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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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um­dreh­te und hin­zu­füg­te: »Und das nächs­te­mal, wenn dir die Welt über dem Kopf zu­sam­men­fällt, dann komm nach Hau­se, oder ruf mich an, oder schick mir ein Te­le­gramm, ja?«
    »Ach, Lie­bes«, seufz­te er, zog sie an sich und be­deck­te ihr blon­des Haar mit zärt­li­chen Küs­sen. »Nie wie­der wer­de ich dich war­ten las­sen. Im­mer wer­de ich so­fort zu dir kom­men und dir al­les er­zäh­len.«
    »Ja, tu das. Da­für sind wir Frau­en näm­lich da.« Sie stieß ihn von sich und mach­te ein erns­tes Ge­sicht. »Kei­nen Un­sinn jetzt! Erst wird ge­ges­sen, spä­ter kannst du dich dann an mei­ner Brust aus­wei­nen.«
    Bob lach­te und be­gann nach dem Büch­sen­öff­ner zu su­chen.
    Am nächs­ten Mor­gen schmerz­te der Zahn wie nie zu­vor, und auch in der nächs­ten Nach­bar­schaft schi­en nicht al­les in bes­ter Ord­nung zu sein. Va­le­rie war eben­falls wach ge­wor­den, und sie frag­te gleich, wie es sei­nem Zahn ging. Tap­fer be­log er sie und igno­rier­te die fürch­ter­li­chen Schmer­zen, als er den eis­ge­kühl­ten Frucht­saft zum Früh­stück trank. Als er sich ver­ab­schie­de­te und sich auf den Weg ins Bü­ro mach­te, sah er noch lan­ge ihr lie­bes Lä­cheln vor sich, mit dem sie Ab­schied von ihm ge­nom­men hat­te. Es trös­te­te ihn über den Schmerz hin­weg.
    Im Bü­ro nahm er sich als ers­tes das Bran­chen­ver­zeich­nis vor und sah nach, wel­che Zahn­ärz­te in der Um­ge­bung ih­ren Be­ruf aus­üb­ten. Er schrieb sich ei­ni­ge in sein No­tiz­buch und über­leg­te, daß es wohl recht dumm aus­sä­he, heu­te wie­der Ur­laub zu neh­men. Er be­schloß, sei­ne Mit­tags­stun­de zu op­fern. Im üb­ri­gen war er um die Hüf­te her­um dick ge­nug, sich einen Hun­ger­tag leis­ten zu kön­nen.
    Als er spä­ter dann kurz nach ein Uhr in sein Bü­ro zu­rück­kehr­te, war sein Ge­sicht grau­er als je zu­vor. Zum Glück fiel das nie­mand auf. Zwei Den­tis­ten hat­te er auf­su­chen kön­nen, und al­le bei­de hat­ten ge­nau das zu ihm ge­sagt, was auch Dr. Hau­fen ge­sagt hat­te. Sei­ne Zäh­ne wa­ren al­ters­schwach und er­le­digt. Es wa­ren die Zäh­ne ei­nes al­ten Man­nes, ob­wohl er ge­ra­de erst sechs­und­drei­ßig war.
    Das ist ja völ­li­ger Blöd­sinn, dach­te er ver­zwei­felt und wü­tend. Es ist ver­rückt, und ich kann Va­le­rie das auf kei­nen Fall sa­gen. Kein Mann kann sei­ner jun­gen Frau sa­gen, daß er plötz­lich se­nil und krank wird.
    Ver­geb­lich such­te er in sei­nen Ta­schen nach Zi­ga­ret­ten, dann stand er auf und ging durchs Haupt­bü­ro, mit­ten durch die lan­gen Tisch­rei­hen mit eif­rig ar­bei­ten­den An­ge­stell­ten, bis er die Vor­hal­le er­reich­te, wo ein Au­to­mat hing. Die not­wen­di­ge Mün­ze hat­te er be­reits ge­fun­den und schob sie in den Schlitz. Er zog sei­ne Lieb­lings­mar­ke, aber erst als er das Päck­chen ge­öff­net und die ers­te Zi­ga­ret­te ent­zün­det hat­te, sah er rein zu­fäl­lig in den Spie­gel, der einen Teil der Front­ver­klei­dung des Au­to­ma­ten aus­mach­te.
    Die Zi­ga­ret­te ent­glitt sei­nen Fin­gern und fiel auf den Bo­den. Es dau­er­te fast ei­ne vol­le Mi­nu­te, bis er es be­merk­te und sie mit den Fuß­spit­zen aus­trat. Un­gläu­big lehn­te er sich dann wei­ter vor und starr­te auf sein Spie­gel­bild.
    An der Be­leuch­tung lag es nicht, denn es war so hell in dem Vor­raum, daß für Schat­ten kein Platz war. Das Licht der Ne­on­röh­ren war kalt und grell. Was Bob sah, war die Wirk­lich­keit und kei­ne Täu­schung.
    Heu­te früh noch war sein Haar über der Stirn und an den Schlä­fen dicht und braun ge­we­sen, jetzt war es mit sil­ber­nen Fä­den durch­zo­gen. Win­zi­ge Fält­chen un­ter sei­nen Au­gen ga­ben sei­ner Haut das Aus­se­hen ro­sa­far­be­nen Krepp­a­piers.
    Er konn­te nicht zu sei­nem Ar­beits­platz zu­rück jetzt. Er hät­te durch das Haupt­bü­ro ge­hen müs­sen, und dies­mal wä­re si­cher­lich je­dem die Ver­än­de­rung auf­ge­fal­len, die mit ihm ge­sche­hen war.
    Bob dreh­te sich um und ver­ließ die Vor­hal­le durch die an­de­re Tür. Oh­ne wei­ter zu über­le­gen, stieg er in den Lift und ließ sich nach un­ten brin­gen. Drau­ßen auf der Stra­ße fror er plötz­lich.

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