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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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den Hö­rer ab. Dann erst ließ er die Ga­bel Mil­li­me­ter für Mil­li­me­ter los.
    Es summ­te ent­fernt. Dann ein Knacken und die Stim­me ei­nes Man­nes: »Hal­lo.«
    »Mar­ty«, sag­te die ru­hi­ge Stim­me sei­ner Frau. »Hier ist Val.«
    »Val?« er­wi­der­te der Mann. »Val Mor­ri­son?«
    Bob fühl­te einen Stich in der Herz­ge­gend. Mor­ri­son war Va­le­ries bei­na­he ver­ges­se­ner Mäd­chen­na­me. Plötz­lich stand Schweiß auf sei­ner Stirn, und er be­deck­te das Mund­stück des Hö­rers mit der Hand. Atem­los lausch­te er.
    »Du hast mich doch wohl nicht für tot ge­hal­ten?« lach­te Va­le­rie.
    »Du warst so schnell von der Par­ty ver­schwun­den da­mals …«
    Par­ty? Da­mals? Bob dach­te nach, und ihm fiel ein, daß er in der ver­gan­ge­nen Wo­che ge­schäft­lich un­ter­wegs ge­we­sen war. Er hat­te aus­wärts ge­schla­fen und spät am Abend Val an­ge­ru­fen. Nie­mand hat­te sich ge­mel­det. Am an­de­ren Tag hat­te sie ihm er­klärt, sie hät­te ei­ne Schlaf­ta­blet­te ge­nom­men und das Te­le­fon nicht ge­hört. Es war die ein­zi­ge Nacht, in der sie nicht zu Hau­se ge­we­sen sein konn­te. We­nigs­tens nahm er das an. Er lausch­te wei­ter auf die Stim­men.
    Die Wor­te ka­men ihm ver­traut vor. So et­wa hat­te er mit Val ge­spro­chen, be­vor sie ver­hei­ra­tet wa­ren. Aus sei­nem Un­ter­be­wußt­sein stie­gen Er­in­ne­run­gen hoch, die plötz­lich einen Sinn be­ka­men. Wie oft hat­te sie Ver­ab­re­dun­gen nicht ein­ge­hal­ten oder war ein­fach da­von­ge­lau­fen? Nie hat­te er et­was über ih­re Ver­gan­gen­heit er­fah­ren, sie war al­len sol­chen Fra­gen aus­ge­wi­chen oder hat­te ge­schwie­gen. Auch die­ser Mar­ty wuß­te nichts von ihr, kann­te ih­re Adres­se nicht und hat­te kei­ne Ah­nung da­von, daß sie ver­hei­ra­tet war.
    Hat­ten die­se Sinn­lo­sig­kei­ten doch einen Sinn? Bob run­zel­te die Stirn. Wel­chen Sinn wohl? Was steck­te da­hin­ter? Was soll­te das al­les be­deu­ten?
    Es fiel Bob schwer, einen ver­nünf­ti­gen Ge­dan­ken zu fas­sen. Er hat­te plötz­lich Angst, ganz schreck­li­che Angst. Am liebs­ten wä­re er ein­fach da­von­ge­lau­fen, weg von Va­le­rie, die ihm un­heim­lich ge­wor­den war, oh­ne daß er hät­te sa­gen kön­nen, warum. Sie war jung und schön und le­bens­froh. Und er muß­te weg von ihr, so­lan­ge er noch den­ken konn­te.
    Sei­ne Hand zit­ter­te, als er den Hö­rer vom Ohr weg­nahm, aber er wag­te es nicht, ihn auf die Ga­bel zu le­gen. Das Ge­räusch konn­te ihn ver­ra­ten. Er leg­te ihn un­ter das Kopf­kis­sen und glitt vor­sich­tig aus dem Bett. Sei­ne Bei­ne schmerz­ten, und er hum­pel­te bis zum Stuhl, auf dem sei­ne Klei­der la­gen.
    Er muß­te den Gür­tel en­ger schnal­len, und der Kra­gen war viel zu weit ge­wor­den. Er­zog den Kno­ten des Bin­ders so fest an, bis das Hemd saß. Das Haar fiel ihm in die Stirn, und im Mond­licht konn­te Bob er­ken­nen, daß es schnee­weiß ge­wor­den war. Die Hand, mit der er es zu­rück­strich, war alt und ner­vig; blaue Adern durch­zo­gen ih­ren Rücken. Er konn­te sich nicht mehr bücken, um die Schnür­rie­men der Schu­he zu rich­ten. Ihm war plötz­lich übel.
    Er at­me­te schwer, und plötz­lich fiel ihm auf, daß sei­ne Sicht sich trüb­te. Das Au­gen­licht ließ ra­pi­de nach. Nur mit Mü­he fand er die Tür und hielt sich am Griff fest, bis der Schwin­del­an­fall vor­über war. Vor­sich­tig öff­ne­te er dann die Tür und stol­per­te ins Wohn­zim­mer. Sein ers­ter Blick galt der Ve­ran­da. Wie ge­bannt blieb er ste­hen. Die Furcht sprang ihn an wie ein wil­des Tier.
    Ge­gen das Mond­licht zeich­ne­te sich die Sil­hou­et­te Va­le­ries deut­lich ab. Sie stand in der ge­öff­ne­ten Tür, das Ge­sicht dun­kel und nicht zu er­ken­nen; um ih­ren Kopf er­strahl­te die gol­de­ne Au­reo­le des Haa­res. Sie sah aus wie ei­ne an­ti­ke Ra­che­göt­tin.
    »Na­nu, Bob«, sag­te sie und kam lang­sam auf ihn zu. »Fühlst du dich wie­der bes­ser?«
    »Ja – das heißt nein, mir ist schwin­de­lig.« Pa­nik er­griff ihn. »Ich woll­te nur fri­sche Luft schöp­fen, viel­leicht ein Spa­zier­gang.« Sei­ne Stim­me klang brü­chig. Es war nicht mehr die Stim­me, mit der Bob ges­tern noch

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