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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Wish.
    »Er hat das al­les na­tür­lich nicht mit kla­ren Wor­ten dar­ge­legt«, er­klär­te Clay­ton. »Aber so un­ge­fähr war der Ein­druck, den ich von ihm hat­te. Die gan­ze Zeit husch­te er im Zim­mer auf und ab, wäh­rend er mit wei­ner­li­cher Stim­me über sein arm­se­li­ges Selbst re­de­te. Mit sei­ner dün­nen Stim­me und sei­nem durch­schei­nen­den Geis­ter­leib wirk­te er noch er­bärm­li­cher, als wenn er ein Mensch von Fleisch und Blut ge­we­sen wä­re. Aber als Mensch von Fleisch und Blut wä­re er wohl kaum in mei­nem Zim­mer ge­we­sen – ich hät­te ihn na­tür­lich hin­aus­ge­wor­fen.«
    »Ja, ja, es gibt schon sol­che Men­schen«, mein­te Evans.
    Und ich füg­te hin­zu: »Und warum soll­ten sie nicht eben­so­gut einen Geist ha­ben wie je­der an­de­re.«
    « Was für ihn sprach, war sei­ne ehr­li­che Be­stür­zung«, sag­te Clay­ton. »Er war ent­setz­lich de­pri­miert, weil er die Sa­che mit dem Spuk ver­pfuscht hat­te. Al­le hat­ten ihm er­zählt, daß es ein Hei­den­spaß sein wür­de. Er hat­te sich na­tür­lich auch einen Hei­den­spaß er­war­tet – und nun war es nichts als ein neu­er Miß­er­folg auf sei­ner Lis­te von Fehl­schlä­gen. Al­les, al­les im Le­ben war ihm da­ne­ben­ge­gan­gen – und selbst in der Ewig­keit schi­en es ihm nicht an­ders zu er­ge­hen. Al­les käme da­her, sag­te er, weil sich nie je­mand um ihn ge­küm­mert, nie­mand ihm In­ter­es­se oder Sym­pa­thie ent­ge­gen­ge­bracht hat­te. Nach sei­ner Be­mer­kung brach er er­staunt ab und sah mich an. Ich sei ei­gent­lich der ers­te, er­klär­te er ver­wun­dert, der sich je für sei­ne An­ge­le­gen­hei­ten in­ter­es­siert hat­te. Ich merk­te gleich, wor­auf er hin­aus­woll­te, und be­schloß, ihm et­was un­ter die Ar­me zu grei­fen. Ich mag ein al­ter Gro­bi­an sein – aber wenn so ein ar­mer Schwäch­ling (ob Mensch oder Geist) in mir sei­nen ein­zi­gen wah­ren Freund sieht, ha­be ich nicht das Herz, ihn zu­rück­zu­sto­ßen.
    Ich er­mun­ter­te ihn al­so, sich nicht wei­ter mit solch düs­te­ren Ge­dan­ken ab­zu­ge­ben. Für ihn gä­be es jetzt nur ei­nes: so rasch wie mög­lich aus die­ser Sa­che her­aus­zu­kom­men. ›Rei­ßen Sie sich zu­sam­men‹, sag­te ich, ›und ver­su­chen Sie es.‹ – ›Ich kann nicht«, sag­te er. ›Ver­su­chen Sie es!, be­harr­te ich. Und das tat er denn auch.«
    »Wie denn?« er­kun­dig­te sich San­der­son.
    »Ges­ten.«
    »Ges­ten?«
    »Nun ja, ei­ne kom­pli­zier­te Rei­he von Ges­ten und Hand­be­we­gun­gen. So war er her­ein­ge­kom­men, so muß­te er auch wie­der hin­aus. Mei­ne Gü­te – was hat­te ich für ei­ne Pla­ge mit ihm!«
    Ich be­gann: »Ich kann mir nur nicht vor­stel­len, wie­so ei­ne Rei­he von Hand­be­we­gun­gen …«
    »Mein lie­ber Mann«, fiel er mir un­ge­dul­dig ins Wort. »Sie wol­len im­mer al­les ganz ge­nau wis­sen. Ich weiß auch nicht, wie­so. Ich kann Ih­nen nur sa­gen, daß es so war. Ei­ne qual­voll lan­ge Zeit müh­te er sich ver­geb­lich ab. Aber dann be­kam er wohl die rich­ti­ge Rei­hen­fol­ge her­aus – und auf ein­mal war er ver­schwun­den.«
    San­der­son er­kun­dig­te sich: »Ha­ben Sie die­se Ges­ten be­ob­ach­tet?«
    »Na­tür­lich«, ant­wor­te­te Clay­ton nach­denk­lich. »Es war al­les sehr selt­sam. Wir bei­de al­lein in dem lee­ren Haus, ich und die­ser schwäch­li­che Geist. Al­les still, kein Laut au­ßer un­se­ren Stim­men und dem schwa­chen Keu­chen, das er bei sei­nen Übun­gen aus­stieß. Nur zwei Ker­zen brann­ten in mei­nem Zim­mer, die ab und zu ge­spens­tisch auf­fla­cker­ten. Ei­ne phan­tas­ti­sche Si­tua­ti­on! ›Ich schaf­fe es nicht‹, jam­mer­te er im­mer wie­der. ›Ich schaf­fe es ein­fach nicht!‹ Und plötz­lich sank er auf den klei­nen Stuhl am Fußen­de des Bet­tes und schluchz­te und schluchz­te. Ein jäm­mer­li­ches Häuf­chen Elend.
    ›Neh­men Sie sich zu­sam­men!‹ sag­te ich und ver­such­te ihm auf den Rücken zu klop­fen – wo­bei mei­ne Hand na­tür­lich ins Lee­re griff. Zu die­sem Zeit­punkt war ich nicht mehr ganz so kalt­blü­tig wie vor­her auf dem Trep­pen­ab­satz. Die haar­sträu­ben­de Si­tua­ti­on be­gann mich doch et­was ner­vös

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