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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Le­sen und brau­che kei­ne Bril­le, und so be­gann ich denn. Aber ich hat­te noch kei­ne zwei Sei­ten um­ge­wen­det, als er mich fest bei der Hand nahm und un­ter­brach.
    »Halt, sagt mir zu­erst, was Ihr da lest?«
    Ich muß ge­ste­hen, die­se Fra­ge ver­blüff­te mich ein we­nig.
    »Wie, Fo­ma Gri­gor­je­witsch? Was ich da le­se? Das ist doch Eu­re Ge­schich­te, es sind Eu­re ei­ge­nen Wor­te!«
    »Wer hat Euch das er­zählt, daß das mei­ne Wor­te sind?«
    »Was wollt Ihr denn noch mehr? Da steht’s doch ge­druckt. Er­zählt von dem Küs­ter So­und­so.«
    »Spuckt dem Jun­gen auf den Kopf, der das dar­auf ge­druckt hat! Er lügt, der Sau­kerl! Das soll ich ge­sagt ha­ben? Das ist ja fast so, als hät­te der Sa­tan einen Spar­ren! Hört zu, die muß ich Euch selbst er­zäh­len.
    Wir rück­ten am Ti­sche zu­sam­men und er be­gann.
    Mein Groß­va­ter (Gott hab’ ihn se­lig! Mö­ge er in je­ner Welt nur Wei­zen­brot und Mohn­ku­chen mit Meth zu es­sen be­kom­men!), mein Groß­va­ter ver­stand es wun­der­bar zu er­zäh­len. Wenn der erst ein­mal da­mit an­fing, so moch­te man sich am liebs­ten den gan­zen lie­ben Tag nicht vom Plat­ze rüh­ren und nur im­mer zu­hö­ren. Und er re­de­te nicht et­wa wie ei­ner von den heu­ti­gen Fa­sel­hän­sen; wenn so ei­ner an­fängt, sein Garn her­un­ter zu spin­nen, und da­bei noch mit ei­nem Maul, als hät­te er drei Ta­ge lang nichts zu es­sen ge­kriegt, dann möch­te man am liebs­ten nach der Müt­ze grei­fen und da­von­lau­fen. Ich er­in­ne­re mich noch, wie wenn es heu­te wä­re – mei­ne Mut­ter se­lig war noch am Le­ben –, an die lan­gen Win­ter­aben­de, wenn drau­ßen hef­ti­ges Frost­wet­ter herrsch­te und das schma­le Fens­ter­chen un­se­rer Stu­be dicht mit Schnee ver­kleb­te, wie sie da am Spinn­ro­cken saß, mit der Hand den lan­gen Fa­den zog, mit dem Fuß die Wie­ge schau­kel­te und ein Lied da­zu sang, das ich jetzt noch im Ohr ha­be. Das Lämp­chen be­leuch­te­te zit­ternd und wie im Schreck auf­fla­ckernd die Stu­be. Die Spin­del surr­te; und wir Kin­der hör­ten al­le, zu ei­nem Hau­fen zu­sam­men­ge­drängt, dem Groß­va­ter zu, der vor Al­ter schon über fünf Jah­re nicht mehr hin­term Ofen her­vor­ge­kro­chen war. Aber kei­ner der wun­der­sa­men Be­rich­te aus den al­ten Ta­gen von den Rit­ten der Sa­po­ro­ger, von den Po­len, von den küh­nen Ta­ten des Pod­ko­wa, des Pol­to­ra-Ko­schucha oder des Sa­ga­j­datschny er­grif­fen uns so stark wie die Be­rich­te über ei­ne al­te, son­der­ba­re Be­ge­ben­heit, bei der ei­nem ein Schau­er über den Leib lief und das Haar sich sträub­te. Manch­mal kam ei­ne sol­che Angst über einen, daß man abends Gott weiß was für Un­ge­heu­er zu se­hen mein­te. Hat­test du mal nachts die Stu­be ver­las­sen, um et­was zu be­sor­gen, so glaub­test du si­cher, es ha­be sich ein Fremd­ling aus je­ner Welt in dein Bett ge­legt, um zu schla­fen. Ich will auf der Stel­le ster­ben, wenn ich nicht oft mei­nen eig­nen Kit­tel am Kopf­en­de des Bet­tes für einen zu­sam­men­ge­kau­er­ten Teu­fel hielt. Aber die Haupt­sa­che an den Er­zäh­lun­gen des Groß­va­ters war, daß er sein Leb­tag nie ge­lo­gen hat, und wie er’s sag­te, ge­nau­so war es auch.
    Ei­ne von sei­nen son­der­ba­ren Ge­schich­ten will ich euch jetzt er­zäh­len. Ich weiß wohl, es wer­den sich schon et­li­che Klüg­lin­ge fin­den, die Ge­richts­schrei­ber sind oder gar neu­mo­di­sche Schrif­ten le­sen, wel­che zwar kei­nen Deut ver­ste­hen, wenn man ih­nen ein Stun­den­buch in die Hand drückt, aber da­für um so bes­ser die Zäh­ne zu flet­schen wis­sen. Was man de­nen auch er­zäh­len mag, sie la­chen ja doch. Was hat sich doch jetzt für ein Un­glau­be in der Welt ver­brei­tet! Gott und die un­be­fleck­te Jung­frau mö­gen mir bei­ste­hen – ihr wer­det’s viel­leicht nicht glau­ben: Als ich ein­mal von He­xen sprach – da fand sich doch wahr­haf­tig so ein Spring­ins­feld, der nicht an He­xen glau­ben woll­te! Gott sei Dank, ich le­be schon vie­le Jah­re; ich ha­be schon Men­schen ge­se­hen, die sol­che Hei­den wa­ren, daß es ih­nen leich­ter wur­de, in der Beich­te zu lü­gen, als un­serei­nem, ei­ne Pri­se zu

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