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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Das Tuch flog her­un­ter. »Iwasj!« schrie Pi­dor­ka und stürz­te auf ihn zu; doch das Ge­spenst war von Kopf bis zu Fü­ßen mit Blut be­deckt und er­glüh­te in ro­tem Lich­te, das die gan­ze Stu­be in bren­nen­des Rot tauch­te. Vol­ler Angst lief sie auf den Flur; als sie wie­der ein we­nig zu sich ge­kom­men war, woll­te sie ihm hel­fen; aber ver­ge­bens! Die Tür war so fest hin­ter ihr zu­ge­schla­gen, daß man nicht im­stan­de war, sie wie­der zu öff­nen. Die Leu­te lie­fen zu­sam­men, be­gan­nen zu klop­fen, schlu­gen die Tür ein: Kei­ne See­le war da! Die gan­ze Stu­be war voll Rauch, nur in der Mit­te, wo Pe­trusj ge­stan­den hat­te, lag ein Hau­fen Asche, von dem hie und da ein Qualm auf­stieg. Man eil­te zu den Sä­cken, dar­in la­gen statt der Du­ka­ten nur zer­bro­che­ne Scher­ben. Mit glot­zen­den Au­gen, auf­ge­sperr­ten Mäu­lern und oh­ne den Mut, sich zu re­gen, stan­den die Ko­sa­ken wie an­ge­wur­zelt da. In sol­che Angst hat­te sie dies Wun­der ver­setzt.
    Was wei­ter ge­sch­ah, das weiß ich nicht. Pi­dor­ka leg­te das Ge­lüb­de ab, ei­ne Pil­ger­fahrt zu ma­chen; sie such­te ihr Hab und Gut zu­sam­men, das ihr vom Va­ter üb­rig ge­blie­ben war, und war in der Tat ei­ni­ge Ta­ge spä­ter aus dem Dor­fe ver­schwun­den. Wo­hin sie sich be­ge­ben hat­te, das wuß­te nie­mand zu sa­gen. Ge­schwät­zi­ge al­te Wei­ber woll­ten wis­sen, sie sei dort, wo auch Pe­trusj sei; aber ein Ko­sak, der aus Kiew kam, er­zähl­te, er ha­be im Klos­ter ei­ne zum Ske­lett ab­ge­ma­ger­te Non­ne ge­se­hen, die im­mer­wäh­rend be­te­te und in der ih­re Lands­leu­te al­len An­zei­chen nach Pi­dor­ka wie­der­er­kannt hät­ten. Bis jetzt, hieß es, ha­be noch nie­mand von ihr ein ein­zig Wört­lein ge­hört, sie sol­le al­lein zu Fuß ge­kom­men sein und ha­be ei­ne Fas­sung für das Hei­li­gen­bild der Mut­ter Got­tes mit­ge­bracht, ei­ne Fas­sung, die mit sol­chen bun­ten Stei­nen be­setzt ge­we­sen sei, daß al­len die Au­gen flim­mer­ten, wenn sie sie an­sä­hen.
    Mit Ver­laub, aber da­mit war noch nicht al­les zu En­de. An dem­sel­ben Ta­ge, als der Bö­se Pe­trusj zu sich ge­nom­men hat­te, tauch­te auch Bassa­wr­juk wie­der auf; aber al­le mie­den ihn von nun ab. Man wuß­te jetzt, was das für ein Vo­gel war: Nie­mand an­ders als der Sa­tan war’s, der Men­schen­ge­stalt an­ge­nom­men hat­te, um Schät­ze zu he­ben; und da un­rei­ne Hän­de nicht Schät­ze he­ben kön­nen, so lock­te er bra­ve Bur­schen an sich. Noch in dem­sel­ben Jah­re lie­ßen al­le ih­re Lehm­hüt­ten ste­hen und lie­gen und zo­gen ins Kirch­dorf; aber auch dort hat­te man kei­ne Ru­he vor dem ver­fluch­ten Bassa­wr­juk. Die Tan­te mei­nes ver­stor­be­nen Groß­va­ters er­zähl­te, er ha­be ei­ne be­son­de­re Wut auf sie ge­habt, weil sie ih­re al­te Schen­ke auf der Land­stra­ße nach Ofoschnja­ny auf­ge­ge­ben hat­te, und er ha­be mit al­len Mit­teln ver­sucht, sei­nen Zorn an ihr aus­zu­las­sen. Einst wa­ren die Dor­fäl­tes­ten in der Schen­ke bei­ein­an­der; sie sa­ßen und un­ter­hiel­ten sich, wie man so sagt, nach Amt und Wür­den am Tisch, auf des­sen Mit­te ein ge­wiß nicht all­zu klei­ner ge­bra­te­ner Ham­mel stand. Man schwatz­te über dies und je­nes, auch über man­nig­fa­che Wun­der und Un­ge­heu­er­lich­kei­ten. Auf ein­mal schi­en’s, und nicht nur ei­nem – was ja nichts be­deu­ten wür­de –, son­dern al­len, als ob der Ham­mel den Kopf er­hob, die ge­bro­che­nen Au­gen wie le­ben­dig leuch­te­ten, und als ob plötz­lich ein bors­ti­ger schwar­zer Schnurr­bart sich auf die An­we­sen­den zu­be­weg­te. Al­le er­kann­ten in dem Ham­mel­kopf so­fort die Frat­ze Bassa­wr­juks, und die Tan­te mei­nes Groß­va­ters dach­te schon, er wür­de gleich Schnaps be­stel­len! … Die gu­ten Leut­chen grif­fen nach ih­ren Müt­zen und zo­gen ih­res Weges. Ein an­de­res Mal sah der Kir­chen­vor­stand in ei­ge­ner Per­son, der es lieb­te, ab und zu ein Stünd­chen bei Groß­va­ters Schnaps­glas zu ver­brin­gen, noch ehe er zum zwei­ten Ma­le das Glas ge­leert hat­te, auf ein­mal, wie das Glas an­fing, sich ehr­er­bie­tigst vor ihm bis zur

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