18 Gänsehaut Stories
jetzt mit einem Messer oder einem eisernen Fischhaken dasselbe erreichen, und er fühlte, er würde gern sein Leben hingegeben haben, um den ordentlich zu treffen, der ihm so unbarmherzig das Liebste auf Erden genommen und wohl noch mehr haben wollte.
Als es zwischen drei und vier Uhr nachts war, erblickte Elias wieder in der Dunkelheit eine Schaumbrechung von solcher Höhe, daß er anfangs glaubte, es sei eine Brandung in der Nähe des Landes. Er erkannte jedoch bald, was es war, nämlich eine ungeheure Woge. Da glaubte er deutlich zu hören, wie es in dem anderen Boote lachte, und er vernahm die Worte: »Nun steure dein Großboot, Elias!« Dieser, der das Unglück voraussah, sagte jetzt laut: »Nun, in Jesu Namen!«, bat dann seine Söhne, sich mit aller Macht an den Ruderpflöcken festzuhalten, wenn das Boot untertauchte, und nicht eher loszulassen, als bis sie wieder über Wasser wären. Er ließ den ältern vorn zu Bernt gehen, er selbst behielt den jüngsten dicht neben sich, strich ihm heimlich mehrmals die Wange und vergewisserte sich, ob er sich recht festhielt. Das Boot wurde buchstäblich unter der Schaumwelle begraben, erhob sich jedoch nach und nach mit dem Vordersteven und ging dann unter. Als es mit dem Kiel nach oben wieder an die Oberfläche stieg, lagen Elias, Bernt und der zwölfjährige Martin neben dem Boot und hielten sich an dem Weidenbande fest; aber der dritte Bruder fehlte.
Nun galt es zunächst, die Tauwände an der Seite zu durchschneiden, so daß der Mast an der andern Seite neben dem Boot schwimmen könnte, statt gewaltsam unter demselben zu arbeiten, und dann auf den Kiel zu gelangen, um den Zapfen aus dem Schlüsselloch zu entfernen und die Luft, die das Boot jetzt zu hoch im Wasser hielt, herauszulassen, damit es still liegen könnte. Nach großen Anstrengungen glückte dies, und Elias, der zuerst auf den Kiel gelangte, half nun auch den beiden Söhnen hinauf.
Und dort saßen sie nun in der langen, finsteren Winternacht, mit Händen und Knien sich krampfhaft an den Boden des Bootes festklammernd, über welches eine Welle nach der andern schlug.
Schon nach ein paar Stunden starb Martin, den der Vater die ganze Zeit über nach Möglichkeit gestützt hatte, vor Ermattung und glitt in die See hinunter. Mehrmals hatten sie um Hilfe gerufen, gaben es aber wieder auf, weil sie einsahen, daß es nichts nützen würde.
Während die beiden nun allein auf dem umgeschlagenen Boote saßen, sagte Elias zu Bernt: Er glaube, auch er würde bald »der Mutter folgen«; er habe jedoch die feste Hoffnung, Bernt würde gerettet werden, wenn er nur wie ein Mann aushalte. Dann erzählte er ihm von dem Seegespenst, das er mit der Flunderpike in den Nacken gestoßen und wie dieses sich nun an ihm gerächt habe und wohl nicht nachgeben würde, bis sie quitt seien.
Gegen neun Uhr morgens, als der Tag zu grauen begann, reichte Elias Bernt, der neben ihm saß, seine silberne Uhr mit der Messingkette, die er entzweigerissen hatte, um unter der zugeknöpften Weste die Uhr hervorzuziehen. Er blieb noch eine Weile sitzen; aber als es heller wurde, sah Bernt, daß des Vaters Antlitz totenbleich war und das Haar sich an verschiedenen Stellen geteilt hatte, wie es wohl bei einem Sterbenden zu geschehen pflegt, und durch das Festhalten am Kiel war ihm die Haut von den Händen abgerieben. Der Sohn begriff jetzt, daß es mit dem Vater zu Ende ging, und wollte, wenn’s ihm nur eben möglich sei, zu ihm hinrücken, um ihn zu stützen; aber als Elias dies merkte, sagte er: »Halt dich nur unverzagt fest, Bernt! In Jesu Namen geh’ ich nun zur Mutter!« Und damit warf er sich rücklings von dem Boot ins Meer.
Als die See ihre Beute empfangen hatte, wurde sie, wie jeder weiß, der auf einem solchen umgestürzten Boot gesessen, eine
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