18 Gänsehaut Stories
leiser Nieselregen hatte inzwischen zu fallen begonnen, der bewirkte, daß die Straßen völlig verlassen dalagen, aber bestens vertraut, wie ich mit der Stadt war, ging ich weiter, bis ich in jenes Viertel kam, das hauptsächlich von Juden bewohnt wird, von denen ich wußte, daß sie mein Geld nehmen würden, ohne mir lästige Fragen zu stellen, was ich benötigte. Und so geschah es auch. Kaum war eine weitere Stunde vergangen, da tauchte ich reich gekleidet wie ein Kavalier jener Epoche auf und hatte dem geflissentlichen Israeliten für die Kleidung kaum mehr als das Vierfache gezahlt, was sie in Wirklichkeit wert war.
So stand ich nun mitten in London mit mehreren hundert Pfund in der Tasche und der schrecklichen Ungewißheit im Herzen, wer oder was ich selber war.
Ich wurde langsam immer schwächer und schwächer; ich fürchtete, ohne eigenes Quartier bald jemandem zum Opfer zu fallen, der – wenn er sah, wie entkräftet ich war – mich trotz des formidablen Rapiers an meiner Seite um alles berauben würde, was ich besaß.
Meine ganze frühere Karriere ist viel zu lang und wildbewegt gewesen, als daß ich von ihr hier auch nur eine kurze Schilderung geben könnte. Alles, was ich hier berichten will, ist, wie ich zu der Überzeugung kam, daß ich ein Vampir war und das Menschenblut die einzige mir bekömmliche, meine neue Existenz erhaltende Nahrung war.
Ich ging weiter, bis ich in eine Straße kam, wo sehr große, aber unmoderne und heruntergekommene Häuser standen, die sich jetzt zumeist im Besitz von Personen befanden, die sich ein Gewerbe daraus machten, einzelne Apartments zu vermieten; dort hoffte ich, eine sichere Bleibe zu finden.
Da ich keinerlei Schwierigkeiten über die Mietbedingungen machte, fand ich auch bald etwas Passendes; ich wurde in eine leidlich hübsche Suite von Zimmern in dem Haus einer anständig aussehenden Witwe geführt, die zwei junge, blühende Töchter hatte, die mich, den neuen Mieter, mit allem anderen als wohlgefälligen Blicken betrachteten; mit meinem gespenstischen, kadaverhaften Aussehen versprach ich ihnen wohl kaum, ein angenehmer Hausgefährte zu werden.
Nun, darauf war ich vorbereitet gewesen, denn ich hatte inzwischen einen Blick in den Spiegel geworfen, und der hatte genügt; ich kann wohl behaupten, niemals ist ein schrecklicheres Skelett, angetan mit Samt und Seide, durch die Straßen der City gewandelt.
Als ich mich auf mein soeben erst gemietetes Zimmer zurückgezogen hatte, fühlte ich mich so schwach und krank, daß ich kaum noch einen Fuß dem anderen nachziehen konnte; verzweifelt überlegte ich, was ich dagegen tun könnte, als plötzlich ein seltsames Gefühl über mich kam, was mir vielleicht schmecken würde – was, nun was? Blut, ja, rotschäumendes, frisches Blut, das gleich Fontänen aus den Venen eines keuchenden Opfers sprudelt.
Eine Uhr im Treppenhaus schlug ein Uhr nachts. Ich stand von meinem Bett auf und horchte; im Haus war alles still – still wie in einem Grab.
Es war ein großes, altes, weitverzweigtes Gebäude, das zweifelsohne einmal einem reichen und bedeutenden Mann seiner Zeit gehört hatte. Mein Zimmer war eines von sechs, die von einem Korridor von beträchtlicher Länge abgingen, der quer durch das ganze Haus führte.
Auf diesen Korridor schlich ich hinaus und horchte erneut, volle zehn Minuten lang, aber ich hörte nicht das leiseste Geräusch, außer meinem eigenen verhaltenen Atem. Das erkühnte mich in meinem mit jedem Augenblick noch wachsenden Appetit auf frisches Blut so, daß ich mich zu fragen begann, aus wessen Venen ich mir am besten diese Stärkung und Nahrung holen könnte.
Aber wie hatte ich da vorzugehen? Wie sollte ich wissen,
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