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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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lei­ser Nie­sel­re­gen hat­te in­zwi­schen zu fal­len be­gon­nen, der be­wirk­te, daß die Stra­ßen völ­lig ver­las­sen dala­gen, aber bes­tens ver­traut, wie ich mit der Stadt war, ging ich wei­ter, bis ich in je­nes Vier­tel kam, das haupt­säch­lich von Ju­den be­wohnt wird, von de­nen ich wuß­te, daß sie mein Geld neh­men wür­den, oh­ne mir läs­ti­ge Fra­gen zu stel­len, was ich be­nö­tig­te. Und so ge­sch­ah es auch. Kaum war ei­ne wei­te­re Stun­de ver­gan­gen, da tauch­te ich reich ge­klei­det wie ein Ka­va­lier je­ner Epo­che auf und hat­te dem ge­flis­sent­li­chen Is­rae­li­ten für die Klei­dung kaum mehr als das Vier­fa­che ge­zahlt, was sie in Wirk­lich­keit wert war.
    So stand ich nun mit­ten in Lon­don mit meh­re­ren hun­dert Pfund in der Ta­sche und der schreck­li­chen Un­ge­wiß­heit im Her­zen, wer oder was ich sel­ber war.
    Ich wur­de lang­sam im­mer schwä­cher und schwä­cher; ich fürch­te­te, oh­ne ei­ge­nes Quar­tier bald je­man­dem zum Op­fer zu fal­len, der – wenn er sah, wie ent­kräf­tet ich war – mich trotz des for­mi­da­blen Ra­piers an mei­ner Sei­te um al­les be­rau­ben wür­de, was ich be­saß.
    Mei­ne gan­ze frü­he­re Kar­rie­re ist viel zu lang und wild­be­wegt ge­we­sen, als daß ich von ihr hier auch nur ei­ne kur­ze Schil­de­rung ge­ben könn­te. Al­les, was ich hier be­rich­ten will, ist, wie ich zu der Über­zeu­gung kam, daß ich ein Vam­pir war und das Men­schen­blut die ein­zi­ge mir be­kömm­li­che, mei­ne neue Exis­tenz er­hal­ten­de Nah­rung war.
    Ich ging wei­ter, bis ich in ei­ne Stra­ße kam, wo sehr große, aber un­mo­der­ne und her­un­ter­ge­kom­me­ne Häu­ser stan­den, die sich jetzt zu­meist im Be­sitz von Per­so­nen be­fan­den, die sich ein Ge­wer­be dar­aus mach­ten, ein­zel­ne Apart­ments zu ver­mie­ten; dort hoff­te ich, ei­ne si­che­re Blei­be zu fin­den.
    Da ich kei­ner­lei Schwie­rig­kei­ten über die Miet­be­din­gun­gen mach­te, fand ich auch bald et­was Pas­sen­des; ich wur­de in ei­ne leid­lich hüb­sche Sui­te von Zim­mern in dem Haus ei­ner an­stän­dig aus­se­hen­den Wit­we ge­führt, die zwei jun­ge, blü­hen­de Töch­ter hat­te, die mich, den neu­en Mie­ter, mit al­lem an­de­ren als wohl­ge­fäl­li­gen Bli­cken be­trach­te­ten; mit mei­nem ge­spens­ti­schen, ka­da­ver­haf­ten Aus­se­hen ver­sprach ich ih­nen wohl kaum, ein an­ge­neh­mer Haus­ge­fähr­te zu wer­den.
    Nun, dar­auf war ich vor­be­rei­tet ge­we­sen, denn ich hat­te in­zwi­schen einen Blick in den Spie­gel ge­wor­fen, und der hat­te ge­nügt; ich kann wohl be­haup­ten, nie­mals ist ein schreck­li­che­res Ske­lett, an­ge­tan mit Samt und Sei­de, durch die Stra­ßen der Ci­ty ge­wan­delt.
    Als ich mich auf mein so­eben erst ge­mie­te­tes Zim­mer zu­rück­ge­zo­gen hat­te, fühl­te ich mich so schwach und krank, daß ich kaum noch einen Fuß dem an­de­ren nach­zie­hen konn­te; ver­zwei­felt über­leg­te ich, was ich da­ge­gen tun könn­te, als plötz­lich ein selt­sa­mes Ge­fühl über mich kam, was mir viel­leicht schme­cken wür­de – was, nun was? Blut, ja, rot­schäu­men­des, fri­sches Blut, das gleich Fon­tä­nen aus den Ve­nen ei­nes keu­chen­den Op­fers spru­delt.
    Ei­ne Uhr im Trep­pen­haus schlug ein Uhr nachts. Ich stand von mei­nem Bett auf und horch­te; im Haus war al­les still – still wie in ei­nem Grab.
    Es war ein großes, al­tes, weit­ver­zweig­tes Ge­bäu­de, das zwei­felsoh­ne ein­mal ei­nem rei­chen und be­deu­ten­den Mann sei­ner Zeit ge­hört hat­te. Mein Zim­mer war ei­nes von sechs, die von ei­nem Kor­ri­dor von be­trächt­li­cher Län­ge ab­gin­gen, der quer durch das gan­ze Haus führ­te.
    Auf die­sen Kor­ri­dor schlich ich hin­aus und horch­te er­neut, vol­le zehn Mi­nu­ten lang, aber ich hör­te nicht das lei­ses­te Ge­räusch, au­ßer mei­nem ei­ge­nen ver­hal­te­nen Atem. Das er­kühn­te mich in mei­nem mit je­dem Au­gen­blick noch wach­sen­den Ap­pe­tit auf fri­sches Blut so, daß ich mich zu fra­gen be­gann, aus wes­sen Ve­nen ich mir am bes­ten die­se Stär­kung und Nah­rung ho­len könn­te.
    Aber wie hat­te ich da vor­zu­ge­hen? Wie soll­te ich wis­sen,

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