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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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so. Ich bin ganz durch­ein­an­der. Ich spu­ke näm­lich zum ers­ten­mal, müs­sen Sie wis­sen. Und jetzt ist die gan­ze Sa­che schief­ge­gan­gen.‹
    ›Schief­ge­gan­gen?‹
    ›Ja, Sir. Ich ha­be es schon ein paar­mal ver­sucht, aber es klapp­te nicht. Ir­gend et­was ist mir ent­fal­len, und nun kann ich nicht zu­rück.‹
    Sie kön­nen sich den­ken, daß ich ziem­lich ver­blüfft war. Er sah mich so kläg­lich an, daß ich mei­nen stren­gen Ton nicht län­ger auf­recht­er­hal­ten moch­te. ›Merk­wür­dig«, sag­te ich. Und weil ich glaub­te, un­ten Schrit­te zu hö­ren, schlug ich vor: ›Kom­men Sie mit mir auf mein Zim­mer, und er­zäh­len Sie mir das ge­nau­er.‹ Ich woll­te ihn am Arm neh­men, aber na­tür­lich hät­te ich eben­so­gut ver­su­chen kön­nen, ein Rauch­wölk­chen fest­zu­hal­ten. Ich hat­te mei­ne Zim­mer­num­mer ver­ges­sen und ging mit ihm durch meh­re­re Gäs­te­zim­mer, bis ich mein Ge­päck wie­der­fand; glück­li­cher­wei­se war in die­ser Nacht au­ßer mir nie­mand in dem Gäs­te­flü­gel. ›Da sind wir‹, sag­te ich und setz­te mich in einen Lehn­stuhl. ›Neh­men Sie Platz und er­zäh­len Sie. Mir scheint, Sie sind da in ei­ne recht ver­zwick­te La­ge ge­ra­ten.‹
    Er sag­te, er woll­te nicht gern sit­zen; ob es mir et­was aus­mach­te, wenn er da­bei ein we­nig im Zim­mer her­um­geis­ter­te. Das tat er denn auch. Und bald wa­ren wir in ein lan­ges, ernst­haf­tes Ge­spräch ver­strickt. In­zwi­schen wa­ren auch die paar Whis­ky, die ich ge­trun­ken hat­te, ver­duns­tet, und mir wur­de klar, wie gro­tesk und un­glaub­lich die­se Si­tua­ti­on war. In dem sau­be­ren, hüb­schen, chintz­be­han­ge­nen Schlaf­zim­mer husch­te ein rich­ti­ges Ge­spenst auf und ab, laut­los bis auf sei­ne Geis­ter­stim­me, halb durch­sich­tig – ich konn­te durch ihn hin­durch die kup­fer­nen Ker­zen­leuch­ter und die ge­rahm­ten Sti­che an den Wän­den se­hen. Und er er­zähl­te mir über sein arm­se­li­ges Er­den­le­ben, das kürz­lich ein En­de ge­fun­den hat­te. Er hat­te kein be­son­ders ver­trau­en­er­we­cken­des Ge­sicht. Aber er sag­te die Wahr­heit.«
    »Wie­so ei­gent­lich?« warf Wish plötz­lich ein. »Das se­he ich nicht ein.«
    »Ich auch nicht«, mein­te Clay­ton ach­sel­zu­ckend. »Aber ich kann Ih­nen ver­si­chern, daß es wirk­lich so ist. Ich bin über­zeugt, daß er nicht um Haa­res­brei­te von der Wahr­heit ab­ge­wi­chen ist. Er er­zähl­te mir auch, wie er um­ge­kom­men war: Er ging in ei­nem Lon­do­ner Miets­haus mit bren­nen­der Ker­ze in den Kel­ler, um ei­ne un­dich­te Stel­le in der Gas­lei­tung zu su­chen. Er war Eng­lisch­leh­rer an ei­ner Lon­do­ner Pri­vat­schu­le ge­we­sen, als das pas­sier­te.«
    »Ar­mer Teu­fel«, sag­te ich.
    »Das dach­te ich auch. Er tat mir wirk­lich leid. Un­nütz im Le­ben und un­nütz im Tod. Er re­de­te schlecht von al­len, die er im Le­ben ge­kannt hat­te. Nie­mand ha­be ihn je ver­stan­den, nie­mand sei­ne Vor­zü­ge er­kannt und ge­schätzt. Er hat­te nie Freun­de, nie Er­folg ge­habt. Er sei eben zu gut­mü­tig und zu sen­si­bel ge­we­sen. Er war ver­lobt ge­we­sen (wahr­schein­lich mit ei­ner eben­so un­ge­schick­ten und über­sen­si­blen Per­son), als die Sa­che mit der Gas­lei­tung sei­nen Plä­nen ein En­de setz­te.
    Ich frag­te: ›Und wo sind Sie jetzt?‹
    Über die­sen Punkt drück­te er sich nicht klar aus. Ich hat­te den Ein­druck, daß er sich in ei­ner Art Zwi­schen­reich be­fand, ei­nem Re­ser­vat für See­len, die so un­be­deu­tend wa­ren, daß man sie we­der zu den Hei­li­gen noch zu den Sün­dern rech­nen konn­te. Ich konn­te ihn nicht da­zu brin­gen, mir mehr über die­sen Ort zu er­zäh­len. Je­den­falls schi­en er dort in pas­sen­der Ge­sell­schaft zu sein: un­ter den Geis­tern eben­so schwa­cher und un­be­deu­ten­der jun­ger Leu­te, die sich mit Vor­lie­be über das Spu­ken un­ter­hiel­ten. Spu­ken – das galt bei ih­nen als das große, pri­ckeln­de Aben­teu­er, das sie doch heim­lich al­le fürch­te­ten. Ei­nes Nachts hat­te auch er es ver­sucht – und so war er in den Mer­maid Club ge­kom­men.«
    »Al­so ich muß schon sa­gen …«, be­merk­te

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