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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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recht, und ihr al­le habt un­recht. Ich wer­de hin­über­ge­hen. Ich wer­de die Ges­ten rich­tig ma­chen, und bei der letz­ten Be­we­gung – husch – wird der Ka­min­tep­pich leer sein. Ihr al­le wer­det Mund und Au­gen auf­rei­ßen – und ein se­ri­ös ge­klei­de­ter Herr von hun­dert­sieb­zig Pfund wird in die Welt der Schat­ten hin­ein­plat­zen. Ich bin ganz si­cher. Sie wer­den se­hen. Hö­ren wir auf, dar­über zu strei­ten. Tre­ten wir lie­ber den Be­weis an.«
    »Nein«, sag­te Wish und trat einen Schritt vor.
    Aber Clay­ton hob die Hän­de und be­gann die Ges­ten des Geis­tes zu wie­der­ho­len.
    Zu die­sem Zeit­punkt hat­ten wir uns al­le in einen Zu­stand äu­ßers­ter Ner­ven­span­nung hin­ein­ge­stei­gert. Ich glau­be, dar­an war in ers­ter Li­nie Wis­hs Ver­hal­ten schuld. Wir al­le hat­ten die Bli­cke auf Clay­ton ge­rich­tet. Ich zu­min­dest saß stock­steif da und hat­te das Ge­fühl, als ob mein Rücken vom Kopf bis zu den Hüf­ten ver­eis­te.
    Und vor dem Ka­min stand Clay­ton und voll­führ­te sei­ne Be­we­gun­gen mit erns­ter Fei­er­lich­keit und zu­gleich mit un­er­schüt­ter­li­cher Ge­las­sen­heit. Er beug­te und dreh­te sei­nen Kör­per, schwang die Ar­me und be­weg­te die Hän­de. Je nä­her er dem En­de kam, de­sto atem­lo­ser wur­de die Span­nung im Raum.
    Die letz­te Ges­te be­stand, wie ge­sagt, dar­in, die Ar­me weit aus­zu­brei­ten und dann so da­zu­ste­hen, mit auf­wärts ge­wand­tem Ge­sicht. Als er schließ­lich zu die­ser Po­se kam, stock­te mir der Atem. Es war lä­cher­lich, ge­wiß – aber wer kann sich schon die­sem ge­wis­sen Gru­seln ver­schlie­ßen, das einen bei Ge­spens­ter­ge­schich­ten über­fällt. Es war spätabends, in ei­nem al­ten, un­heim­li­chen Haus. Wür­de er wirk­lich …?
    Einen end­lo­sen Au­gen­blick lang stand er so da, die Ar­me weit aus­ge­brei­tet, den Blick nach oben ge­rich­tet, hei­ter und ge­las­sen, im Licht­schein der Hän­ge­lam­pe. Der Au­gen­blick schi­en uns ei­ne Ewig­keit zu dau­ern.
    Und dann kam von uns al­len so et­was wie ein stum­mer Seuf­zer gren­zen­lo­ser Er­leich­te­rung. Denn kör­per­lich war er nicht fort. Es war al­les Un­sinn. Er hat­te uns ei­ne Lü­gen­ge­schich­te auf­ge­bun­den, auf die wir bei­na­he her­ein­ge­fal­len wä­ren – das war al­les.
    In die­sem Au­gen­blick ver­än­der­te sich Clay­tons Ge­sicht mit ei­nem Schlag. Es ver­än­der­te sich so wie ein er­leuch­te­tes Haus, in dem plötz­lich al­le Lich­ter aus­ge­hen. Sein Blick wur­de starr, das Lä­cheln ge­fror auf sei­nen Lip­pen. Er stand still. Und dann be­gann er kaum merk­lich zu schwan­ken.
    Auch die­ser Au­gen­blick war ei­ne Ewig­keit.
    Plötz­lich pol­ter­ten Stüh­le, scharr­ten Schrit­te – wir al­le wa­ren auf­ge­sprun­gen und stürz­ten vor. Sei­ne Knie schie­nen nach­zu­ge­ben, er fiel vorn­über, und Evans konn­te ihn ge­ra­de noch in sei­nen Ar­men auf­fan­gen.
    Es traf uns al­le wie ein Blitz­strahl. Ei­ne Mi­nu­te lang brach­te kei­ner von uns ein Wort her­vor. Wir glaub­ten es und konn­ten es doch nicht glau­ben …
    Als ich aus mei­ner schlot­tern­den Be­täu­bung zu mir kam, lag ich auf den Kni­en ne­ben ihm. Sein Hemd war auf­ge­ris­sen, und San­der­sons Hand lag auf sei­ner Brust …
    Wir konn­ten es lan­ge nicht fas­sen, was ge­sche­hen war. Aber das hat­te auch kei­ne Ei­le. Der Be­weis lag vor uns, grau­en­haft still und un­über­seh­bar. So blieb er noch ei­ne Stun­de lie­gen.
    Clay­ton war wirk­lich in je­ne Welt hin­über­ge­gan­gen, die der un­se­ren so fern und doch so nah ist. Er war den ein­zi­gen Weg ge­gan­gen, der dem Sterb­li­chen of­fen ist. Ob wirk­lich die Ges­ten und Be­we­gun­gen, die der ar­me Geist ihm ge­zeigt hat­te, die­se Wir­kung aus­lös­ten – oder ob er (wie es im Po­li­zei­be­richt hieß) mit­ten im Ge­schich­ten­er­zah­len von ei­nem Schlag­an­fall ge­trof­fen wor­den war –, wer will das ent­schei­den? Es war ei­nes je­ner un­er­klär­li­chen Rät­sel, de­ren Lö­sung wir erst am En­de al­ler Ta­ge ken­nen wer­den.
    Ich weiß nur ei­nes: daß er in dem­sel­ben Au­gen­blick, in dem er die­se ganz be­stimm­te Ges­te

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