18 Gänsehaut Stories
verstand Jane nicht. Zweifellos versuchte er, den Besucher zu beruhigen, aber es gelang ihm nicht. Die Stimmen schwollen schließlich beide an, die Männer erregten sich, und nach ein paar undefinierbaren Geräuschen vernahm Jane, der der Atem stockte, einen dumpfen Fall. Verzweifelt versuchte sie sich zu befreien, aber ihre Arme waren einzeln mit Gurten festgeschnürt, die Beine, weit gespreizt, desgleichen. Unmöglich, aufzustehen und Bruce zu Hilfe zu kommen.
In der nächsten Sekunde sprang krachend die Tür auf, und Jane schrie wider Willen laut auf: In der Tür stand Bru ce, leichenblaß und mit erhobenen Händen, und hinter ihm tauchte ein untersetzter, bärtiger Mann auf, der Bruce nun mit einer Pistole zwang, in dem Stuhl hinter dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Ohne Jane mehr als einen flüchtigen Blick zu schenken – er hielt sie wohl für eine Patientin – machte der Fremde sich auf die Suche nach Schnüren und Gürteln und fesselte Atkinson an seinen Schreibtischsessel, an die Rücken- und die Seitenlehne und die Beine, so daß der Arzt gerade noch die Finger und den Kopf bewegen konnte.
Nun erst wandte sich der Besucher Jane zu, verbeugte sich knapp und sagte:
»Doktor Bostic. Ich bin Arzt wie Atkinson, Sie brauchen sich nicht zu genieren, und Doktor Atkinson wird seine Behandlung gleich fortsetzen. Er muß mir nur schnell ein Dokument unterschreiben.« Dabei ließ er einen zerstreuten Blick über die nackte Jane gleiten, sah Atkinson verwundert an und sagte: »Abszeß am Scheideneingang … Seit wann arbeiten Sie als Gynäkologe, Atkinson? Wohl nur bei so hübschen Frauen?«
»Lassen Sie den Unsinn, Bostic«, antwortete Atkinson mit belegter Stimme, »die Dame ist keine Patientin, sie ist meine Frau, darum mache ich den harmlosen Eingriff selbst!«
Bostic hob den Kopf. Er sah aus, als erwache er aus einer Trance, aus einer Fixierung. In seinen Augen begann es zu flackern, als er rief:
»Ihre Frau? Also die frühere Lady Jane Hulme, die liebenswürdige Schädelspenderin? Das ändert natürlich die Sachlage. Mylady werden gestatten müssen, daß ich mich auch bei Ihnen für jenen Zwischenfall bedanke, der meine Laufbahn ruinierte!«
Bei diesen Worten trat Bostic auf Jane zu, schob ihr ein Kissen unter den Kopf und einen Wattebausch in den Mund und verklebte die vollen Lippen Janes mit einem breiten Streifen Leukoplast.
»Nun kann ich Sie zwar nicht mehr küssen, zumindest nicht auf den Mund«, sagte er sarkastisch, »aber was Sie mir sonst bieten, Mrs. Atkinson, ist immer noch der Betrachtung wert … Und Sie, lieber Kollege, verhalten sich still, ganz still, wenn Ihnen das Leben Ihrer Frau und Ihr eigenes lieb ist. Sonst verklebe ich Ihnen nicht nur den Mund, sondern auch die Nasenlöcher, und dann möchte ich sehen, was für schöne Zuckungen Sie in ihrem Sessel aufführen.«
»Bostic«, bat Atkinson leise, »ich werde tun, was Sie verlangen. Ich gebe Ihnen mein Wort als Arzt und Akademiker, daß ich morgen meine Demission im Institut einreiche und Sie als meinen Nachfolger vorschlage. Aber lassen Sie Jane aus dem Spiel, sie ist zu jung, sie hat das alles nicht verstanden, ich habe sie überrumpelt in der Sache mit dem Schädel!«
»Daß sie jung ist«, antwortete Bostic genießerisch, »das sehe ich selbst. Sie ist ein schöner, junger Mensch, eine von denen, die das neue Jahrhundert erleben werden, mehr von ihm sehen werden als von diesem stinkenden alten viktorianischen England. Ich hätte auch gern an dem neuen Menschen gearbeitet, an seinem Bild, an seinem Schädel, an der Geographie seines Gehirns, aber der schöne Bruce, Ihr Mann, Verehrte, hat mich daran gehindert, und so will ich denn sehen, ob Sie das Zeug zu jenem neuen Menschen haben,
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