18 Gänsehaut Stories
Lesen und brauche keine Brille, und so begann ich denn. Aber ich hatte noch keine zwei Seiten umgewendet, als er mich fest bei der Hand nahm und unterbrach.
»Halt, sagt mir zuerst, was Ihr da lest?«
Ich muß gestehen, diese Frage verblüffte mich ein wenig.
»Wie, Foma Grigorjewitsch? Was ich da lese? Das ist doch Eure Geschichte, es sind Eure eigenen Worte!«
»Wer hat Euch das erzählt, daß das meine Worte sind?«
»Was wollt Ihr denn noch mehr? Da steht’s doch gedruckt. Erzählt von dem Küster Soundso.«
»Spuckt dem Jungen auf den Kopf, der das darauf gedruckt hat! Er lügt, der Saukerl! Das soll ich gesagt haben? Das ist ja fast so, als hätte der Satan einen Sparren! Hört zu, die muß ich Euch selbst erzählen.
Wir rückten am Tische zusammen und er begann.
Mein Großvater (Gott hab’ ihn selig! Möge er in jener Welt nur Weizenbrot und Mohnkuchen mit Meth zu essen bekommen!), mein Großvater verstand es wunderbar zu erzählen. Wenn der erst einmal damit anfing, so mochte man sich am liebsten den ganzen lieben Tag nicht vom Platze rühren und nur immer zuhören. Und er redete nicht etwa wie einer von den heutigen Faselhänsen; wenn so einer anfängt, sein Garn herunter zu spinnen, und dabei noch mit einem Maul, als hätte er drei Tage lang nichts zu essen gekriegt, dann möchte man am liebsten nach der Mütze greifen und davonlaufen. Ich erinnere mich noch, wie wenn es heute wäre – meine Mutter selig war noch am Leben –, an die langen Winterabende, wenn draußen heftiges Frostwetter herrschte und das schmale Fensterchen unserer Stube dicht mit Schnee verklebte, wie sie da am Spinnrocken saß, mit der Hand den langen Faden zog, mit dem Fuß die Wiege schaukelte und ein Lied dazu sang, das ich jetzt noch im Ohr habe. Das Lämpchen beleuchtete zitternd und wie im Schreck aufflackernd die Stube. Die Spindel surrte; und wir Kinder hörten alle, zu einem Haufen zusammengedrängt, dem Großvater zu, der vor Alter schon über fünf Jahre nicht mehr hinterm Ofen hervorgekrochen war. Aber keiner der wundersamen Berichte aus den alten Tagen von den Ritten der Saporoger, von den Polen, von den kühnen Taten des Podkowa, des Poltora-Koschucha oder des Sagajdatschny ergriffen uns so stark wie die Berichte über eine alte, sonderbare Begebenheit, bei der einem ein Schauer über den Leib lief und das Haar sich sträubte. Manchmal kam eine solche Angst über einen, daß man abends Gott weiß was für Ungeheuer zu sehen meinte. Hattest du mal nachts die Stube verlassen, um etwas zu besorgen, so glaubtest du sicher, es habe sich ein Fremdling aus jener Welt in dein Bett gelegt, um zu schlafen. Ich will auf der Stelle sterben, wenn ich nicht oft meinen eignen Kittel am Kopfende des Bettes für einen zusammengekauerten Teufel hielt. Aber die Hauptsache an den Erzählungen des Großvaters war, daß er sein Lebtag nie gelogen hat, und wie er’s sagte, genauso war es auch.
Eine von seinen sonderbaren Geschichten will ich euch jetzt erzählen. Ich weiß wohl, es werden sich schon etliche Klüglinge finden, die Gerichtsschreiber sind oder gar neumodische Schriften lesen, welche zwar keinen Deut verstehen, wenn man ihnen ein Stundenbuch in die Hand drückt, aber dafür um so besser die Zähne zu fletschen wissen. Was man denen auch erzählen mag, sie lachen ja doch. Was hat sich doch jetzt für ein Unglaube in der Welt verbreitet! Gott und die unbefleckte Jungfrau mögen mir beistehen – ihr werdet’s vielleicht nicht glauben: Als ich einmal von Hexen sprach – da fand sich doch wahrhaftig so ein Springinsfeld, der nicht an Hexen glauben wollte! Gott sei Dank, ich lebe schon viele Jahre; ich habe schon Menschen gesehen, die solche Heiden waren, daß es ihnen leichter wurde, in der Beichte zu lügen, als unsereinem, eine Prise zu
Weitere Kostenlose Bücher