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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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war, es nicht oh­ne Be­wun­de­rung be­trach­ten konn­te.
    »Jock«, sag­te sie zu ihm, »ich lie­be dich eben­so­sehr, wie du Tuil­zie ge­liebt hast; al­le jun­gen Mäd­chen be­nei­den mich. Sei du auf dei­ner Hut, denn ich bin ei­fer­süch­tig und wer­de dich sorg­sam be­wa­chen.«
    Muir­lands Küs­se un­ter­bra­chen ih­re Wor­te; auf den Tag folg­te ei­ne neue Nacht, und wäh­rend je­der Nacht wur­de der Bau­er durch Spel­lies glü­hen­de Au­gen sei­nem Schlum­mer ent­ris­sen; sei­ne Kräf­te er­la­gen da­bei.
    »Aber, Liebs­te«, frag­te Jock sei­ne Frau, »schläfst du denn nie?«
    »Ich, schla­fen?«
    »Ja, schla­fen! Ich glau­be, du hast, seit wir ver­hei­ra­tet sind, noch kei­nen Au­gen­blick ge­schla­fen.«
    »In mei­ner Fa­mi­lie ist es nicht Sit­te, zu schla­fen.«
    Die blau­en Au­gen des jun­gen Wei­bes strahl­ten ein noch glü­hen­de­res Licht aus als vor­her.
    »Sie schläft nicht!« rief der Bau­er ver­zwei­felt. »Sie schläft nicht!«
    Er­schöpft und ent­setzt sank er in die Kis­sen zu­rück.
    »Sie hat kei­ne Au­gen­li­der, sie schläft nicht!« wie­der­hol­te er.
    »Ich wer­de nicht mü­de, dich an­zu­se­hen«, sag­te Spel­lie, »und ich wer­de ein wach­sa­mes Au­ge auf dich ha­ben.«
    Der ar­me Muir­land! Die schö­nen Au­gen sei­ner Gat­tin lie­ßen ihm kei­ne Ru­he. Sie gli­chen ewig fun­keln­den Ge­stir­nen, die ihn blen­de­ten. Mehr als drei­ßig Bal­la­den auf Spel­lies schö­ne Au­gen wur­den von den Dich­tern der Ge­gend ge­macht. Was aber Muir­land be­traf, so ver­schwand er ei­nes Ta­ges.
    Drei Mo­na­te wa­ren ver­flos­sen; die Mar­ter, wel­che der Päch­ter er­dul­de­te, hat­te sei­ne Kräf­te er­schöpft; er glaub­te, daß die Feu­er­bli­cke sei­ner Gat­tin ihn ver­seng­ten. Moch­te er auf das Feld ge­hen oder zu Hau­se blei­ben oder sich in die Kir­che be­ge­ben, stets traf ihn der schreck­li­che Strahl ih­rer Au­gen, und ihr Glanz drang bis in das In­ners­te sei­nes We­sens, ließ ihn er­be­ben und er­füll­te ihn mit Schau­der. Er ver­wünsch­te end­lich die Son­ne und floh den Tag.
    Die­sel­be Mar­ter, wel­che die ar­me Tuil­zie er­dul­det, war nun sein Los ge­wor­den; an­statt je­ner in­ne­ren Un­ru­he, wel­che ihn wäh­rend sei­ner ers­ten Ehe zum Hen­ker sei­nes jun­gen Wei­bes ge­macht hat­te, und wel­che von den Män­nern Ei­fer­sucht ge­nannt wird, be­fand er sich jetzt un­ter dem phy­si­schen und for­schen­den Ein­fluß ei­nes Au­ges, wel­ches sich nim­mer schloß; es war das auch Ei­fer­sucht, al­lein ei­ne greif­bar ge­wor­de­ne Ei­fer­sucht.
    Er ver­ließ sein Land­gut, ging über das Meer und eil­te in die Wäl­der Nord­ame­ri­kas, wo schon so man­cher sei­nes Vol­kes einen neu­en Wohn­sitz ge­sucht und ei­ne fried­li­che Hüt­te ge­baut hat­te.
    Die Sa­van­nen des Ohio bo­ten ihm ein si­che­res Asyl, wie er glaub­te; lie­ber woll­te er als ar­mer Ko­lo­nist le­ben, lie­ber sich mit gro­ber und kärg­li­cher Nah­rung sät­ti­gen, als sich un­ter sei­nem schot­ti­schen Dach von ei­nem ei­fer­süch­ti­gen und stets ge­öff­ne­ten Au­ge fort­wäh­rend quä­len zu las­sen.
    Nach­dem er ein Jahr in die­ser Ein­sam­keit zu­ge­bracht hat­te, seg­ne­te er sein Los, fand er doch Ru­he in­mit­ten die­ser frucht­ba­ren Na­tur. Er un­ter­hielt kei­nen Brief­wech­sel mit der Hei­mat, da er fürch­te­te, er könn­te Nach­rich­ten von sei­ner Frau er­hal­ten; in sei­nen Träu­men sah er noch bis­wei­len je­nes stets ge­öff­ne­te Au­ge, je­nes Au­ge oh­ne Wim­pern, und schrak dann hef­tig zu­sam­men; al­lein das war auch al­les, was er zu lei­den hat­te; er über­zeug­te sich bald, daß das stets wach­sa­me und furcht­ba­re Au­ge nicht mehr in sei­ner Nä­he war, ihn nicht mehr durch sei­ne un­er­träg­li­che Glut ver­seng­te.
    Die Nar­rag­han­setts, der nächs­te Stamm der Wil­den, hat­ten als Sa­chem oder Häupt­ling einen kränk­li­chen Greis na­mens Mas­sa­soit, der sehr fried­lich war und des­sen Wohl­wol­len sich Jock Muir­land be­son­ders da­durch zu er­hal­ten wuß­te, daß er ihn bis­wei­len mit Brannt­wein be­wir­te­te. Mas­sa­soit wur­de krank; sein Freund be­such­te ihn in sei­ner

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