucht – und so war er in den Mermaid Club gekommen.«
»Also ich muß schon sagen …«, bemerkte
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