18 Gänsehaut Stories
war, es nicht ohne Bewunderung betrachten konnte.
»Jock«, sagte sie zu ihm, »ich liebe dich ebensosehr, wie du Tuilzie geliebt hast; alle jungen Mädchen beneiden mich. Sei du auf deiner Hut, denn ich bin eifersüchtig und werde dich sorgsam bewachen.«
Muirlands Küsse unterbrachen ihre Worte; auf den Tag folgte eine neue Nacht, und während jeder Nacht wurde der Bauer durch Spellies glühende Augen seinem Schlummer entrissen; seine Kräfte erlagen dabei.
»Aber, Liebste«, fragte Jock seine Frau, »schläfst du denn nie?«
»Ich, schlafen?«
»Ja, schlafen! Ich glaube, du hast, seit wir verheiratet sind, noch keinen Augenblick geschlafen.«
»In meiner Familie ist es nicht Sitte, zu schlafen.«
Die blauen Augen des jungen Weibes strahlten ein noch glühenderes Licht aus als vorher.
»Sie schläft nicht!« rief der Bauer verzweifelt. »Sie schläft nicht!«
Erschöpft und entsetzt sank er in die Kissen zurück.
»Sie hat keine Augenlider, sie schläft nicht!« wiederholte er.
»Ich werde nicht müde, dich anzusehen«, sagte Spellie, »und ich werde ein wachsames Auge auf dich haben.«
Der arme Muirland! Die schönen Augen seiner Gattin ließen ihm keine Ruhe. Sie glichen ewig funkelnden Gestirnen, die ihn blendeten. Mehr als dreißig Balladen auf Spellies schöne Augen wurden von den Dichtern der Gegend gemacht. Was aber Muirland betraf, so verschwand er eines Tages.
Drei Monate waren verflossen; die Marter, welche der Pächter erduldete, hatte seine Kräfte erschöpft; er glaubte, daß die Feuerblicke seiner Gattin ihn versengten. Mochte er auf das Feld gehen oder zu Hause bleiben oder sich in die Kirche begeben, stets traf ihn der schreckliche Strahl ihrer Augen, und ihr Glanz drang bis in das Innerste seines Wesens, ließ ihn erbeben und erfüllte ihn mit Schauder. Er verwünschte endlich die Sonne und floh den Tag.
Dieselbe Marter, welche die arme Tuilzie erduldet, war nun sein Los geworden; anstatt jener inneren Unruhe, welche ihn während seiner ersten Ehe zum Henker seines jungen Weibes gemacht hatte, und welche von den Männern Eifersucht genannt wird, befand er sich jetzt unter dem physischen und forschenden Einfluß eines Auges, welches sich nimmer schloß; es war das auch Eifersucht, allein eine greifbar gewordene Eifersucht.
Er verließ sein Landgut, ging über das Meer und eilte in die Wälder Nordamerikas, wo schon so mancher seines Volkes einen neuen Wohnsitz gesucht und eine friedliche Hütte gebaut hatte.
Die Savannen des Ohio boten ihm ein sicheres Asyl, wie er glaubte; lieber wollte er als armer Kolonist leben, lieber sich mit grober und kärglicher Nahrung sättigen, als sich unter seinem schottischen Dach von einem eifersüchtigen und stets geöffneten Auge fortwährend quälen zu lassen.
Nachdem er ein Jahr in dieser Einsamkeit zugebracht hatte, segnete er sein Los, fand er doch Ruhe inmitten dieser fruchtbaren Natur. Er unterhielt keinen Briefwechsel mit der Heimat, da er fürchtete, er könnte Nachrichten von seiner Frau erhalten; in seinen Träumen sah er noch bisweilen jenes stets geöffnete Auge, jenes Auge ohne Wimpern, und schrak dann heftig zusammen; allein das war auch alles, was er zu leiden hatte; er überzeugte sich bald, daß das stets wachsame und furchtbare Auge nicht mehr in seiner Nähe war, ihn nicht mehr durch seine unerträgliche Glut versengte.
Die Narraghansetts, der nächste Stamm der Wilden, hatten als Sachem oder Häuptling einen kränklichen Greis namens Massasoit, der sehr friedlich war und dessen Wohlwollen sich Jock Muirland besonders dadurch zu erhalten wußte, daß er ihn bisweilen mit Branntwein bewirtete. Massasoit wurde krank; sein Freund besuchte ihn in seiner
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