Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
un­deut­li­cher Wehl­aut. Dann zer­riß ein un­ge­heu­rer Lärm die Stil­le in der Kü­che. Der al­te Wald­hü­ter hat­te sein Ge­wehr ab­ge­feu­ert, und so­gleich stürz­ten auch sei­ne Söh­ne her­bei. Sie ver­ram­mel­ten das Fens­ter mit dem großen Eß­tisch und stell­ten auch noch den Ge­schirr­schrank hin­ter den Tisch. Und ich kann Ih­nen schwö­ren, seit­dem der Schuß ge­fal­len war, hör­te ich nichts mehr. Die Angst hat­te mein Herz ge­packt, mei­ne See­le, mei­nen Leib. Ich fühl­te mei­ne Sin­ne schwin­den und glaub­te, vor Angst zu ster­ben. Wir ver­harr­ten so bis zur Mor­gen­däm­me­rung, un­fä­hig, uns zu rüh­ren oder ein Wort zu spre­chen, ge­bannt von ei­ner un­sag­ba­ren Ver­wir­rung. Wir wag­ten nicht, die Bar­ri­ka­de fort­zuräu­men, bis durch einen Spalt das Ta­ges­licht her­ein­drang.
    Am Fuß der Mau­er, ge­gen die Tür ge­wandt, lag der al­te Hund, die Schnau­ze von ei­ner Ku­gel zer­ris­sen.
    Er war durch ein Loch in der Um­zäu­nung aus dem Hof ent­wi­chen. Ich wür­de lie­ber al­len Ge­fah­ren mei­nes Le­bens wie­der ge­gen­über­ste­hen, als noch ein­mal je­ne Mi­nu­te er­le­ben, als der Al­te auf den bär­ti­gen Kopf im klei­nen Fens­ter schoß.

 
Folter durch Hoffnung
von
Vil­liers de I’ls­le-Adam
     
     
    Au­gus­te Graf von Vil­liers de l’Is­le-Adam (1838-1889) stamm­te aus ei­ner al­ten fran­zö­si­schen Adels­fa­mi­lie, de­ren Glanz mit der Re­vo­lu­ti­on ver­bli­chen war. Als Vil­liers 1857 in die Haupt­stadt Pa­ris über­sie­del­te, war er un­ter den jun­gen Dich­tern sei­ner Zeit der ein­zi­ge, mit dem der zu­rück­hal­ten­de Bau­de­laire en­ge­ren Um­gang pfleg­te. Und Bau­de­lai­res Ein­fluß wur­de für Vil­liers be­stim­mend; durch ihn lern­te er auch Ed­gar Al­len Poe ken­nen. Auf der Pa­ri­ser Li­te­ra­tur­sze­ne zeich­ne­te er sich als­bald durch Ex­tra­va­ganz und Ge­nia­li­tät aus, und im Jah­re 1884 be­gann end­lich der Ruhm, von dem er so lan­ge ge­träumt hat­te. Vil­liers be­kann­tes­tes Werk sind die »Con­tes cruels«, in de­nen sich deut­lich der Ein­fluß Poes und der deut­schen Ro­man­tik zeigt. Es sind Er­zäh­lun­gen, in de­nen Grau­en und Iro­nie, Traum und To­desah­nun­gen ei­ner selt­sam mor­bi­den At­mo­sphä­re in­ein­an­der­flie­ßen.
     
     
    Un­ter den Ge­wöl­ben des Jus­ti­z­ge­bäu­des von Sa­ra­gos­sa stieg bei An­bruch ei­nes Abends der ehr­wür­di­ge Pe­dro Ar­buez d’Es­pi­la, sechs­ter Pri­or der Do­mi­ni­ka­ner von Se­go­via, drit­ter Großin­qui­si­tor von Spa­ni­en, ge­folgt von ei­nem fra Re­d­emp­tor – ei­nem Fol­ter­meis­ter – und vor ihm zwei Spä­her des Hei­li­gen Of­fi­zi­ums, die La­ter­nen tru­gen, zu ei­ner ver­lo­re­nen Ker­ker­zel­le hin­un­ter. Das Schloß ei­ner star­ken Tü­re knarr­te; man trat in ein ver­pes­te­tes in pace. Ein dürf­ti­ges Licht von oben ließ zwi­schen den an die Mau­ern ge­häm­mer­ten Rin­gen ei­ne blut­ge­schwärz­te La­ger­statt er­ken­nen, ein Koh­len­be­cken und einen Krug. Auf ver­dreck­ter Streu saß, in schwe­ren Fes­seln, den Ei­sen­ring um den Hals, ver­stört ein Mann von un­be­stimm­ba­rem Al­ter, in Lum­pen gehüllt.
    Die­ser Ge­fan­ge­ne war kein an­de­rer als der Rab­bi Aser Abar­ba­nel, ein ara­go­ni­scher Ju­de, des Wu­chers und der un­er­bitt­li­chen Aus­beu­tung der Ar­men an­ge­klagt. Seit mehr als ei­nem Jahr war er täg­lich der Fol­ter un­ter­wor­fen wor­den. Und doch, da »sei­ne Ver­blen­dung eben­so hart war wie sei­ne Haut«, hat­te er sich ge­wei­gert, sei­nem Glau­ben ab­zu­schwö­ren.
    Stolz auf ei­ne viel­tau­send­jäh­ri­ge Ab­stam­mung, auf sei­ne Ah­nen – denn al­le die­ses Na­mens wür­di­gen Ju­den sind stolz auf ihr Blut – war er dem Tal­mud nach ein Ab­kömm­ling Otho­niels und in­fol­ge­des­sen Ip­si­boes, der Gat­tin die­ses letz­ten Rich­ters in Is­rael; ein Um­stand, der auch sei­nen Mut wäh­rend der un­abläs­si­gen Fol­tern son­der­lich auf­recht­er­hal­ten hat­te.
    So nä­her­te sich denn auch, Trä­nen in den Au­gen im Ge­dan­ken dar­an, daß die­se star­ke See­le sich dem Heil ver­schloß, der ehr­wür­di­ge Pe­dro

Weitere Kostenlose Bücher