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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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letz­te.
    Oh­ne zu zau­dern al­so, wag­te er sich über die Flie­sen, hielt sich an der Mau­er un­ter den Lu­ken, um mit der far­bi­gen Dun­kel­heit der Stei­ne zu ver­schmel­zen. Lang­sam schlepp­te er sich krie­chend vor­wärts – und un­ter­drück­te einen Schrei, als ei­ne frisch ent­zün­de­te Wun­de auf der Brust ihn stach.
    Plötz­lich drang das Ge­räusch ei­ner San­da­le, die sich nä­her­te, im Wi­der­hall die­ser stei­ner­nen Al­lee bis zu ihm. Ein Be­ben schüt­tel­te ihn, die Angst ließ sei­nen Atem sto­cken, sein Blick trüb­te sich. Nun? War es jetzt wirk­lich zu En­de? Zu­sam­men­ge­kau­ert quetsch­te er sich in ei­ne Mau­er­spal­te und war­te­te, halb­tot vor Angst.
    Es war ein Spit­zel, der es ei­lig hat­te. Rasch has­te­te er, ein Fol­ter­werk­zeug zum Zer­rei­ßen der Mus­keln in der Hand, die Ka­pu­ze ge­senkt, ei­ne ent­setz­li­che Er­schei­nung, vor­über und ver­schwand. Das Grau­en, des­sen Um­klam­me­rung der Rab­bi eben ge­spürt hat­te und das gleich­sam al­le Funk­tio­nen des Le­bens sto­cken ließ, be­wirk­te, daß er fast ei­ne Stun­de ver­harr­te, oh­ne auch nur ei­ne Be­we­gung ma­chen zu kön­nen. In der Angst vor ei­nem Über­maß an Fol­tern, falls er er­grif­fen wer­den soll­te, kam ihm der Ge­dan­ke, in sei­ne Zel­le zu­rück­zu­keh­ren. Doch die al­te Hoff­nung flüs­ter­te ihm je­nes gött­li­che Viel­leicht in die See­le, das im schlimms­ten Elend zu trös­ten ver­mag. Ein Wun­der war ge­sche­hen. Dar­an durf­te er nicht mehr zwei­feln! Und er be­gann aber­mals der mög­li­chen Ret­tung ent­ge­gen­zu­krie­chen. Von Schmer­zen und Hun­ger er­schöpft, vor Angst zit­ternd schlepp­te er sich wei­ter. Die­ser Gang, die­se Gruft schi­en sich ge­heim­nis­voll zu deh­nen! Und er, der im­mer wei­ter­kroch, blick­te be­stän­dig in das Dun­kel dort hin­ten, wo der ret­ten­de Aus­gang sein muß­te!
    Oh, oh, schon wie­der tön­ten Schrit­te, dies­mal aber lang­sa­mer, düs­te­rer. Weiß-schwar­ze Ge­stal­ten, die Krem­pen der lan­gen Hü­te ein­ge­rollt, er­schie­nen ihm; zwei In­qui­si­to­ren tauch­ten dort hin­ten aus der trü­ben Luft auf. Lei­se re­de­ten sie mit­ein­an­der und wa­ren of­fen­bar über einen wich­ti­gen Punkt ver­schie­de­ner An­sicht, denn ih­re Hän­de ges­ti­ku­lier­ten.
    Bei die­sem An­blick schloß Rab­bi Aser Abar­ba­nel die Au­gen. Sein Herz poch­te, als woll­te es ihn tö­ten, sei­ne Lum­pen wa­ren von ei­nem feuch­ten To­des­schweiß durch­tränkt, mit of­fe­nem Mund, un­be­weg­lich blieb er längs der Mau­er aus­ge­streckt, un­ter dem Schein ei­ner Lam­pe, und fleh­te reg­los zu dem Gott Da­vids.
    Als die bei­den In­qui­si­to­ren ihm ge­gen­über an­ge­langt wa­ren, mach­ten sie un­ter dem Licht der Lam­pe halt – und das zwei­fel­los durch einen Zu­fall, ei­ne Fol­ge ih­res Ge­sprächs. Ei­ner von ih­nen be­trach­te­te, wäh­rend er sei­nem Ge­fähr­ten zu­hör­te, den Rab­bi. Und un­ter die­sem Blick, des­sen zer­streu­ten Aus­druck er zu­nächst nicht be­griff, glaub­te der Un­glück­li­che zu spü­ren, wie die glü­hen­den Zan­gen wie­der in sein ar­mes Fleisch bis­sen. Soll­te er aber­mals zu Jam­mer und Wun­de wer­den! Ver­za­gend, mit sto­cken­dem Atem und blin­zeln­den Li­dern, er­zit­ter­te er, als die­ses Ge­wand ihn streif­te. Doch, selt­sam zu­gleich und na­tür­lich, die Au­gen des In­qui­si­tors wa­ren of­fen­bar die ei­nes Man­nes, der zu­tiefst mit dem be­schäf­tigt ist, was er ant­wor­ten soll­te, völ­lig von dem Ge­dan­ken an das ein­ge­nom­men, was er hör­te; sie blick­ten starr – und schie­nen den Ju­den zu be­trach­ten, oh­ne ihn zu se­hen.
    Und wirk­lich, nach we­ni­gen Mi­nu­ten setz­ten die bei­den un­heim­li­chen Ge­sprächs­part­ner ih­ren Weg nach dem Ort fort, von dem der Ge­fan­ge­ne ge­kom­men war. Man hat­te ihn nicht ge­se­hen! Und so gründ­lich nicht ge­se­hen, daß in dem furcht­ba­ren Wirr­warr sei­ner Ge­füh­le der Ge­dan­ke sein Hirn durch­kreuz­te: Bin ich am En­de schon tot, daß man mich nicht sieht? Ein greu­li­cher Ein­druck riß ihn aus sei­ner Er­star­rung; als er die Mau­er vor sei­nem Ge­sicht an­sah,

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