18 Gänsehaut Stories
zu machen. Ich erinnere mich, daß ich über diesen Griff ins Leere heftig erschrak und zurückzuckte. ›Nehmen Sie sich zusammen!‹ wiederholte ich. ›Versuchen Sie weiter!‹ Und um ihn anzuspornen, begann ich sogar mitzumachen.«
»Was!« rief Sanderson. »Seine Gesten?«
»Ja.«
»Aber …« Ich beugte mich vor.
»Das ist interessant«, sagte Sanderson, einen Finger im Pfeifenkopf. »Wollen Sie behaupten, daß er Ihnen alles …«
»… daß er mir das Geheimnis preisgegeben hat? Ja.«
»Unmöglich!« rief Wish. »Sonst wären Sie ja auch hinübergegangen!«
»Genau!« rief ich eifrig.
»Genau«, murmelte Clayton gedankenvoll.
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann fragte Sanderson:
»Und wie ging die Sache aus?«
»Schließlich glückte es ihm. Ich mußte ihm immer wieder zureden und ihn anspornen, aber schließlich glückte es ihm doch. Und zwar ganz plötzlich. Er wollte wieder einmal aufgeben, wir hatten eine heftige Szene. Und dann stand er plötzlich auf und bat mich, die ganze Sache noch einmal mit ihm durchzumachen. Er sagte: ›Wenn ich es bei Ihnen sehe, komme ich vielleicht dahinter, was ich falsch mache.‹ Also machten wir alles noch einmal gemeinsam durch. Auf einmal sagte er: ›Jetzt weiß ich’s.‹ Aber nun hatte er plötzlich Hemmungen und behauptete, er könnte es nicht zu Ende führen, wenn ich ihn dabei ansähe. Ich sollte mich umdrehen. ›Ich bin nun einmal nervös und sensibel‹, erklärte er. ›Sie irritieren mich.‹ Wir stritten eine Weile herum, und schließlich hatte ich es satt. ›Also schön‹, sagte ich. ›Ich sehe nicht hin.‹ Ich drehte ihm den Rücken zu – aber ich konnte ihn im Spiegel neben meinem Bett sehen.
Er begann sofort und haspelte seine Übungen in schnellem Tempo ab. Ich beobachtete ihn im Spiegel, denn ich war natürlich gespannt zu sehen, was er bisher falsch gemacht hatte. Er schwang die Arme herum, ungefähr so und so und so, und dann fiel er ruckartig in die letzte Pose – so: Man steht hochaufgerichtet, die Arme weit ausgebreitet. So stand er also da. Und auf einmal stand er eben nicht mehr da. Er war weg! Ich wirbelte auf dem Absatz herum. Nichts! Weg! Ich war allein mit den heftig flackernden Kerzen und meiner grenzenlosen Verwirrung. Was war geschehen? War überhaupt etwas geschehen? Hatte ich geträumt? Im selben Augenblick schlug die Uhr im Treppenhaus mit dröhnendem Schlag die erste Stunde. Mir war ganz schwach in den Knien, das können Sie mir glauben. Ich war nüchtern wie ein Staatsanwalt, der Sekt und der Whisky waren verflogen, und mir war ganz sonderbar zumute – ganz sonderbar – du liebe Zeit!«
Er betrachtete die Asche an seiner Zigarre.
»Das ist alles«, sagte er schließlich.
»Und dann sind Sie zu Bett gegangen?« fragte Evans.
»Was blieb mir andres übrig?«
Wish und ich wechselten einen Blick. Wir wollten witzeln, aber irgend etwas (vielleicht etwas in Claytons Stimme oder Haltung) hemmte uns.
»Und diese Gesten?« erkundigte sich Sanderson.
»Ich glaube, ich könnte sie jetzt machen.«
»So?« Sanderson brachte ein Taschenmesser zum Vorschein und begann in seiner Pfeife zu stochern. »Warum versuchen Sie es dann nicht gleich jetzt?« schlug er vor und klappte das Taschenmesser zusammen.
»Gut«, antwortete Clayton.
»Das klappt ja doch nicht«, meinte Evans.
»Aber wenn es klappt, dann …«, gab ich zu bedenken.
Wish streckte seine langen Beine aus.
»Ich bin dagegen«, sagte er.
»Warum?« fragte Evans.
»Ich bin dagegen, daß er es versucht.«
»Er kriegt es ja doch nicht fertig«, sagte Sanderson und stopfte zuviel Tabak in seine Pfeife.
»Trotzdem bin ich dagegen«, wiederholte Wish.
Wir widersprachen Wish. Er sagte, wenn Clayton diese Gesten wiederholte, so käme ihm das vor, als machte man sich über etwas
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