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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Mann mit wei­ßen Haa­ren, in den Au­gen Wahn­sinn, ein ge­la­de­nes Ge­wehr schuß­be­reit in der Hand, stand mit­ten in der Kü­che, wäh­rend zwei Bur­schen, mit Äx­ten be­waff­net, die Tür nicht aus den Au­gen lie­ßen.
    Im dämm­ri­gen Kü­chen­win­kel konn­te man zwei Frau­en er­ken­nen, die mit dem Ge­sicht zur Wand auf den Kni­en la­gen.
    Wir stell­ten uns vor. Der Al­te lehn­te sein Ge­wehr an die Wand und ord­ne­te an, daß man mir ein Zim­mer rich­te. Dann, als sich kei­ne der Frau­en rühr­te, sag­te er schroff zu mir: »Wis­sen Sie, mein Herr, heu­te nacht sind es zwei Jah­re her, daß ich einen Mann ge­tö­tet ha­be. Im ver­gan­ge­nen Jahr ist er hier er­schie­nen, um mich zu ru­fen. Heu­te er­war­te ich ihn wie­der.« Und er füg­te hin­zu – ich muß­te dar­über bei­na­he lä­cheln –: »Wir sind et­was be­un­ru­higt.« Ich ver­si­cher­te ihm, daß es mir ge­le­gen kom­me, ihm heu­te nacht ge­gen die Angst des Aber­glau­bens bei­ste­hen zu kön­nen. Ich be­gann, al­ler­lei Ge­schich­ten zu er­zäh­len, und es ge­lang mir, den Al­ten et­was zu be­ru­hi­gen.
    Ne­ben dem Ein­gang lag ein al­ter, fast blin­der Hund. Er schlief mit der Schnau­ze zwi­schen den Vor­der­pfo­ten. Es war ei­ner je­ner Hun­de, die einen ir­gend­wie an einen Men­schen er­in­nern, den man gut kennt.
    Trotz mei­ner Be­mü­hun­gen, die Leu­te zu be­ru­hi­gen, fühl­te ich sehr wohl, daß die Angst sie um­klam­mert hielt, und im­mer, wenn ich mei­ne Er­zäh­lun­gen un­ter­brach, lausch­ten sie auf die Ge­räusche drau­ßen.
    Ich wur­de es mü­de, wei­ter die­sem un­ver­nünf­ti­gen, aber­gläu­bi­schen Ge­ha­be mit zu­zu­se­hen, und ver­lang­te nach mei­nem Zim­mer, als der Al­te auf ein­mal sei­nen Stuhl zu­rück­s­tieß und er­neut nach sei­nem Ge­wehr griff. Ver­wirrt stam­mel­te er: »Da ist er. Da ist er!«
    Die bei­den Frau­en fie­len in der Ecke wie­der auf die Knie und ver­bar­gen das Ge­sicht in den Hän­den. Die Söh­ne lang­ten nach den Äx­ten. Ich woll­te sie noch ein­mal be­schwich­ti­gen, als der Hund plötz­lich er­wach­te, sei­nen Kopf hob, den Hals streck­te, mit sei­nen fast er­lo­sche­nen Au­gen in die Flam­men des Ka­min­feu­ers blick­te und in ein schau­er­li­ches Ge­heul aus­brach. Al­le Au­gen rich­te­ten sich auf das Tier. Es ver­harr­te un­be­weg­lich, auf die Pfo­ten er­ho­ben, wie von ei­ner Er­schei­nung ge­bannt, und be­gann wie­der ge­gen et­was Un­sicht­bar-Un­be­kannt-Schreck­li­ches an­zu­heu­len. Das Fell des Tie­res sträub­te sich. Der Wald­hü­ter war blei­weiß im Ge­sicht ge­wor­den und schrie: »Er riecht ihn! Er riecht ihn! Er war doch da­bei, als ich den Kerl tö­te­te.«
    Ei­ne Stun­de lang heul­te der Hund, oh­ne sich zu rüh­ren. Er heul­te und win­sel­te wie in ei­nem Angst­traum. Und die Angst, die schreck­li­che Angst, er­griff auch mich. Die Angst wo­vor? Wuß­te ich es? Nein. Es war die nack­te Angst.
    Wir hock­ten da, un­be­weg­lich und asch­far­ben. Wir war­te­ten auf das Schreck­li­che, das sich er­eig­nen wür­de. Wir lausch­ten ge­spannt, mit klop­fen­dem Her­zen, vom kleins­ten Ge­räusch zu To­de er­schreckt. Der Hund be­gann im Zim­mer um­her­zu­lau­fen, er schnüf­fel­te an den Wän­den und zit­ter­te. Die­ser Hund mach­te uns na­he­zu ver­rückt. Da warf sich der Bau­er, der mich hier­her ge­bracht hat­te, auf ihn, öff­ne­te die Tür, die auf den klei­nen Hof hin­aus­führ­te und stieß den Hund dort hin­aus.
    So­fort ver­stumm­te das Tier, und wir tauch­ten in ei­ne Stil­le ein, die noch schreck­li­cher war. Doch plötz­lich fuh­ren wir al­le zu­sam­men hoch: Et­was strich an der Haus­mau­er ent­lang, die dem Wald zu ge­le­gen war; dann ging es wei­ter ge­gen die Tür und schi­en sie mit zit­tern­der Hand ab­zu­tas­ten. Zwei Mi­nu­ten hör­te man dar­auf nichts mehr. Wir ver­lo­ren bei­na­he die Be­sin­nung. Dann kam es zu­rück. Es streif­te die Mau­er und kratz­te lei­se, wie es Kin­der mit ih­ren Nä­geln zu tun pfle­gen. Und da – plötz­lich tauch­te vor dem klei­nen Fens­ter ne­ben der Tür ein Kopf auf, ein wei­ßer Schä­del mit leuch­ten­den Au­gen. Ein Ton quäl­te sich aus sei­nem Mund, ein

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