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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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tritt zu ihm – schlägt ihm auf die Schul­ter, und er … Aber dann schi­en al­les vor ihm in einen Ne­bel zu sin­ken, der Schweiß rann ihm vom Ge­sicht, und er sank er­schöpft wie­der auf sei­nen Platz zu­rück.
    Was auch Pi­dor­ka tun moch­te: Klu­ge Frau­en be­fra­gen, Zinn­deu­ten, Was­ser be­spre­chen – nichts woll­te hel­fen. So ver­ging der Som­mer. Manch ein Ko­sak hat­te schon sein Korn ab­ge­mäht und sein Heu ge­schnit­ten; manch küh­ne­rer Ko­sak war ins Feld ge­zo­gen. Schwär­me von En­ten dräng­ten sich auf un­se­ren Wei­hern, und der Zaun­kö­nig war schon längst ver­schwun­den. Die Step­pen färb­ten sich rot, Ge­trei­de­hau­fen la­gen hie und da ver­streut wie Ko­sa­ken­müt­zen auf dem Fel­de. Auf den We­gen konn­te man schon Wa­gen be­geg­nen, die mit Rei­sig und Holz be­la­den wa­ren. Die Er­de wur­de hart, und zeit­wei­se gab es schon Frost. Schon rie­sel­te der Schnee vom Him­mel her­ab, und die Zwei­ge der Bäu­me wa­ren mit Rauh­reif ver­ziert wie mit Ha­sen­pelz­chen. Schon stol­zier­te in kla­ren Win­ter­ta­gen der rot­brüs­ti­ge Gim­pel wie ein eit­ler, pol­ni­scher Schlach­ziz auf den Schnee­h­au­fen um­her und such­te sich Kör­ner, und die Kin­der trie­ben mit Rie­sen­stä­ben höl­zer­ne Bäl­le übers Eis, wäh­rend ih­re Vä­ter ru­hig hin­ter den Öfen la­gen und nur ab und zu mit der bren­nen­den Pfei­fe im Mun­de vors Haus gin­gen, um tüch­tig auf den rus­si­schen Frost zu schimp­fen, um sich mal aus­zulüf­ten, oder weil sie das Korn in den Scho­bern noch ein­mal durch­dre­schen woll­ten. End­lich be­gann der Schnee zu schmel­zen, und der Hecht schlug mit dem Schwän­ze das Eis auf; Pe­trusj aber war der­sel­be ge­blie­ben, und nur um so düs­te­rer ge­wor­den, je wei­ter die Zeit vor­rück­te. Wie an­ge­schmie­det saß er mit­ten im Zim­mer, die Sä­cke mit dem Gol­de zwi­schen den Bei­nen. Er ver­wil­der­te, war ganz und gar mit Haa­ren be­wach­sen, und wur­de ein wah­res Schreck­bild; im­mer denkt er an ein und das­sel­be, will sich et­was ins Ge­dächt­nis zu­rück­ru­fen, grollt mit sich und wü­tet, daß es ihm nicht ge­lingt. Oft springt er wild von sei­nem Sit­ze auf, fährt mit den Hän­den um­her und hef­tet sei­ne Au­gen auf et­was, als ob er es fest­hal­ten woll­te; sei­ne Lip­pen be­we­gen sich, als woll­ten sie ein längst ver­ges­se­nes Wort aus­spre­chen und – er­star­ren … Tob­sucht packt ihn; wie toll nagt und beißt er an sei­nen Hän­den, und voll Grimm reißt er sich gan­ze Bü­schel von Haa­ren aus, bis er wie­der still wird, be­wußt­los hin­sinkt, wie­der zu sin­nen an­fängt; und dann wie­der die­sel­be Wut und die­sel­be Qual … Was für ei­ne Stra­fe Got­tes war das! Was Pi­dor­ka durch­ma­chen muß­te, das war kein Le­ben mehr! Zu­erst grau­te sie’s, al­lein im Hau­se zu blei­ben, aber dann ge­wöhn­te sich die Ärms­te an ihr Un­glück. Die Pi­dor­ka von einst war nicht mehr wie­der­zu­er­ken­nen. Ihr Ge­sicht hat­te we­der Far­be noch ein Lä­cheln mehr; ab­ge­härmt und ab­ge­zehrt war’s, aus­ge­weint wa­ren die kla­ren Au­gen. Einst gab ihr je­mand aus Er­bar­men den Rat, sie sol­le zu der Zau­be­rin ge­hen, die in der Bä­ren­schlucht haus­te, und von der der Ruf aus­ging, sie kön­ne al­le Ge­bres­te der Welt hei­len. Sie be­schloß, dies letz­te Mit­tel zu ver­su­chen. Nach vie­lem Hin und Her über­re­de­te sie end­lich die Al­te, mit ihr mit­zu­ge­hen. Es war ge­gen Abend und ge­ra­de vor Jo­han­nis­nacht. Pe­trusj lag be­sin­nungs­los auf der Bank und nahm den neu­en Gast gar nicht wahr. Doch bald be­gann er sich nach und nach auf­zu­rich­ten und um sich zu bli­cken. Plötz­lich er­beb­te er wie auf dem Scha­fott; sein Haar sträub­te sich … und er brach in ein sol­ches La­chen aus, daß die Angst Pi­dor­ka ins Herz schnitt. »Ich hab’s, ich hab’s!« schrie er in fürch­ter­li­cher Lus­tig­keit, schwang das Beil hoch em­por und ließ es aus al­ler Lei­bes­kraft auf die Al­te fal­len. Das Beil saus­te zwei Zoll tief in die Ei­chen­tür hin­ein. Die Al­te war ver­schwun­den, und mit­ten in der Stu­be stand ein Kind von sie­ben Jah­ren in weißem Hemd­chen mit ver­hüll­tem Haupte …

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