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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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jetzt mit ei­nem Mes­ser oder ei­nem ei­ser­nen Fisch­ha­ken das­sel­be er­rei­chen, und er fühl­te, er wür­de gern sein Le­ben hin­ge­ge­ben ha­ben, um den or­dent­lich zu tref­fen, der ihm so un­barm­her­zig das Liebs­te auf Er­den ge­nom­men und wohl noch mehr ha­ben woll­te.
    Als es zwi­schen drei und vier Uhr nachts war, er­blick­te Eli­as wie­der in der Dun­kel­heit ei­ne Schaum­bre­chung von sol­cher Hö­he, daß er an­fangs glaub­te, es sei ei­ne Bran­dung in der Nä­he des Lan­des. Er er­kann­te je­doch bald, was es war, näm­lich ei­ne un­ge­heu­re Wo­ge. Da glaub­te er deut­lich zu hö­ren, wie es in dem an­de­ren Boo­te lach­te, und er ver­nahm die Wor­te: »Nun steu­re dein Groß­boot, Eli­as!« Die­ser, der das Un­glück vor­aus­sah, sag­te jetzt laut: »Nun, in Je­su Na­men!«, bat dann sei­ne Söh­ne, sich mit al­ler Macht an den Ru­der­pflö­cken fest­zu­hal­ten, wenn das Boot un­ter­tauch­te, und nicht eher los­zu­las­sen, als bis sie wie­der über Was­ser wä­ren. Er ließ den äl­tern vorn zu Bernt ge­hen, er selbst be­hielt den jüngs­ten dicht ne­ben sich, strich ihm heim­lich mehr­mals die Wan­ge und ver­ge­wis­ser­te sich, ob er sich recht fest­hielt. Das Boot wur­de buch­stäb­lich un­ter der Schaum­wel­le be­gra­ben, er­hob sich je­doch nach und nach mit dem Vor­ders­te­ven und ging dann un­ter. Als es mit dem Kiel nach oben wie­der an die Ober­flä­che stieg, la­gen Eli­as, Bernt und der zwölf­jäh­ri­ge Mar­tin ne­ben dem Boot und hiel­ten sich an dem Wei­den­ban­de fest; aber der drit­te Bru­der fehl­te.
    Nun galt es zu­nächst, die Tau­wän­de an der Sei­te zu durch­schnei­den, so daß der Mast an der an­dern Sei­te ne­ben dem Boot schwim­men könn­te, statt ge­walt­sam un­ter dem­sel­ben zu ar­bei­ten, und dann auf den Kiel zu ge­lan­gen, um den Zap­fen aus dem Schlüs­sel­loch zu ent­fer­nen und die Luft, die das Boot jetzt zu hoch im Was­ser hielt, her­aus­zu­las­sen, da­mit es still lie­gen könn­te. Nach großen An­stren­gun­gen glück­te dies, und Eli­as, der zu­erst auf den Kiel ge­lang­te, half nun auch den bei­den Söh­nen hin­auf.
    Und dort sa­ßen sie nun in der lan­gen, fins­te­ren Win­ter­nacht, mit Hän­den und Kni­en sich krampf­haft an den Bo­den des Boo­tes fest­klam­mernd, über wel­ches ei­ne Wel­le nach der an­dern schlug.
    Schon nach ein paar Stun­den starb Mar­tin, den der Va­ter die gan­ze Zeit über nach Mög­lich­keit ge­stützt hat­te, vor Er­mat­tung und glitt in die See hin­un­ter. Mehr­mals hat­ten sie um Hil­fe ge­ru­fen, ga­ben es aber wie­der auf, weil sie ein­sa­hen, daß es nichts nüt­zen wür­de.
    Wäh­rend die bei­den nun al­lein auf dem um­ge­schla­ge­nen Boo­te sa­ßen, sag­te Eli­as zu Bernt: Er glau­be, auch er wür­de bald »der Mut­ter fol­gen«; er ha­be je­doch die fes­te Hoff­nung, Bernt wür­de ge­ret­tet wer­den, wenn er nur wie ein Mann aus­hal­te. Dann er­zähl­te er ihm von dem See­ge­spenst, das er mit der Flun­der­pi­ke in den Nacken ge­sto­ßen und wie die­ses sich nun an ihm ge­rächt ha­be und wohl nicht nach­ge­ben wür­de, bis sie quitt sei­en.
    Ge­gen neun Uhr mor­gens, als der Tag zu grau­en be­gann, reich­te Eli­as Bernt, der ne­ben ihm saß, sei­ne sil­ber­ne Uhr mit der Mes­sing­ket­te, die er ent­zwei­ge­ris­sen hat­te, um un­ter der zu­ge­knöpf­ten Wes­te die Uhr her­vor­zu­zie­hen. Er blieb noch ei­ne Wei­le sit­zen; aber als es hel­ler wur­de, sah Bernt, daß des Va­ters Ant­litz to­ten­bleich war und das Haar sich an ver­schie­de­nen Stel­len ge­teilt hat­te, wie es wohl bei ei­nem Ster­ben­den zu ge­sche­hen pflegt, und durch das Fest­hal­ten am Kiel war ihm die Haut von den Hän­den ab­ge­rie­ben. Der Sohn be­griff jetzt, daß es mit dem Va­ter zu En­de ging, und woll­te, wenn’s ihm nur eben mög­lich sei, zu ihm hin­rücken, um ihn zu stüt­zen; aber als Eli­as dies merk­te, sag­te er: »Halt dich nur un­ver­zagt fest, Bernt! In Je­su Na­men geh’ ich nun zur Mut­ter!« Und da­mit warf er sich rück­lings von dem Boot ins Meer.
    Als die See ih­re Beu­te emp­fan­gen hat­te, wur­de sie, wie je­der weiß, der auf ei­nem sol­chen um­ge­stürz­ten Boot ge­ses­sen, ei­ne

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