18 Gänsehaut Stories
schnell dahin. Wenn überhaupt, dann mußte ich sofort handeln, ehe das erste Licht des Morgengrauens die Geister der Nacht vertrieb, und vielleicht blieb mir dann gar keine Kraft mehr, noch zu handeln.
»Was«, sagte ich mir, »wird nach weiteren vierundzwanzig Stunden Erschöpfung aus mir geworden sein? Werde ich dann noch die Kraft haben, die Wahl zu treffen, was ich will und was ich nicht will? Nein, noch einmal vierundzwanzig Stunden Entkräftung werde ich wahrscheinlich nicht überleben.«
Dies war es, was für mich den Ausschlag gab. Mit äußerster Vorsicht und auf Zehenspitzen näherte ich mich erneut jener Schlafzimmertür, die ich spaltbreit geöffnet hatte.
Diesmal zögerte ich nicht mehr, sondern überquerte sofort die Schwelle und sah mich um. Es war die Schlafkammer der jüngeren Tochter meiner Wirtin, die nach meiner Schätzung etwa sechzehn Jahre alt war. Wohl aufgrund meiner schrecklichen Erscheinung waren mir die Töchter soweit wie möglich aus dem Weg gegangen, so daß ich mir noch gar kein genaueres Urteil über ihr Alter und ihr Aussehen hatte bilden können.
Ich wußte nur, es war die jüngere, denn sie trug ihr Haar lang, und sie trug es in Locken, die lose über das Kissen fielen, auf welchem sie schlief, während ihre ältere Schwester, wie ich bemerkt hatte, ihr Haar glatt und vom Nacken aus hochgesteckt trug.
Ich stand neben dem Bett und sah auf dieses hübsche Mädchen herab, das in dem ganzen Stolz seiner jungen Schönheit schlummerte. Seine Lippen waren geteilt, als sähe es in seinem Traum irgendein angenehmes Bild, das es selbst im Schlaf noch lächeln ließ. Sie murmelte auch zweimal ein Wort, welches ich für den Namen von irgend jemandem hielt – vielleicht das Idol ihres jungen Herzens –, aber er war zu undeutlich ausgesprochen, als daß ich ihn verstand; und es kümmerte mich auch nicht, was da vielleicht ihr gehütetes Geheimnis war. Ich legte keinen weiteren Wert auf ihre Zuneigung, noch war ich irgendwie eifersüchtig; bald würde sie mich sowieso verabscheuen und abgrundtief hassen.
Einer ihrer zarten, exquisit gerundeten Arme lag auf der Bettdecke; auch ihr alabasterweißer Hals war teilweise meinem Blick ausgesetzt, aber ich empfand keine Liebesleidenschaft – Nahrung war es, was ich wollte.
Ich sprang auf sie drauf. Sie stieß einen gellenden Schrei aus, aber nicht, bevor ich mir einen langen Zug von Lebensblut aus ihrem Hals gesichert hatte. Der genügte mir. Ich spürte, wie er mir wie Feuer durch die Venen rann, und ich fühlte mich sofort gekräftigt. Von diesem Moment an wußte ich, was künftig meine Nahrung sein würde; es war Blut – das Blut von Zarten und Schönen.
Das Haus war sofort alarmiert und aufgeschreckt, aber nicht, bevor ich mich zurück auf mein eigenes Zimmer hatte flüchten können. Ich war nur teilweise angezogen, und jene paar Kleider warf ich ab, stieg in mein Bett und täuschte vor zu schlafen. Und als dann der Gentleman, der gleichfalls im Haus schlief und von dessen Anwesenheit ich bis dahin nichts gewußt hatte, laut an meine Tür klopfte, tat ich so, als würde ich erschreckt erwachen, und rief mit ängstlicher Stimme:
»Was ist? Was ist? Um Gottes willen, sagen Sie mir, steht das Haus in Flammen?«
»Nein, nein – aber stehen Sie auf, Sir, stehen Sie auf. Jemand Fremder ist im Haus. Ich glaube, ein Mordversuch ist gemacht worden, Sir.«
Ich stand auf und öffnete die Tür, so daß er bei dem Licht der Kerze, die er in der Hand hielt, sehen konnte, daß ich mich erst ankleiden mußte; er war selbst nur halb angezogen, unter dem Arm trug er seinen Degen.
»Eine merkwürdige Sache«, sagte er, »aber ich habe ganz deutlich einen Alarmschrei gehört.«
»Ich ebenfalls«, sagte ich, »aber ich glaubte, ich hätte nur geträumt.«
»Hilfe! Hilfe! Hilfe!« schrie die Witwe, die
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