18 Gänsehaut Stories
umdrehte und hinzufügte: »Und das nächstemal, wenn dir die Welt über dem Kopf zusammenfällt, dann komm nach Hause, oder ruf mich an, oder schick mir ein Telegramm, ja?«
»Ach, Liebes«, seufzte er, zog sie an sich und bedeckte ihr blondes Haar mit zärtlichen Küssen. »Nie wieder werde ich dich warten lassen. Immer werde ich sofort zu dir kommen und dir alles erzählen.«
»Ja, tu das. Dafür sind wir Frauen nämlich da.« Sie stieß ihn von sich und machte ein ernstes Gesicht. »Keinen Unsinn jetzt! Erst wird gegessen, später kannst du dich dann an meiner Brust ausweinen.«
Bob lachte und begann nach dem Büchsenöffner zu suchen.
Am nächsten Morgen schmerzte der Zahn wie nie zuvor, und auch in der nächsten Nachbarschaft schien nicht alles in bester Ordnung zu sein. Valerie war ebenfalls wach geworden, und sie fragte gleich, wie es seinem Zahn ging. Tapfer belog er sie und ignorierte die fürchterlichen Schmerzen, als er den eisgekühlten Fruchtsaft zum Frühstück trank. Als er sich verabschiedete und sich auf den Weg ins Büro machte, sah er noch lange ihr liebes Lächeln vor sich, mit dem sie Abschied von ihm genommen hatte. Es tröstete ihn über den Schmerz hinweg.
Im Büro nahm er sich als erstes das Branchenverzeichnis vor und sah nach, welche Zahnärzte in der Umgebung ihren Beruf ausübten. Er schrieb sich einige in sein Notizbuch und überlegte, daß es wohl recht dumm aussähe, heute wieder Urlaub zu nehmen. Er beschloß, seine Mittagsstunde zu opfern. Im übrigen war er um die Hüfte herum dick genug, sich einen Hungertag leisten zu können.
Als er später dann kurz nach ein Uhr in sein Büro zurückkehrte, war sein Gesicht grauer als je zuvor. Zum Glück fiel das niemand auf. Zwei Dentisten hatte er aufsuchen können, und alle beide hatten genau das zu ihm gesagt, was auch Dr. Haufen gesagt hatte. Seine Zähne waren altersschwach und erledigt. Es waren die Zähne eines alten Mannes, obwohl er gerade erst sechsunddreißig war.
Das ist ja völliger Blödsinn, dachte er verzweifelt und wütend. Es ist verrückt, und ich kann Valerie das auf keinen Fall sagen. Kein Mann kann seiner jungen Frau sagen, daß er plötzlich senil und krank wird.
Vergeblich suchte er in seinen Taschen nach Zigaretten, dann stand er auf und ging durchs Hauptbüro, mitten durch die langen Tischreihen mit eifrig arbeitenden Angestellten, bis er die Vorhalle erreichte, wo ein Automat hing. Die notwendige Münze hatte er bereits gefunden und schob sie in den Schlitz. Er zog seine Lieblingsmarke, aber erst als er das Päckchen geöffnet und die erste Zigarette entzündet hatte, sah er rein zufällig in den Spiegel, der einen Teil der Frontverkleidung des Automaten ausmachte.
Die Zigarette entglitt seinen Fingern und fiel auf den Boden. Es dauerte fast eine volle Minute, bis er es bemerkte und sie mit den Fußspitzen austrat. Ungläubig lehnte er sich dann weiter vor und starrte auf sein Spiegelbild.
An der Beleuchtung lag es nicht, denn es war so hell in dem Vorraum, daß für Schatten kein Platz war. Das Licht der Neonröhren war kalt und grell. Was Bob sah, war die Wirklichkeit und keine Täuschung.
Heute früh noch war sein Haar über der Stirn und an den Schläfen dicht und braun gewesen, jetzt war es mit silbernen Fäden durchzogen. Winzige Fältchen unter seinen Augen gaben seiner Haut das Aussehen rosafarbenen Kreppapiers.
Er konnte nicht zu seinem Arbeitsplatz zurück jetzt. Er hätte durch das Hauptbüro gehen müssen, und diesmal wäre sicherlich jedem die Veränderung aufgefallen, die mit ihm geschehen war.
Bob drehte sich um und verließ die Vorhalle durch die andere Tür. Ohne weiter zu überlegen, stieg er in den Lift und ließ sich nach unten bringen. Draußen auf der Straße fror er plötzlich.
Weitere Kostenlose Bücher