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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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sei­ne Zu­flucht nimmt, wenn das Boot nicht ein­mal das fünf­mal gereff­te Se­gel mehr ver­trägt.
    Das be­nach­bar­te Boot, das ei­ne Wei­le nicht sicht­bar ge­we­sen, tauch­te plötz­lich ne­ben Eli­as’ Boot wie­der auf, mit ganz der­sel­ben Ta­ke­la­ge wie die­ses; aber die Mann­schaft dort an Bord woll­te ihm jetzt nicht recht ge­fal­len. Die bei­den, wel­che die Rah hiel­ten und de­ren blei­che Ge­sich­ter er un­ter den Süd­wes­tern er­blick­te, schie­nen ihm bei der selt­sa­men Be­leuch­tung der Schaum­wo­ge mehr Ge­spens­tern als Men­schen zu glei­chen; auch spra­chen sie kein ein­zi­ges Wort.
    Ei­ne Stre­cke ent­fernt er­blick­te er jetzt wie­der auf dem Was­ser den ho­hen Kamm ei­ner Sturz­wel­le, wel­che sich durch die Fins­ter­nis nä­her­te, und er be­rei­te­te sich bei­zei­ten dar­auf vor, sie zu emp­fan­gen. Das Boot wur­de mit dem Ste­ven di­rekt auf die Wel­le ge­legt und das Se­gel so groß wie mög­lich ge­führt, um Schnel­lig­keit ge­nug zu ge­win­nen, daß er die Wel­le durch­schnei­den und wie­der aus ihr her­aus­se­geln könn­te. Her­ein braus­te die Sturz­wel­le, to­send wie ein Was­ser­fall; wie­der la­gen sie einen Au­gen­blick halb ge­ken­tert; aber als die Ge­fahr vor­über war, saß die Frau nicht mehr am Se­gel, und auch An­ton stand nicht mehr da und hielt die Rah – sie wa­ren bei­de über Bord ge­gan­gen.
    Auch dies­mal schi­en es Eli­as, als hör­te er den­sel­ben un­heim­li­chen Ruf in der Luft. Aber da­zwi­schen hör­te er deut­lich sei­ne Frau angst­voll sei­nen Na­men ru­fen. Als er be­griff, daß sie über Bord ge­spült war, sag­te er nur: »In Je­su Na­men!« und schwieg dann. Es war ihm so zu­mu­te, daß er ihr am liebs­ten ge­folgt wä­re, aber er fühl­te zu­gleich, daß es nun galt, den Rest der Last zu ber­gen, die er noch an Bord hat­te, näm­lich Bernt und sei­ne zwei an­de­ren Söh­ne, der ei­ne zwölf, der an­de­re vier­zehn Jah­re alt, die nun im Hin­ters­te­ven hin­ter ihm Platz er­hal­ten hat­ten.
    Bernt muß­te al­lein auf die Rah ach­ten; er und der Va­ter muß­ten sich so gut hel­fen, wie es ge­hen woll­te. Das Steu­er­ru­der wag­te Eli­as nicht los­zu­las­sen, und er hielt es mit ei­ser­ner Hand fest – sie war je­doch längst vor An­stren­gung ge­fühl­los ge­wor­den.
    Ei­ne Wei­le dar­auf tauch­te das an­de­re Boot wie­der auf; es war, wie das ers­te­mal, ei­ne Zeit­lang nicht zu se­hen ge­we­sen. Nun sah Eli­as auch mehr von dem großen Mann, der auf dem­sel­ben Platz wie er selbst im Hin­ters­te­ven saß. Aus sei­nem Rücken un­ter­halb des Süd­wes­ters stand, als er sich um­wand­te, ganz rich­tig ei­ne lan­ge Ei­sen­pi­ke, die Eli­as wie­der­zu­er­ken­nen glaub­te. Da­durch ward ihm zwei­er­lei klar: Ers­tens, daß es nie­mand an­ders war als das See­ge­spenst selbst, das sein Halb­boot dicht ne­ben ihm lenk­te und ihn ins Ver­der­ben ge­führt, und zwei­tens, daß es so be­stimmt war, daß er in die­ser Nacht sei­ne letz­te Fahrt mach­te. Denn der, wel­cher das See­ge­spenst auf dem Mee­re er­blickt, ist ver­lo­ren. Er sag­te nichts zu sei­nen Söh­nen, um ih­nen nicht den Mut zu rau­ben; aber in der Stil­le emp­fahl er Gott sei­ne See­le. Seit ei­ni­gen Stun­den hat­te er den Kurs än­dern müs­sen, um dem Sturm aus­zu­wei­chen; zu­gleich ent­stand nun ein Schnee­ge­stö­ber, und so sah er ein, daß er auf die Lan­dung war­ten müß­te, bis der Tag grau­te. Die Fahrt ging in­des wie bis­her. Von Zeit zu Zeit klag­ten die Kna­ben im Hin­ters­te­ven, daß sie frö­ren, aber da­ge­gen war ja bei der Näs­se nichts zu ma­chen, und Eli­as war zu­dem mit ganz an­de­ren Ge­dan­ken be­schäf­tigt. Es hat­te ihn ein so hei­ßes Ver­lan­gen er­grif­fen, sich zu rä­chen, und er wür­de es auch ge­tan ha­ben, wenn er nicht das Le­ben sei­ner drei üb­ri­gen Kin­der zu ver­ant­wor­ten ge­habt hät­te. Dann wür­de er durch ei­ne plötz­li­che Wen­dung ver­sucht ha­ben, das ver­fluch­te Boot in den Grund zu se­geln, das noch im­mer wie zum Hohn sich ne­ben ihm hielt und des­sen bö­se Ab­sicht er nur all­zu klar durch­schau­te. Konn­te die Flun­der­pi­ke frü­her das Ge­spenst tref­fen, so ließ sich auch wohl

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